Deutsche Wohnen gilt schon seit längerem als Dax-Kandidat, hatte aber bei der letzten Index-Überprüfung im September wegen deutlicher Kursrückgänge in Folge von Debatten um Mietdeckel und Enteignungen in Berlin gegenüber dem Triebwerksbauer MTU Aero den Kürzeren gezogen.
Nun liefert sich Deutsche Wohnen mit dem Aromen-Hersteller Symrise und dem Biotech-Konzern Qiagen ein Wettrennen, beide schneiden aber nach Einschätzung von Experten beim Börsenumsatz schlechter ab. Die Deutsche Börse entscheidet am 4. Juni über die künftige Index-Zusammensetzung und es gilt als sehr wahrscheinlich, dass die Berliner dieses Mal zum Zuge kommen.
Nach einer Reihe von Übernahmen und Zukäufen ist Deutsche Wohnen mit 14 Milliarden Euro inzwischen fast so viel wert wie die Deutsche Bank. Ende 2008 kostete eine Aktie gerade einmal zwei Euro, mittlerweile müssen Anleger mehr als 40 Euro auf den Tisch legen. Ab Mitte 2019 hatten die Titel Federn lassen müssen, weil der Konzern von den Diskussionen um den Mietendeckel in Berlin besonders stark betroffen ist. Der mit Abstand größte Teil der Immobilien liegt in der Hauptstadt. Im Januar hatte das dortige Abgeordnetenhaus die Mieten für fünf Jahre eingefroren. Nur Neubauten seit 2014 und öffentlich geförderte Wohnungen sind davon ausgenommen.
POLITIKER WERFEN DEM UNTERNEHMEN SPEKULANTENTUM VOR
Kritik an der Deutsche Wohnen ist schon lange vor dem Mietendeckel laut geworden. Viele Politiker und Bürger halten das Unternehmen für einen reinen Spekulanten, der für steigende Mietpreise verantwortlich sei. Auf Hauptversammlungen gibt es immer wieder Proteste. Vorstandschef Michael Zahn hält dagegen, Deutsche Wohnen biete Immobilien in mittlerer Qualität an, die bezahlbar seien. Zudem seien Ausgaben für Sanierungen in den letzten Jahren deutlich gesteigert worden.
Insgesamt unterhält die Deutsche Wohnen, die ursprünglich die Wohnungsimmobilien der Deutschen Bank bündelte und daher zu Beginn vor allem im Rhein-Main-Gebiet und in Rheinland-Pfalz tätig war, 164.000 Wohn- und Gewerbeeinheiten mit einem Wert von 24 Milliarden Euro. Der Immobilienboom und die steigenden Mieteinnahmen ließen den Gewinn in den vergangenen Jahren stetig wachsen. 2019 kletterte das operative Ergebnis aus dem Vermietungsgeschäft (FFO), die für die Branche wichtigste Ertragskennzahl, um elf Prozent auf 538 Millionen Euro.
SPEKULATIONEN UM FUSION KOCHEN IMMER WIEDER HOCH
Spannend dürfte aus Investorensicht werden, ob der Dax-Aufstieg von Deutsche Wohnen die immer wiederkehrenden Spekulationen um eine Fusion mit Vonovia neu entfacht. Erst vor ein paar Wochen hatte Vonovia gesagt, ein neuer Vorstoß in diese Richtung gebe es nur, wenn die Berliner Politik dies mittrage. Doch in der Wohnungswirtschaft zählt Größe und die Bestände der beiden Konzerne würden sich gut ergänzen.
Einen ersten Versuch zur Übernahme hatte Vonovia vor vier Jahren aufgegeben, nachdem sich der Vorstand und die Aktionäre von Deutsche Wohnen gewehrt hatten. Vonovia-Chef Rolf Buch und Deutsche-Wohnen-Boss Zahn hatten sich monatelang mit harten Bandagen bekämpft. Investoren ging es damals auch um eine Grundsatzentscheidung: Einige favorisierten den Zusammenschluss zu einem Branchenriesen im Dax. Andere wollten dagegen weiter die Wahl haben zwischen zwei börsennotierten Wohnungskonzernen mit unterschiedlichen Investitionsschwerpunkten.
rtr