von Axel Retz

Treppenlifts sind eine tolle Sache. Denn hier bestimmen Sie immer selbst, ob es nun hinauf oder hinab gehen soll. Und anders als an der Börse gibt es keinerlei Seitwärtsbewegungen. Nachteil: Diejenigen, die sie nutzen, wissen, wenn sie oben oder unten angekommen sind, oft nicht mehr, was sie dort eigentlich gewollt hatten.

An der Börse ist die gewollte Richtung eigentlich immer die Gleiche: Alle wollen nach oben, niemand nach unten. Und wenn die Börse oben ist, dann möchten sie, dass es noch weiter aufwärts geht. Dummerweise aber weiß niemand, wo wirklich das letzte "Oben" ist und wann der Kurslift aus dem Stegreif seine Richtung ändert und wie schnell und wie weit es dann nach unten geht.

Mit der EU und dem Euro ist es wieder etwas anderes. Beide gleichen bekanntermaßen eher einem Aufzug. Ist der erst einmal über die Startphase der Auf- oder Abwärtsbeschleunigung hinaus, fühlt man nie, ob er sich auf- oder abwärts bewegt. Abwärts geht es auf jeden Fall mit der Demokratie. Und das mit einem derartigen Tempo, dass einem vor der Europawahl, die zwischen dem 22. Und dem 25. Mai stattfinden wird, wirklich der Verdacht kommen könnte, dass die EU entweder mit voller Absicht am eigenen Ast sägt oder aber dringendst ein wenig intellektuelle Verstärkung benötigt.

Zwei "noch warme" Beispiele: Am Sonntag stimmten unsere Schweizer Nachbarn in einer Volksabstimmung über eine Begrenzung der Zuwanderung ab. Und die Mehrheit der Eidgenossen sagte ja zu einer solchen Begrenzung. Einen "basisdemokratischeren" Weg als einen Volksentscheid gibt es nicht. Dennoch steht die Schweiz nun unter massivem Sperrfeuer der EU und auch der Bundesregierung. Ist das das Europa, was wir wollen? Wollen wir ein Europa, in dem die mehrheitlich ausgedrückten Interessen der Bevölkerung eines Mitgliedsstaates einfach unter den Teppich gekehrt werden? Dann können wir unsere Bundestagsabgeordneten, die sich gerade wieder eine Diätenerhöhung verordnen, zumindest in diesem Punkt auch gleich beurlauben.

Dazu passt wie die Faust aufs Auge auch das zweite Beispiel: Der EU-Ministerrat hat gestern die Zulassung von Genmais "Pioneer 1507" beschlossen. Dazu einmal ein paar Fakten: Die deutsche Bevölkerung ist mit überwältigender Mehrheit gegen den Anbau (und auch Konsum) genetisch veränderter Lebensmittel. Und die Bundesregierung? Sie schrieb in ihren Koalitionsvertrag den schönen Satz "Wir erkennen den Vorbehalt des Großteils der Bevölkerung gegenüber der grünen Gentechnik an." Herzlichen Dank. Und was tat sie gestern? Sie enthielt sich der Stimme. Hinzu kommt: 19 der 28 EU-Staaten sprachen sich gegen die Einführung von Pioneer 1507 aus. Aber nach den EU-Statuten war das zu wenig,so dass die EU-Kommission (die niemand je gewählt hat) nun kaum anders kann, als die Schleusen für Pioneer, Montsanto und DowAgroScience etc. zu öffnen. An Brüssel: Ändern Sie Ihre demokratiefeindlichen Regeln für Europa, denn sonst wird es Ihnen Ende Mai um die Ohren fliegen!

Auf Seite 2: Extrem, extremer, am extremsten

Extrem, extremer, am extremsten

In der vergangenen Woche hatte ich mich hier mit der Frage beschäftigt, wann der Treppenlift an der Wall Street wieder den Weg nach unten einschlagen werde. Die Frage nach dem "ob" hatte ich nicht gestellt. Denn erstens ist die Antwort darauf so sicher wie das Amen im Limburger Dom. Und zweitens sind die Haussiers eh felsenfest davon überzeugt, dass das niemals mehr passieren wir. Womit wir zumindest eine der Grundbedingungen dafür haben, dass es bis zur Abwärtswende nicht mehr weit sein kann. Aber sehen wir uns einmal zwei aktualisierte Charts an. Sie wissen ja, dass ich gerne am alten roten Faden bleibe.

Da ist er nun also wieder, unser Chart aus der Vorwoche. Er ist ein Wochenchart, verbindet also nur die jeweiligen Freitagsschlusskurse, was eine gehörige Mengung an überflüssiger Spannung aus dem Knie nimmt.

Wie Sie sehen, hat der Dow Jones in nun wirklich buchstäblich letzter Sekunde das Kunststück fertiggebracht, wieder von der seit dem Kurstief 2009 bestehenden Aufwärtstrendgeraden nach oben einzudrehen. Ich hatte Ihnen ja geschrieben, dass das der "Normalfall" ist. Denn nach der vielleicht wichtigsten Grundregel der Charttechnik haben Trends bis zum Beweis des Gegenteils als intakt zu gelten. Diesen Chart und den nachfolgenden sollten Sie unbedingt im Auge halten, denn diese beiden werden Ihnen sagen, wann der Aufwärtslift an der Wall Street seine Fahrtrichtung ändert. Unterkreuzt der Dow Jones auf Wochenschlusskursbasis diese Haussegerade, halten Sie eines der beiden zusammen gehörenden Puzzleteile für den höchstwahrscheinlichen Start einer neuen, durchaus "größeren" Abwärtsbewegung in Händen. Teil zwei - und damit fast schon so etwas wie eine Garantie - sehen Sie hier:

Die Nachfrage nach Krediten zum Aktienkauf ist nach dreiwöchigem Sillstand in der letzten Woche regelrecht explodiert, womit auch ein neues Allzeithoch erreicht wurde. Die Haussiers sind damit überzeugter denn je, am Aktienmarkt über Kursgewinne und/oder Dividenden mehr Rendite einzufahren als sie für die Kosten ihrer Kredite zu zahlen haben.

Aufschlussreich an diesem Chart ist vor allem, dass sich diese Einstellung der Anleger ´bei allen wirklich bedeutenden Trendwenden der Wall Street als wirklich perfekt möglicher Kontraindikator erwies. Immer wenn sich die Anleger wie wild Geld liehen, um an der Wall Street bloß nichts zu verpassen, stand so etwas wie ein Kurssturz vor der Türe. Waren die Kurse unten, wo sich der Einstieg so richtig lohnte, was es umgekehrt. Also: Der extreme Optimismus der Anleger, wenn er denn einmal kippt, stellt das zweite Puzzleteil dar, das uns mit hoher Gewissheit den Start des nächsten Bärenmarktes signalisieren wird. Bis dahin bleibt es bei meiner alten Devise: Long bleiben und Stopps nachziehen!

Auf Seite 3: Der "Aufschwung" der Experten

Der "Aufschwung" der Experten

Eigentlich ist es fraglich, ob bei dieser Zwischenüberschrift nicht die Experten statt des Aufschwungs in Anführungsstriche gehört hätten. Denn die bullishen Kommentatoren vor allem zur Wall Street sollten sich vielleicht einfach einmal di beiden folgenden Charts ansehen.

Auch alter Bekannter. Der Baltic Dry-Frachtraten-Index, der die Kosten für den Übersee-Transport von Basisrohstoffen misst und damit in der Regel ein guter Frühindikator für die Weltwirtschaft ist. Seit November ist er um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Kolumbiens ausgesetzte Kohle-Exporte allein sind da irrelevant. Kolumbien ist nur der viertgrößte Kohle-Exporteuer der Welt. Und der Baltic Dry-Index beheimatet nun einmal sehr viele anderer Basisrohstoffe. Der aktuelle Einbruch hier ist sozusagen das klare Gegen-Fanal zu IWF, Weltbank, OECD und Bundesregierung. Gar so bullish sieht es vermutlich gar nicht aus.

Aber: Endlich sind ja die USA wieder als Konjunkturmotor am Start. Können Sie glauben, sollten Sie aber nicht Die US-Konjunktur hängt aber nun mal zu über 70 Prozent vom Konsum der Verbraucher ab. Und da geht es letztendlich einfach darum, was die Leute in der Tasche haben. Treiben die US-Bürger jetzt tatsächlich den nächsten Aufschwung an?

Quelle: www.marktdaten.de

Nach diesem Chart dürfte auch diese Frage befriedigend beantwortet sein: Immer weniger. Der "Aufschwung" ist nicht vorhanden - und die Kurse steigen weiter …

Jeder Börsianer, dem die Hausse noch nicht die letzten Gehirnzellen verbrannt hat, weiß, dass irgendwo und irgendwann wieder der Schalter nach unten umgelegt werden wird. Und wer nicht mehr so ganz feucht hinter den Ohren ist, der weiß auch, was das bedeutet.

Unter https://www.moneyversum.de finden Sie meine Antworten auf diese außergewöhnliche Börsenphase. Sie entscheiden, was Sie wollen.

Mit besten Grüßen

Axel Retz