Schnäppchenjäger können sich freuen: Apple scheint im Hochpreissegment langsam etwas vorsichtiger zu werden, das iPhone 11 kostet zum Debüt 50 Dollar weniger als das neue Modell im Vorjahr. Auch die Preise für ältere Geräte wurden reduziert. Die Strategie schein zu greifen, Anfang Oktober kamen Gerüchte auf, dass die Zulieferer aufgefordert wurden, die Produktion des iPhone 11 wegen einer stärkeren Nachfrage um zehn Prozent zu erhöhen. Nach Meinung von Analysten könnte Apple nun auch im wichtigen Weihnachtsquartal mit den Verkaufszahlen positiv überraschen.
Die Ausblicke für die iPhone-Verkäufe wurden leicht angehoben. Trotzdem wird die Jahresbilanz wahrscheinlich deutlich negativ ausfallen, der US-Marktforscher IDC sieht beim iPhone-Absatz ein Minus von 15 Prozent, während der weltweite Smartphone-Markt nur um gut zwei Prozent schrumpfen dürfte. Schon jetzt sollten Anleger verstärkt auf das nächste Jahr schauen. Große Hoffnungen ruhen auf der neuen 5G-Technologie, die den Absatz kräftig ankurbeln könnte. Apple`s erstes 5G-fähige Smartphone wird im September 2020 erwartet. Schätzungen zufolge werden bis Jahresende rund 200 Millionen Geräte verkauft, ein ähnlicher Wert wird für 2021 prognostiziert.
Apple TV+ als Katalysator für den Dienstleistungsbereich
Spannend ist aber noch eine andere Entwicklung: Konzern-Chef Tim Cook führt Apple weg von einem reinen Technologiekonzern und hin zu einem Dienstleistungsgiganten. Bisher verläuft die Strategie erfolgreich, die Einnahmen aus Dienstleistungen machen bereits gut die Hälfte der Konzernerlöse aus - Tendenz steigend. Nach Einschätzung von Cook dürften sich die Geschäfte mit Dienstleistungen im nächsten Jahr gegenüber 2016 auf 50 Mrd. Dollar verdoppeln. Ab November könnte der Bereich deutlich an Schwung gewinnen.
Zu Monatsbeginn geht Apple TV+ an den Start. Die Konkurrenz wird wahrscheinlich die Luft anhalten, denn Apple greift über zwei Seiten an: Während Analysten mit einem Preis von acht bis zehn Dollar pro Monat gerechnet hatten, müssen Kunden nur knapp fünf Dollar berappen. Gerade über den Preisfaktor könnte Apple schnell Marktanteile erobern. Gleichzeitig spielt Apple eine weitere Trumpfkarte aus: Wer ein neues iPhone, iPad oder andere Hardware aus dem Apple-Geräteuniversum kauft, darf den Streamingdienst ein Jahr lang kostenlos nutzen. Die Laufzeit ist recht lang - auch dies sollte zur Kundebindung beitragen.
Weltweit werden rund 1,4 Milliarden Apple-Geräte genutzt. Zudem verfügt der Konzern über etwa 420 Millionen kostenpflichtige Abonnements in seinen verschiedenen Diensten - die Startbedingungen sind somit sehr gut. Dank der großen Apple-Fangemeinde könnte die Zahl der Streaming-Nutzer in den nächsten vier Jahren auf etwa 100 Millionen Abonnenten steigen und so einen Jahresumsatz von bis zu zehn Mrd. Dollar generieren. Zur Einordnung: Streaming-Primus Netflix wird von gut 150 Millionen Kunden genutzt. Ein Erfolg scheint auch die Apple-Kreditkarte zu sein: Nach Aussagen der Partnerbank von Apple in diesem Geschäft, Goldman Sachs, sei der Kreditkarten-Launch der erfolgreichste aller Zeiten gewesen.
Die sinkende Abhängigkeit vom hart umkämpften und zyklischen Smartphone-Segment wird am Markt gut aufgenommen, da der hohe Anteil der wiederkehrenden Erlöse aus dem Dienstleistungsgeschäft das Risiko vor unliebsamen Überraschungen verringern. Zudem zeigen die jüngsten Daten, dass Apple die sinkenden Verkäufe des iPhones durch die dynamische Entwicklung im Dienstleistungsbereich mehr als kompensieren kann.
Überhitzt - aber stabil im Trend
Kurzfristig steht das Zahlenwerk am Mittwoch im Fokus. Analysten erwarten im Schnitt einen Gewinn je Aktie von 2,84 Dollar nach 2,91 Dollar im Vorjahreszeitraum. Beim Umsatz liegt die Messlatte - ähnlich wie vierten Quartal 2018 - bei 62,9 Mrd. Dollar. Für das Gesamtjahr 2019 betragen die Konsensschätzungen 11,7 Dollar Gewinn je Aktie und 259 Mrd. Dollar Umsatz. Im Geschäftsjahr 2020 werden aktuell 12,8 Dollar und 272 Mrd. Dollar auf der Erlösseite erwartet.
Aus fundamentaler Sicht ist die überdurchschnittliche Performance von gut 50 Prozent seit dem Jahreswechsel also durchaus gerechtfertigt. Einziger Haken: Auch die Apple-Aktie unterliegt den Marktgesetzen. Der Abstand zur 200-Tage-Linie (violett, hier als 40-Wchen-Durchschnitt) liegt mit 24 Prozent auf einem sehr hohen Niveau. Bei ähnlichen Differenzen bildete der Kurs in der Vergangenheit häufig ein Hoch aus, auf das eine Konsolidierung folgte. Auf der anderen Seite hat die Aktie noch nicht die obere Kanalgrenze bei 278 Dollar erreicht. Rücksetzer sollten daher zum Kauf genutzt werden.
Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse.
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