von Dirk Elsner

Ich bin ja seit Jahren ein glühender Verfechter des mobilen Bezahlens per Smartphone und habe lange auf Gelegenheiten warten müssen, um im Alltag und nicht bei Showvorführungen diese Zahlungsmöglichkeit nutzen zu können. Als die Möglichkeit bekannt wurde, war ich voller Optimismus und habe den Studien, die dem mobilen Bezahlen per Handy eine glorreiche Zukunft prophezeiten, Glauben geschenkt. Ich war sicher, dass wird die Zahlungsart der Zukunft werden. Ich habe in den letzten Monaten schon schrittweise meine Auffassung revidiert, weil die eigenen Erlebnisse mit diesem Zahlverfahren nicht gerade positiv verlaufen sind. Heute glaube ich, das Bezahlen mit dem Smartphone wird als Zahlungsverfahren an der Ladenkasse auf Jahre hinaus eine unattraktive Nische bleiben.

Weil der Begriff mobile payment mittlerweile inflationär verwendet wird, sage ich hier, was ich darunter verstehe: Technische Voraussetzung für die Umsetzung ist meist die sogenannte Near Field Communication (NFC). Das ist derzeit die gehypte technologische Basis der Mobilbranche. NFC ist ein internationaler Übertragungsstandard, der den drahtlosen Datenaustausch zwischen Geräten ermöglicht, die mit einem entsprechenden NFC-Chip ausgestattet. Das erinnert an Bluetooth und WiFi, jedoch müssen bei NFC die Geräte sehr nah aneinanderhalten (deswegen "Nahfeldkommunikation") werden, um zu einem Datenaustausch zu kommen. So soll sichergestellt werden, dass kein anderes Gerät die Daten "abfangen" kann. Daneben gibt es weitere Übertragungstechniken, wie etwa durch einen QR-Code. Das sehe ich aber nur als eine Übergangskrücke an.

Auf Seite 2: Mobiles Bezahlen wird kaum genutzt





Eine zweiwöchige US-Reise hat mich gerade erneut bestätigt, dass das mobile Bezahlen mit dem Handy am Point of Sale im Land, das Europa und Deutschland angeblich immer ein paar Jahre voraus sein soll, trotz der Offensiven von Google und Apple weiterhin keine Rolle spielt.

Ja, es ist richtig, dass man in immer mehr Geschäften die Möglichkeit hat, mit dem Smartphone zu bezahlen. Vor allem das elegante Apple Pay Zeichen fällt in einigen wenigen Stores auf. Von einer auch nur annähernden flächendeckenden Verbreitung in Geschäften von Apple Pay, Google Wallet (künftig Google Pay) oder diversen anderen Anbietern sind auch die Geschäfte, Restaurants oder öffentliche Einrichtungen in den USA wohl noch Jahre entfernt.

Aber selbst dort, wo man mobil zahlen kann, wird es kaum genutzt. In diesen zwei Wochen haben wir selbst oft eingekauft und waren in Geschäften, Tankstellen und Restaurant Insgesamt haben meine Frau und ich, wie schon vor zwei Jahren, nur einer Person zusehen können, die per Smartphone bezahlt hat. Das ist ernüchternd. Und möglicherweise ist das auch ein Grund dafür, warum Apple bisher keine Transaktionszahlen für seinen mobilen Bezahldienst veröffentlichen möchte. Die Nutzung von Apple Pay liegt vermutlich deutlich unter den eigenen Erwartungen des Konzerns aus Cupertino.

Auf Seite 3: Der Durchbruch wird nicht kommen





Seit Jahren faseln Analysten, Experten und Berater vom großen Durchbruch. Es ist Zeit einzuräumen, dass wir uns geirrt haben. Der Durchbruch wird nicht kommen. Das Bezahlen mit dem Smartphone im Geschäft wird sich in den nächsten fünf Jahren nicht durchsetzen. Das werden auch Apple und Google nicht ändern.

Ein Grund dafür liegt darin, dass das Bezahlen mit der Debit- bzw. Kreditkarte denkbar einfach geworden ist. Unter mobile payment im weiteren Sinn wird oft auch das kontaktlose Bezahlen mit Karten verstanden. Das ist in den USA nach meinem Eindruck deutlich weiter verbreitet. Dazu hält man die Karte meist nur an ein Lesegerät, eine Sekunde warten und der Zahlvorgang ist abgeschlossen. Meist waren weder eine Unterschrift, geschweige denn eine Geheimzahl notwendig.

Klar, es wird dem ängstlichen Bezahlspießer nicht gefallen, wenn er für die Bezahlung per Karte weder Unterschrift noch Geheimzahl benötigt. Wir haben uns daran mittlerweile gewöhnt und bisher keine Schäden erlitten. In jedem Fall ist das kartengestützte mobile Bezahlen über diesen Weg konkurrenzlos schnell. Selbst wer sein Smartphone in der Hand hält, dürfte dies in Bezug auf Geschwindigkeit und Bequemlichkeit nicht toppen können. Außer der Erzeugung eines Showeffekts macht die Bezahlung mit dem Smartphone also überhaupt keinen Sinn, wenn sie nicht andere Mehrwerte generiert, wie etwa Loyality-Punkte oder einen elektronischen Kassenzettel. Ich bin daher überzeugt, die Bezahlung per Karte bleibt vorerst die Nummer 2 (gleich hinter dem Bargeld). Das Bezahlen mit dem Handy wird zumindest in Europa und den USA deutlich hinter den einst hohen Erwartungen bleiben.

Auf Seite 4: Aldi entdeckt das kontaktlose Bezahlen per Karte





Dass das kontaktlose Bezahlen per Karte attraktiv ist, hat gerade Aldi Nord entdeckt. Bei Aldi zählen niedrigen Gebühren und Geschwindigkeit. Warum kontaktloses Bezahlen per VPAY und Maestro für den Einzelhandelsriesen so attraktiv ist, hat Rudolf Linsenbarth gerade für Mobile Zeitgeist gut herausgearbeitet:

"Während ab dem 9. Dezember 2015 der Anteil, den die Banken erhalten für VPAY und Maestro bei 0,2% liegen wird, sind es bei den Kreditkarten 0,3%. Die Gebühren für die Girocard werden zwischen den einzelnen Händler- und Bankengruppen bilateral verhandelt und werden nicht veröffentlicht. Es gibt aber Indikatoren, dass die Höhe sich irgendwo zwischen 0,2% und 0,3% eingestellt hat."

Zwar bietet Aldi Nord ebenfalls die Möglichkeit, mit dem Smartphone zu zahlen wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, aber allein die Beschreibung wird den meisten Kunden zu kompliziert klingen. Ich erwarte daher, dass der Anteil der Zahlungen mit dem Smartphone bei Aldi Ende 2016 unter 5% liegen wird.

Auf Seite 5: Peer-to-Peer-Zahlung und In-App-Bezahlen haben bessere Erfolgschancen





Neben der Bezahlung am Verkaufspunkt (= Point of Sale) kann mobil mit dem Telefon auch zwischen Personen bezahlt werden. Hier spricht man von Peer-to-Peer-Zahlung. Dies liegt dichter an der uns bekannten Überweisung. Hier habe ich deutlich mehr Fantasie, was die Erfolgsaussichten betrifft. Dazu müssen es Banken oder andere Anbieter schaffen, Zahlungen unter Verzicht der Eingabe der langen IBANS und BICs durchzuführen. Das Problem dabei ist freilich: Niemand verdient etwas an solchen Transaktion.

Nachrichten-Systeme wie WhatsApp oder der Facebook-Messenger sind hier ganz heiße Kandidaten, weil sie bereits über eine breite Nutzerschaft verfügen und sie keine Probleme mit dem Netzwerkeffekt haben dürften. Dazu schrieb Prof. Dr. Andreas Dietrich im Blog der Hochschule Luzern:

"Der Erfolg von Zahlungssystemen hängt stark von Netzwerkeffekten ab. P2P Systeme sind nur bei einer genügend grossen Population interessant. WhatsApp macht alleine keinen Spass und bringt dementsprechend wenig Nutzen. Eine virale, schnelle Verbreitung ist für P2P Systeme zwingend. Bei Nahzahlungssystemen müssen Konsumenten und Händler das gleiche System verwenden."

Was mobil ebenfalls eine aussichtsreiche Zukunft haben wird, ist das In-App-Bezahlen, wenn man etwa in Apps wie MyTaxi oder in die Apps öffentlicher Verkehrsmittel gleich die Zahlungsfunktion integriert. Hat man einmal seine Zahlungsdaten hinterlegt, ist das bequemer als jede andere Form der Bezahlung. Hier liegt übrigens auch eine Chance für das von vielen bereits im Vorfeld belächelte Verfahren der deutschen Kreditwirtschaft PayDirekt.

Als Fazit bleibt: Mobiles Bezahlen an der Ladenkasse wird sich auf Jahre hin schwer tun, andere Formen der mobilen Bezahlung räume ich durchaus gute Chancen ein.

Dirk Elsner arbeitet als Unternehmensberater für die Innovecs GmbH.