So schnell kann aus einem erfolgreichen Börsengang ein Albtraum werden. Zwei Tage, nachdem der chinesische Fahrdienstanbieter Didi bei seinem New Yorker Börsengang 4,4 Milliarden Dollar einsammelte, ließ die chinesische Regierung wegen angeblicher Datenschutzbedenken die Didi-App aus allen chinesischen App-Plattformen entfernen und unterband damit die Akquise von Neukunden. Inzwischen verschwanden 25 weitere Didi-Apps aus den App Stores, die Aktie büßte zeitweise über 30 Prozent ihres Werts ein.
Chinesische Unternehmen, die mehr als eine Million Nutzerdaten verwalten, müssen ab sofort eine Sicherheitsüberprüfung durchlaufen, wenn sie im Ausland an die Börse wollen, bestimmte Peking. Diverse chinesische IPO-Kandidaten stampften in den vergangenen Tagen ihre Pläne für US-Börsengänge ein. Gerüchteweise soll Chinas Twitter-Pendant Weibo von der Börse genommen werden, die Tiktok-Mutter Bytedance hat laut "Wall Street Journal" ihre IPO-Ambitionen für die USA bereits im März auf Eis gelegt. Es geht der chinesischen Regierung um Kontrolle, über chinesische Daten und über die zum Teil sehr groß und mächtig gewordenen Techkonzerne.
Vorsichtiger Optimismus
Bei Anlegern haben die Ereignisse zu einem massiven Vertrauensverlust geführt. Der Hongkonger Hang-Seng-Tech-Index, in dem die meisten chinesischen Internetgiganten wie Tencent und Alibaba notieren, hat seit seinem Hoch im Februar über 20 Prozent verloren. "Diese regulatorischen Probleme bestanden im Hintergrund schon seit Langem", sagt Alastair Campbell, Asienspezialist beim globalen Vermögensverwalter Aegon Asset Management. "Aktuell ist das Umfeld schwierig, mittel- bis langfristig glaube ich aber, dass man mit dieser Gruppe chinesischer Internetaktien hohe Gewinne erzielen kann", erklärt der Experte.
Auch andere Investmentbanken geben sich eher optimistisch. "Infolge der deutlichen Underperformance chinesischer Techaktien gegenüber US-Aktien sind die Bewertungen des chinesischen Techsektors attraktiver geworden", heißt es zum Beispiel vom Researchteam von Generali Investments. "Gemessen am konventionellen Kurs-Gewinn-Verhältnis werden sie leicht unter dem Niveau der US-Tech-Aktien gehandelt (26 x versus 28 x). Wenn wir jedoch das langfristige Gewinnwachstum berücksichtigen, sieht der chinesische Technologiesektor noch attraktiver aus. Er hat ein viel niedrigeres Price-Earning-to-Growth-Ratio von 0,93 gegenüber 1,43 beim US-Techsektor", heißt es dort. Der Aufschlag der US-Techaktien liegt damit deutlich über dem historischen Durchschnitt.
Komplexes Konstrukt
Die Ereignisse um Didi haben die Aufmerksamkeit auch auf das rechtliche Konstrukt gelenkt, das chinesische Firmen üblicherweise für IPOs im Ausland nutzen. Die sogenannten VIEs (Variable Interest Entities) sind hochkomplizierte Gebilde, die Aktionären letzten Endes quasi keine rechtliche Handhabe gegen das Unternehmen lassen.
Marktbeobachter rechnen mit stärkerer Regulierung, aber eher nicht mit einem Verbot der VIEs. "Jedenfalls wird es die Unternehmen zukünftig wohl verstärkt an die Börsen in Hongkong und Shanghai ziehen", sagt Alastair Campbell. Dass es dadurch für die Firmen schwieriger wird, Geld einzuwerben, glaubt er nicht.
Kurzfristig könnte die Regulierungsoffensive die Gewinne der chinesischen Internetriesen schmälern. Häufig erhöhen sie Investitionen und Personaldecke, um sich gut mit der Regierung zu stellen. Insgesamt rechnen viele Beobachter mit stärkeren Kursschwankungen.
Auf Risikostreuung achten
Anleger, die nicht auf die Internet-Bluechips aus China verzichten wollen, tun gut daran, für eine breite Risikostreuung im Depot zu sorgen. Das kann Kursverluste im Fall von weiteren unliebsamen Überraschungen seitens der chinesischen Regierung dämpfen. ETF-Investoren sollte beispielsweise klar sein, dass allein Alibaba und Tencent rund 27 Prozent Gewicht im MSCI China haben. Eine Alternative für Anleger, die einen aktiv gemanagten China-Fonds bevorzugen, ist der Aberdeen Standard China A Share Equity.
Aberd. China A Share Equity: Das Fondsmanagement setzt auf eine relativ gleichmäßige Branchenverteilung. Unter den zehn größten Positionen, die knapp die Hälfte des Portfolios ausmachen, findet sich kein einziger Internettitel, dafür aber Konsum- und Industriewerte.