Die Überprüfung ist für Banken und Aufseher gleichermaßen eine Belastungsprobe. Für die Geldhäuser sei der Aufwand vor allem deshalb hoch, weil sich viele Zahlen nicht auf Knopfdruck abrufen ließen, sagt Linklaters-Anwalt Andreas Steck, der deutschen Geldhäusern bei der Übung unter die Arme greift. "Viele Banken haben extra Aufträge an externe Dienstleister erteilt, um die Daten aufzubereiten." Der ganze Test sei ein "warmer Regen" für die Wirtschaftsprüfer, spottet HypoVereinsbank -Finanzvorstand Peter Hofbauer. Die Münchener Bank kostet alleine der Bilanzcheck einen "satten zweistelligen" Millionen-Euro-Betrag.
Die Europäische Zentralbank (EZB) will mit dem Gesundheitscheck sicherstellen, dass die Banken besenrein sind, wenn sie im November die Aufsicht über die wichtigsten Institute der Euro-Zone übernimmt. Zudem sollen Bedenken von Investoren ausgeräumt werden, die auch sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise Sorgen haben, dass noch unentdeckte Risiken in den Bilanzen der Geldhäuser schlummern. Die staatliche Rettung der portugiesischen Bank Espirito Santo Anfang des Monats hat diese Zweifel verstärkt.
Auf Seite 2: Einen Sack Flöhe hüten
EINEN SACK FLÖHE HÜTEN
Wie die Geldhäuser in dem Test am Ende abschneiden, kann aus Sicht der Aufsichtsbehörden derzeit niemand sagen. Hunderte Prüfer sind noch dabei, die eingereichten Daten kritisch zu hinterfragen. Piers Haben, Direktor bei der europäischen Bankenaufsicht EBA, geht davon aus, dass es anschließend Anpassungen geben wird. "Es ist wahrscheinlich, dass Banken Dinge optimistisch sehen, während Aufseher einen nüchternen Blick darauf werfen. Niemand weiß, was dabei herauskommt." Änderungsbedarf sieht die EZB unter anderem bei der Behandlung ausfallgefährdeter Kredite, mit denen in manchen europäischen Ländern unterschiedlich umgegangen wird, wie zwei mit dem Prozess vertraute Personen Reuters sagten. Deutsche Banken zwingt die Notenbank Insidern zufolge zu einer strengeren Bewertung ihrer Schiffskredite.
Viele Bankmanager schimpfen über das Vorgehen der EZB und ihres Beraters Oliver Wyman. Bei unterschiedlichen Ansichten klammerten sich die Aufseher an ihr am Schreibtisch entworfenes Vorgabenpapier, kritisieren mehrere Banker. Erfahrungen, die Geldhäuser über Jahrzehnte bei der Bewertung ihrer Risiken aufgebaut haben, würden dagegen weitgehend ignoriert. Befürworter des EZB-Vorgehens weisen hingegen darauf, dass es einheitliche Regeln brauche, um europaweit vergleichbare Ergebnisse zu erzielen. "Dass einige Banken mit den Vorgaben und Ergebnissen unzufrieden sind, liegt in der Natur der Sache."
Auch über den Sinn der umfangreichen Datenerhebung wird diskutiert. Die Zahlen seien unverzichtbar, um valide Ergebnisse zu produzieren, finden die Aufsichtsbehörden. "Aufwand und Ertrag beim Bilanzcheck stehen in keinem Verhältnis", entgegnet ein beteiligter Banker. "Unser Erkenntnisgewinn durch den Bilanzcheck war null. Der Erkenntnisgewinn für die deutsche Aufsicht war null. Und ich habe auch Zweifel, dass die EZB dadurch viel Neues über uns erfahren hat."
Trotz aller Kritik finden die meisten Banker, dass der Fitnesscheck insgesamt besser organisiert ist als vorangegangene Stresstests der EBA. "Es gibt einen klaren Zeitplan und eine gewisse Grund-Professionalität", sagt der Vorstand eines deutschen Instituts. Zu viel Jammern bringe deshalb nichts. "Es ist allen klar, dass die EZB bei dem Test einen Sack Flöhe hüten muss und nicht auf alle nationalen Besonderheiten eingehen kann", sagt der Vorstandschef eines anderen Geldhauses.
Auf Seite 3: Die Ruhe vor dem Sturm
DIE RUHE VOR DEM STURM
Damit der Test von Investoren als glaubwürdig angesehen wird, muss aus Sicht von Experten eine nennenswerte Zahl an Banken durchfallen - auch in Deutschland. Nach dem Bilanzcheck müssen Geldhäuser mindestens eine harte Kernkapitalquote von acht Prozent vorweisen, bei einer simulierten Krise mindestens 5,5 Prozent. "Entspannt sein können Banken aus meiner Sicht nur, wenn sie mit einer harten Kernkapitalquote von deutlich über zehn Prozent in den Test gehen", sagt ein Bankvorstand. Alle anderen müssten bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse Mitte Oktober zittern. Der Vorstand geht davon aus, dass Banken unter Druck geraten, die den Test nur ganz knapp bestehen. "Investoren sehen es sicher nicht gerne, wenn eine Bank im Stress nur auf 5,6 Prozent kommt - sieben Prozent sollte es schon sein." Alle Geldhäuser, bei denen es knapp werden könnte, müssten deshalb einen Plan B mit Maßnahmen in der Schublade haben, mit denen sich ihre Kapitalausstattung rasch verbessern lässt.
Zahlreiche Banken aus dem In- und Ausland haben bereits im laufenden Jahr frisches Kapital eingesammelt. Viele Kapitallücken, die zum Stichtag Ende 2013 bestanden, dürften deshalb bereits geschlossen sein. Banker und Experten gehen jedoch davon aus, dass es auch ein paar "echte Durchfaller" geben wird, die am Ende abgewickelt werden. Es sei unvorhersehbar, wie der Markt dann reagiere. Schließlich wird das von der EU auf den Weg gebrachte System zur Abwicklung kriselnder Banken erst in einigen Jahren voll einsatzfähig sein. "Eigentlich ist es ein Unding, dass man in den Bilanzcheck gegangen ist ohne ein funktionierendes Werkzeug zur Abwicklung von Banken", sagt ein mit dem Prozess vertrauter Bankberater.
Bei den meisten Banken ist es derzeit relativ ruhig. Die einzigen sichtbaren Spuren, die die Prüfer bei der Commerzbank bisher hinterlassen haben, sind zehn brandneue Kaffeemaschinen. "Die Maschinen mussten wir für die Prüfer kaufen", erzählt ein Manager der zweitgrößten deutschen Bank. "Jetzt haben wir sie auf die einzelnen Büros verteilt."
Reuters