Die Qualifikation für die Fußball-WM 2018 in Russland lief für Argentinien bisher enttäuschend. Noch muss der zweimalige Weltmeister um ein Ticket für das Kräftemessen der weltbesten Fußballnationen zittern. Sollten Messi & Co scheitern, wäre dies für das Seelenheil der fußballverrückten Argentinier sicherlich ein schwerer Schlag.
Für den Gemütszustand argentinischer Anleger sind zwei andere Termine entscheidend. Der erste davon steht bereits im Juni an, wenn Indexbetreiber MSCI das Urteil darüber fällt, ob das als "Frontier Market" eingestufte Land einen höheren Status als "Schwellenmarkt" erhält. Kommt es dazu, könnte das eine positive Kursreaktion zur Folge haben, weil die Aktien des Landes dann für eine größere Investorengruppe zugänglich wären. So beziffert Bloomberg das Kapital, über das Frontier-Markets-Produkte verfügen, auf 26 Milliarden Dollar, das für Schwellenländer aber auf 1,6 Billionen Dollar.
Wichtige Wahlen
Wie lange ein positiver MSCI-Impuls für gute Laune an der Börse sorgen kann, hängt allerdings auch vom Ausgang der Parlamentswahlen im November ab. Die meisten Marktteilnehmer hoffen auf ein gutes Abschneiden der Partei des Ende 2015 gewählten Präsidenten Mauricio Macri, damit dieser die Aufräumarbeiten in dem politisch heruntergewirtschafteten Land fortsetzen kann.
Seit seinem Amtsantritt hat Macri durchaus einiges an Reformarbeit geleistet, wie Tim Love, Investment Director für Schwellenländeraktien bei GAM, bestätigt: "Zu den bedeutendsten Erfolgen zählten die Beilegung der Probleme Argentiniens mit Staatsanleihen, Maßnahmen gegen Ungleichgewichte bei den Tarifen im Versorgungssektor und die Freigabe der Währung. Darüber hinaus hat die Regierung Kapitalkontrollen aufgehoben und damit die Aussichten auf eine Reklassifizierung als Schwellenland verbessert. Als Lohn dafür hob Standard & Poor’s unlängst die Bonitätsnote des Landes von "B-" auf "B" an. Gesunken sind zudem die Risikoaufschläge für die Staatsanleihen.
Das Manko: Die von Volkswirten gelobten Maßnahmen schlagen sich zu zögerlich in den Konjunkturdaten nieder. Die Wirtschaft soll dieses Jahr zwar wieder wachsen, die IWF-Erwartung ist zuletzt aber von 2,7 auf 2,2 Prozent gesunken. Die Arbeitslosenquote liegt bei rund acht Prozent, die Inflationsrate ist mit 27,5 Prozent noch immer hoch.
Es gibt also noch viel zu tun - und die Frage ist, ob die Wähler beim Urnengang die dafür nötige Geduld mitbringen. Fällt das Abstimmungsergebnis ungünstig aus, könnte das zuletzt wahlbedingt bereits verlangsamte Reformtempo noch mehr nachlassen. Doch trotz wieder zunehmender Demonstrationen hat Macri Chancen auf ein passables Abschneiden, schließlich sind andere führende Politiker noch unbeliebter als er.
Das nach Brasilien flächenmäßig zweitgrößte Land Südamerikas ist eigentlich mit guten wirtschaftlichen Voraussetzungen gesegnet, schafft es aber schon lange nicht mehr, seine Stärken auszuspielen. Weltklasse sind aber trotz alledem die Kurssteigerungen. Der Argentinische Leitindex Merval hat sich seit Ende November 2001 mehr als verhundertfacht. Seit der Lehman-Krise im Herbst 2008 gerechnet, beträgt das Plus immerhin noch annähernd 2500 Prozent. Dabei sind zwar eine hohe Inflation und für Auslandsinvestoren die ebenfalls hohen Währungsverluste einzukalkulieren, am überzeugenden Aufwärtstrend ändert das aber nichts. Ein Median-KGV bei den führenden Aktien von rund zehn für 2018 lässt hoffen, dass die Hausse weitergeht.
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Vier Einzelfavoriten
Einer der Titel, die wir favorisieren, ist MercadoLibre. Seit der Erstbesprechung in Ausgabe 17/2016 hat Lateinamerikas führender Internethändler bereits um mehr als 150 Prozent zugelegt. Wir halten den Titel weiterhin für interessant, weil Analysten für die nächsten fünf Jahre ein Gewinnwachstum von etwa 32 Prozent pro Jahr prognostizieren. Zudem könnte auch der chinesische Konkurrent Alibaba im Zuge seiner globalen Wachstumsambitionen irgendwann die Fühler nach MercadoLibre ausstrecken.
Glatt verdoppelt hat sich die Notiz seit Ausgabe 17/2016 bei der damals ebenfalls empfohlenen Grupo Clarin. Der größte und am breitesten aufgestellte Medienkonzern in Argentinien hat Ende September die Bereiche Kabelfernsehen, Internet und Telefon abgespalten, was die Interpretation der aktuellen Ergebnisse aber etwas erschwert. Die Zuwächse bei Umsatz und Gewinn im ersten Quartal sind aus unserer Sicht aber überzeugend, auch wenn sich manche Marktteilnehmer an etwas niedrigeren Margen stören. Verbessert sich aber die konjunkturelle Lage, sollte das den Geschäften von Grupo Clarin gut tun.
Davon ist auch beim Blick auf Grupo Supervielle auszugehen. Schließlich verspricht eine wachsende Wirtschaft eine anziehende Kreditnachfrage bei dem Finanzdienstleister. Die erst seit Mai 2016 börsennotierte Firma, die sich aber auf bis ins Jahr 1887 zurückreichende Wurzeln beruft und mehr als zwei Millionen Kunden hat, konnte im ersten Quartal den Nettogewinn mehr als verdoppeln. Der Vorstand ist zudem zuversichtlich, mithilfe einer Digitalisierungsoffensive zusätzliches Geschäft an Land zu ziehen.
Als zweite Neuempfehlung kommt IRSA Inversiones y Representaciones ins Spiel. Dahinter steckt einer der größten Immobilienentwickler des Landes (Bürogebäude, Shoppingzentren, Luxushotels). Wer auf diesen Zug aufspringt, wettet darauf, dass IRSA-Chef Eduardo Elsztain recht behält. Denn der wittert dank der Macri-Reformen die besten Geschäftschancen seit einem Vierteljahrhundert. Basierend darauf - und wegen der aus seiner Sicht immer noch günstigen Immobilienpreise - hat er dem Unternehmen das aggressivste Investitionsprogramm seit 25 Jahren verordnet.