Die Primark-Filiale auf der Frankfurter Zeil wirkte, als hätte es die Corona-Krise nie gegeben. In den Tagen nach der Wiedereröffnung reichte die Schlange vor dem Eingang des Modediscounters bis um die nächste Hausecke. Derartigen Andrang gibt es sonst fast nur, wenn ein neuer Standort des Billighändlers erstmals seine Pforten öffnet. Dass die Menschen anstehen mussten, dürfte jedoch an den Corona-Schutzmaßnahmen liegen. Die Zahl der gleichzeitig im Geschäft erlaubten Kunden ist begrenzt, jede zweite Kasse geschlossen. Dennoch sieht das Unternehmen in seinen seit Mai schrittweise wieder geöffneten Filialen einen "beruhigenden wie ermutigenden" Handel.
Doch obwohl die Kunden wieder durch Reihen von Tops und Schuhen, Jacketts und Kleidern von zwei bis maximal 50 Euro streifen, hat Primark fast 85 Prozent seines Werts verloren. Laut Morgan Stanley bewerten Investoren die Textiltochter des Mutterkonzerns Associated British Foods (ABF) nur noch mit 2,9 Milliarden Pfund. Zum Vergleich: 2015 waren es 20 Milliarden, wobei der operative Gewinn der Bekleidungssparte damals gut ein Drittel kleiner war. Mit 7,9 Milliarden Pfund Umsatz und einem bereinigten operativen Gewinn von 913 Millionen Pfund stand Primark im vergangenen Geschäftsjahr für rund die Hälfte der Gesamteinnahmen sowie für fast zwei Drittel des bereinigten operativen Gewinns von ABF. Morgan Stanley hält daher eine Primark-Bewertung von 10,2 Milliarden Pfund für angemessen.
Der Textildiscounter kauft große Mengen direkt bei den Herstellern ein, verzichtet auf Zwischenhändler oder teure Werbung und schlägt deutlich weniger auf die Endkundenpreise auf als die Konkurrenz. Im Schnitt kostet die Kleidung der Fast-Fashion-Kette halb so viel wie bei H & M oder Zara. Um Gewinn zu machen, muss Primark daher massenhaft verkaufen. Vor dem Virusausbruch mangelte es nicht am nötigen Kaufrausch der Kunden. Schätzungen zufolge setzt Primark auf gleicher Fläche sechsmal mehr Produkte ab als H & M. Nun wirken sich die Corona-Schutzmaßnahmen negativ auf die Kundenfrequenz aus. Zusätzlich gewinnen Internethändler Marktanteile, während die Iren keinen Onlineverkauf haben und unter ihrem Billig-Image leiden.
Billig braucht Masse
Allerdings bezieht Primark 98 Prozent seiner Produkte von Herstellern, bei denen auch andere große Discount- und sogar Luxuslabel produzieren lassen, und setzt sich, zumindest auf dem Papier, für faire Arbeitsbedingungen ein. Und trotz steigender Onlinepenetration gewinnt der Discounter Marktanteile. Gleichzeitig verkauft ABF in seinen übrigen Geschäftsbereichen ein breites Angebot an Lebens- und Nahrungsmittelprodukten, Dinge also, bei denen die Firmengruppe bisher "keine wesentlichen Auswirkungen" der Corona-Krise spürt.