Was haben sich die Börsianer doch gefürchtet im ersten Halbjahr 2016. Um den Euro, vor dem Brexit, den US-Wahlen, Zinserhöhungen und China. So erwischten die globalen Aktienmärkte den schwächsten Jahresbeginn aller Zeiten.
Von den anfänglichen Minuszeichen ist zum Jahresende nichts mehr zu sehen. DAX, Euro Stoxx 50 und Nikkei 225 notieren allesamt im Plus. Spitzenreiter ist die Wall Street, die 2016 abgekoppelt vom Rest der Welt nach oben eilte. Knapp elf Prozent gewann der S & P 500.
Was war passiert? Eigentlich genau das, was befürchtet worden war. Der Brexit wurde wahr, die US-Wahlen endeten überraschend mit Donald Trump als Sieger, die US-Notenbank Fed zog die Zügel an, und mit dem verlorenen Italien-Referendum von Matteo Renzi steht die Zukunft des Euro wieder auf zittrigeren Beinen. Die Märkte aber wischten schlagartig alle Bedenken beiseite.
Was die weiteren Aussichten betrifft, gilt zwar der alte Spruch "Nichts Genaues weiß man nicht". Doch eines dürfte feststehen: So einfach wie in den letzten Wochen des Jahres 2016 wird es für die Aktienmärkte im kommenden Jahr nicht werden. Zu viele wichtige Termine stehen im Kalender. Wegen der anstehenden Wahlen in Europa, der Unwägbarkeiten der Regierung Trump sowie dem Beginn der Brexit-Verhandlungen könnten die Märkte eine politische Risikoprämie erheben.
Auf Seite 2: Bilanz 2016: Kein leichtes Jahr
Bilanz 2016: Kein leichtes Jahr
2016 ging es turbulent zur Sache. Vom Rohrkrepierer Easyjet bis hin zum Volltreffer SinnerSchrader war alles dabei. Zusammengenommen erzielten die Empfehlungen aus dem Heft vor einem Jahr eine Durchschnittsrendite von 5,1 Prozent.
Auf Seite 3: Der Blick nach vorn
Der Blick nach vorn
Das erste große Ereignis im neuen Jahr wird am 20. Januar der Einzug Trumps ins Weiße Haus sein. Die Hoffnungen sind groß, will er doch der US-Wirtschaft einen kräftigen Schub verleihen. Die Fed hat bereits reagiert und nach dem erwarteten Zinsschritt im Dezember drei weitere für 2017 signalisiert, sollte die Konjunktur stark anziehen und damit die Inflation anheizen. "Wir glauben, dass die US-Leitzinsen in den kommenden 18 Monaten um ein Prozent steigen können, sofern die Fed überzeugt ist, dass Donald Trump sein umstrittenes Fünf-Billionen-Stimulusprogramm durchsetzen kann", sagt Fondsmanager Stephen Jones von Kames Capital. Für den Portfolio-Experten Christoph Bruns von Loys ist der Erfolg des neuen US-Präsidenten aber noch keine beschlossene Sache: "Trump ist als politisch völlig unerfahrener Außenseiter ein Unsicherheitsfaktor, der weltweit für mehr Volatilität an den Märkten sorgen dürfte."
Zu Schwankungen könnte es auch aufgrund der unterschiedlichen Strategien der Währungshüter kommen. "Die zunehmende Divergenz der Notenbankpolitiken dürfte für Spannung sorgen. Während die Fed die monetären Zügel moderat anzieht, zeigen die Lockerungsmaßnahmen in Europa und Japan nur noch begrenzt Wirkung", erläutert Witold Bahrke von der Fondsgesellschaft Nordea. Interessant wird es vor allem in Fernost. Dort hat die Bank of Japan mit der Steuerung der Zinsstrukturkurve ein ganz neues Geldexperiment gestartet.
Allerdings werden nicht allein Notenbanker und Politiker auf die weltweiten wirtschaftlichen Herausforderungen einwirken, sondern auch die Wähler. "Diese neigen immer häufiger zu radikalen Lösungen", bringt es UBS-Investmentbanker Mark Haefele auf den Punkt. So dürften die anstehenden Wahlen in Holland, Frankreich, Deutschland und möglicherweise Italien im Vorfeld die Nervosität an den Märkten spürbar erhöhen, schließlich steht nichts weniger als die EU auf dem Spiel. "Sollte Italien einen Austritt aus der Eurozone erwägen, würde dies das Wirtschafts- und Finanzsystem der Eurozone nachhaltig erschüttern und wahrscheinlich eine schwere Rezession sowie eine große politische Krise in Europa hervorrufen", beschreibt Robeco-Experte Lukas Daalder das Worst-Case-Szenario.
Auf Seite 4: Die Wirtschaft stützt
Die Wirtschaft stützt
Auf der anderen Seite lenken die vielen politischen Unsicherheiten von den positiven globalen Wirtschaftsaussichten ab. "Durch die Erholung im verarbeitenden Sektor sowie ermutigende Trends in mehreren Schwellenländern ergeben sich ausgewogenere globale Wachstumsaussichten", sagt Hartwig Kos von SYZ Asset Management.
Diese positiven Faktoren haben seiner Ansicht nach Rezessions- und Deflationsängste zerstreut, während die Wahrscheinlichkeit von finanzpolitischen Stützen "made by Trump" den Optimismus der Anleger nähren.
Auch in Europa stehen die Zeichen auf Wachstum, wenngleich nicht so dynamisch wie in Übersee. "Die Eurozone ist konjunkturell zurzeit gut aufgestellt", sagt Investmentprofi Christian Heger von HSBC. So hat sich die Lage in Frankreich zuletzt aufgehellt, Spanien soll 2017 um 2,5 Prozent wachsen und die größte Volkswirtschaft der Währungsgemeinschaft, Deutschland, um rund 1,4 Prozent zulegen. Frühindikatoren wie der Ifo-Index oder die Einkaufsmanagerindizes zeigen bereits an, dass die deutsche Wirtschaft 2017 solide wachsen dürfte.
Aber nicht nur in hiesigen Gefilden ist Expansion angesagt, rund um den Globus zieht die Konjunktur an. Für 2017 erwartet der Internationale Währungsfonds ein BIP-Wachstum von 3,4 Prozent und damit etwas mehr als für 2016. "Die Weltwirtschaft ist auf dem besten Weg, das stärkste Wachstum seit fünf Jahren zu erzielen", stellt M. M.-Warburg-Ökonom Carsten Klude fest. Folglich haben sich seiner Ansicht nach die fundamentalen Rahmenbedingungen für Aktien in den vergangenen Monaten wieder deutlich verbessert. "Vor allem deutsche Aktien verfügen über Aufholpotenzial", so Klude. In das gleiche Horn bläst HSBC-Experte Heger: "Für Anleger dürften sich 2017 Aktien deutlich interessanter entwickeln als Anleihen."
Auf Seite 5: Ausblick 2017 - Was die Banken erwarten und politische Termine
Ausblick 2017
Termine: Politische Gefahren
15.03.2017: Wahlen Niederlande
Eine gewisse EU-Skepsis ist in den Niederlanden zu spüren, sogar ein "Nexit" steht im Raum. Nach den jüngsten Umfragen liegt die rechtspopulistische Partij voor de Vrijheid des Europakritikers Geert Wilders vorn.
23.04.2017: Wahlen Frankreich
Die regierenden Sozialisten haben Befragungen zufolge kaum Chancen bei der Wahl. Es wird mit einer Stichwahl zwischen dem Kandidaten der Konservativen, François Fillon, und Marine Le Pen vom Front National gerechnet.
Herbst 2017: Wahlen Deutschland
59 Prozent der Deutschen finden es gut, dass Angela Merkel (CDU) erneut Kanzlerin werden will. Die SPD schickt möglicherweise Martin Schulz ins Rennen. Entscheidend wird aber sein, wie viele Stimmen die AfD bekommt.
2017: Wahlen Italien?
Die Protestpartei Cinque Stelle spricht sich derzeit für Neuwahlen aus. Experten gehen aber frühestens im Herbst 2017 von einem Urnengang aus. Reguläre Wahlen wären erst wieder 2018.
Auf Seite 6: Interview mit Zyklenforscher Wilfried Kölz
Interview: "DAX-Einbruch zur Jahresmitte!"
Zyklenforscher Wilfried Kölz erwartet ein eher schwaches Aktienjahr 2017, sieht eine positive Sondersituation bei Eon, weiter nach oben kletternde Ölpreise und vor allem signifikant steigende Zinsen
Ob bei Gold, Öl, DAX oder Euro: Von der Tendenz her stimmten alle Prognosen, die Wilfried Kölz beim Interview vor einem Jahr präsentierte. BÖRSE ONLINE fragte erneut nach.
BÖRSE ONLINE: Bei Gold sind wir nach der Korrektur dem 2015er-Tief schon wieder näher als dem 2016er-Hoch. In welchem zyklischen Stadium befindet sich das Edelmetall?
Wilfried Kölz: Nach einem Gold-Tief Anfang Januar kommt ein kräftiger Anstieg. Im Idealfall sollte dabei ein Preis über 1375 Dollar erreicht werden. Danach geht es für viele Monate abwärts. Ein Rückgang unter 1046 Dollar ist dabei möglich.
Also sind wir noch immer inmitten einer langfristigen Gold-Baisse. Wann dürfte diese ungefähr enden?
Seit meinem ersten Auftritt bei der Edelmetallmesse in München im Jahr 2013 hatte ich immer wieder darauf hingewiesen, dass Gold bis 2016 fällt. Weil es sich hier um einen sehr langen Zyklus handelt, plus/minus ein Jahr. Entweder hatten wir 2015 bei 1046 Dollar das Abschlusstief oder es kommt erst 2017.
Der Euro fiel wieder wie von Ihnen prognostiziert unter die Marke von 1,0523 US-Dollar. Geht es 2017 zur Parität?
Es wird zwar nochmals eine Gegenbewegung einsetzen. Aber danach geht es deutlich abwärts. Ein Euro wird dann weniger wert sein als ein Dollar.
Wann rechnen Sie mit dem Ende der Euro-Baisse?
Frühestens gegen Mitte 2017.
Beim Erdöl ging es dieses Jahr wie prognostiziert wieder nach oben. Zum Verdoppler hat es bei WTI aber noch nicht ganz gereicht. Setzt sich die Hausse in den nächsten Monaten also weiter fort?
Es gibt ein Öl-Tief im Januar und eines im März. Wenn dabei das November-Tief unterboten wird, also 42 Dollar bei WTI, liegt ein klarer Abwärtstrend vor. Doch wenn die Marke hält, ist beim nachfolgenden Anstieg im Extremfall ein Barrelpreis in der Gegend um 80 Dollar im zweiten Halbjahr möglich.
Beim DAX prognostizierten Sie ein 2016er-Tief unter 9300 oder sogar 8000 Punkten. 8700 Zähler wurden es. Es sollte sich eine längere Aufwärtsbewegung anschließen, in der wir jetzt sind. Wie lautet Ihre weitere Prognose?
Der Anstieg wird sich noch bis ins erste Quartal 2017 fortsetzen. Gegen Jahresmitte gibt es dann ein wichtiges Tief. Ob es sich dabei schon um das Jahrestief handelt, lässt sich zyklisch aber nicht mit ausreichender Sicherheit sagen.
Also wird 2017 ein eher schlechtes Jahr für Aktien werden?
Davon gehe ich aus. Doch bei Eon könnte eine Sondersituation entstehen. Die Aktie hat ihr langjähriges Kursziel um 6,10 Euro erreicht. Also müsste es aufwärtsgehen.
Können Sie Kursziele für den DAX nennen?
Mein Fachgebiet sind Börsenzyklen, also die Zeitpunkte zukünftiger Hochs und Tiefs. Kursziele sind unter Vorbehalt zu verstehen. Falls das nächste Hoch unter 12 391 liegt wird der DAX 2017 oder 2018 unter 8700 fallen.
Wie sieht es denn bei den Zinsen aus. Ist der jüngste Anstieg bereits der Beginn der nachhaltigen Wende nach oben?
Seit 2008 fallen die Zinsen in einem Trendkanal wie aus dem Lehrbuch. Vor dem Ausbruch nach oben würde noch ein Rücksetzer in Richtung null passen. Aber dann werden die Zinsen nachhaltig steigen. 2017 vielleicht "nur" auf 2,0 bis 2,5 Prozent.
In Teil zwei der Serie stellen wir Ihnen unsere Top-Investments für 2017 für Deutschland und Europa vor, in Teil drei die Aussichten für die USA und Schwellenländer vor.