Vor dem Jahreswechsel wagt die Finanzindustrie traditionell den kollektiven Blick in die Glaskugel. Bereits ab Ende November präsentieren Banken, Researchhäuser und Fondsgesellschaften ihre Ausblicke. Illustriert mit unzähligen Grafiken, Statistiken und digitalem Bonusmaterial skizzieren die Experten darin ausführlich die Kapitalmarktperspektiven für das kommende Jahr. Beim Studium der unterschiedlichen Publikationen hebt sich rasch eine zentrale Botschaft hervor: Die Finanzbranche geht optimistisch in das neue Jahr. Das gilt vor allem für die Anlageklasse Aktien.

Behalten die Profis recht, würde die imposante Rally in die Verlängerung gehen. Egal ob New York, Tokio, London oder Frankfurt: Rund um den Globus zeigen die Aktienkurse und Indizes seit Jahren nach oben. Selbst der mit mehr als 1600 Unternehmen aus 23 entwickelten Märkten bestückte MSCI World notiert knapp ein Fünftel über dem 2016er-Schlusskurs. Damit braucht die "Weltauswahl" den Vergleich mit den wichtigsten Ländern nicht zu scheuen. Hier zeichnet sich auf der Zielgeraden des Jahres ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab: Der US-Leitindex S & P 500 liegt momentan vor Japans Nikkei 225. Europas Bluechips können nicht ganz Schritt halten: Während der DAX mit einem Plus von rund 13 Prozent auf Silvester zusteuert, steht für den Euro Stoxx 50 eine Performance von acht Prozent zu Buche (siehe Grafik).



Die Rally schreckt Analysten nicht ab, weiter auf diese Anlageklasse zu setzen. "Wir bleiben bei Aktien übergewichtet", sagt Christian Heger, Chief Investment Officer bei HSBC Global Asset Management in Deutschland. Eine Überbewertung oder gar Blase ist seiner Einschätzung nach noch nicht zu erkennen. Heger nennt das tragende Argument für den Aktienschwerpunkt: "Die Weltwirtschaft wächst so stark wie seit der Finanzkrise nicht mehr - mit Ausnahme von 2010." Damals basierte die Steigerungsrate jedoch auf einem sehr schwachen Vorjahreswert. In der Tat läuft der globale Konjunkturmotor auf Hochtouren. Als Exportweltmeister nimmt Deutschland den internationalen Schwung voll mit. Gerade hat das Münchner Ifo-Institut die Wachstumsprognose für 2018 erhöht. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) soll im kommenden Jahr um 2,6 Prozent anstelle der bisher erwarteten zwei Prozent zulegen. "Die deutsche Wirtschaft brummt", kommentiert Ifo-Präsident Clemens Fuest den Ausblick. Behält sein Institut recht, würde die Konjunktur in Deutschland 2018 das neunte Jahr in Folge wachsen. Wegen der positiven makroökonomischen Aussichten für den alten Kontinent überrascht es nicht, dass die Banken ihre Kursziele für DAX und Euro Stoxx besonders hoch ansetzen (siehe Prognosen).



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Politik mischt weiter mit



Ulrich Kaffarnik, Vorstandsmitglied beim Fondshaus DJE Kapital, nennt im Interview (siehe Seite 3) die wachsenden Unternehmensgewinne als weiteren Grund für die Übergewichtung von Aktien. Außerdem verweist er auf die politische Stabilität in der Eurozone. Diesbezüglich sah es vor einem Jahr noch ganz anders aus. Die Wahlen in den Niederlanden und Frankreich hingen wie eine Art Damoklesschwert über den Börsen. Doch es kam nicht zu dem befürchteten starken Rechtsruck. Und auch die schleppende Regierungsbildung in Deutschland lässt die Investoren bis dato relativ kalt. Gleichwohl könnte die Politik den Bullen im neuen Jahr einen Strich durch die Rechnung machen. "Ich sehe eine gewisse Gefahr darin, dass potenzielle Risiken wie die Nordkorea-Krise oder der Streit um die Ukraine an der Börse mehr oder weniger ignoriert werden", warnt Kaffarnik.

Als weiteres wichtiges Thema für 2018 nennt er die Inflation. "Das gilt vor allem für die US-Konsumentenpreise", sagt der DJE-Anlageprofi. Sollte in den Staaten steigender Lohndruck die Teuerung anheizen, dürfte die Notenbank ihren Straffungskurs forcieren. "In diesem Fall könnte der Rentenmarkt wieder zu einer echten Alternative werden - mit negativen Folgen für die Anlageklasse Aktien", meint Kaffarnik. Noch halten sich die Währungshüter zurück. Obwohl in der weltgrößten Volkswirtschaft de facto Vollbeschäftigung herrscht, hat die Federal Reserve ihren Leitsatz 2017 nur in drei kleinen Schritten auf die aktuelle Spanne von 1,25 bis 1,5 Prozent erhöht.

Derweil hält die Europäische Zentralbank an ihrer Nullzinspolitik fest. EZB-Präsident Mario Draghi verweist auf die Inflation. Selbst für 2020 erwartet der Italiener auf dem Gebiet der Währungsunion eine Teuerung von gerade einmal 1,7 Prozent. Damit würde die wichtige Kennzahl immer noch unter dem EZB-Ziel von knapp zwei Prozent liegen. "Ein großes Ausmaß an geldpolitischer Hilfe ist daher weiterhin notwendig", sagte Draghi nach der letzten Notenbanksitzung des Jahres. Im Klartext: An den Rentenmärkten stoßen Anleger weiterhin auf Magerkost - ein weiteres Argument für Aktien.

Top-Aktien aus aller Welt



Allerdings kommt es angesichts des erreichten Kursniveaus mehr denn je auf die richtige Titelauswahl an. BÖRSE ONLINE hat sich daher auf die Suche nach den aussichtsreichsten Investments für 2018 gemacht. Getrennt nach Regionen stellen wir Ihnen unsere Top Picks auf den nachfolgenden Seiten vor. Die Bilanz für das vergangene Jahr kann sich übrigens durchaus sehen lesen, wie der Rückblick auf die Schlussausgabe 2017 zeigt. Bleibt zu hoffen, dass sich der konzentrierte Blick in die Glaskugel auch dieses Mal lohnt.

Bilanz 2017: Erfolgreiches Jahr



Unsere Empfehlungen für das Jahr 2017 trafen fast durchweg ins Schwarze. Lediglich vier der insgesamt 28 empfohlenen Aktien mussten Federn lassen. Im Durchschnitt errechnet sich ein Plus von 28,5 Prozent. Positiv entwickelten sich auch die Fonds in den vergangenen zwölf Monaten mit einem Zuwachs von 9,1 Prozent im Mittel. Alle Empfehlungen zusammengenommen warfen einen ansehnlichen Gewinn von 25,1 Prozent ab.







Wichtige Termine: Der Ball rollt



20. - 21. März: Fed-Sitzung
Anfang Februar übernimmt Jerome Powell aller Voraussicht nach den Posten als neuer Chef der US-Notenbank. Am 21. März würde der Politologe und Jurist erstmals am Ende einer Sitzung des Offenmarktausschusses vor die Presse treten. Dann dürfte sich zeigen, ob Powell den moderaten Straffungskurs seiner Vorgängerin Janet Yellen fortsetzt.

März: Wahlen in Italien
Beobachter rechnen damit, dass Präsident Sergio Mattarella Ende Dezember das Parlament auflöst und damit den Weg für Neuwahlen frei macht. Im März könnte der Urnengang stattfinden. Dabei droht der sozialdemokratischen PD, welche die aktuelle Regierungskoalition anführt, eine bittere Niederlage. Umfragen sehen das Mitte-Rechts-Bündnis des 81-jährigen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi vorn. Auf dem zweiten Platz folge die eurokritische Fünf-Sterne-Bewegung.

14. Juni - 15. Juli: Fußball-WM
Bei der Weltmeisterschaft in Russland versucht die deutsche Nationalmannschaft, ihren Titel zu verteidigen. Gleichzeitig hofft die Sportartikelbranche, allen voran Fußball-Krösus Adidas, auf florierende Geschäfte.

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Interview: "Vorerst präferieren wir zyklische Aktien"



Börse Online: Was war Ihrer Ansicht nach die größte Überraschung im zu Ende gehenden Börsenjahr 2017?


Ulrich Kaffarnik: Mit Sicherheit der starke Euro und der gleichzeitig schwache Dollar. Vor allem in der Breite kam diese Entwicklung für viele Investoren überraschend. Das heißt, während der Euro in Relation zu praktisch allen anderen Währungen zulegen konnte, gab der Greenback auf breiter Front nach. Dieser Verlauf hatte in diesem Jahr eine immense Auswirkung auf die Anlageperformance.

Wie sind die Fonds von DJE Kapital damit zurechtgekommen?


Wir liegen zwar nicht immer richtig, haben diese Entwicklung aber dank unserer FMM-Methode im Vorfeld sehr gut absehen können. Deshalb wurden die Portfolios frühzeitig mit einer Absicherung im Dollar ausgestattet. Diese bewusste Entscheidung hat einen starken Anteil daran, dass unsere Fonds 2017 ganz oben stehen.

Wie wird es an der Währungsfront im neuen Jahr weitergehen?


Mittlerweile sind die meisten Investoren neutral positioniert. Insofern ist eine erneute Überraschung unwahrscheinlich. Für den Dollar spricht die Zinsdifferenz. Vor allem im kurzfristigen Bereich wirft der US-Treasury deutlich mehr ab als europäische Staatsanleihen. Da allerdings auch die Eurozone weiterhin stark wachsen dürfte und die politischen Risiken auf dem alten Kontinent abgenommen haben, erwarten wir eine Seitwärtsentwicklung beim Euro-Dollar-Kurs.

Welche Auswirkungen hat dieses Szenario auf ihre Asset-Allokation?


Der Einfluss ist enorm, da die geografische Gewichtung im Aktienbereich stark von den Wechselkursen abhängt. Gerade was Europa und die USA betrifft, wird daher auch im neuen Jahr ein hohes Maß an Flexibilität gefordert sein.

Welche Themen beschäftigen Sie mit Blick auf das kommende Jahr noch?


In unseren Szenarien spielt die Inflation eine übergeordnete Rolle. Das gilt vor allem für die US-Konsumentenpreise. In den Staaten herrscht de facto Vollbeschäftigung, gleichzeitig ist die Konjunktur dynamisch unterwegs. Und doch sind die Löhne im Vergleich zu früheren Konjunkturzyklen noch vergleichsweise niedrig. Angenommen, an dieser Stelle steigt der Druck und die Inflation zieht an: Dann würde die Wahrscheinlichkeit zunehmen, dass die US-Notenbank die Zinsen stärker erhöht. In diesem Fall könnte der Rentenmarkt wieder zu einer echten Alternative werden - mit negativen Folgen für die Anlageklasse Aktien. Das ist nicht unser zentrales Szenario, aber wir werden uns 2018 laufend mit dieser wichtigen Frage beschäftigen.

Heißt das, Sie halten an der Übergewichtung von Aktien fest?


Zunächst auf alle Fälle. Neben der starken Konjunktur sprechen die steigenden Unternehmensgewinne sowie die politische Stabilität in der Eurozone für diese Anlageklasse. Zumal wir nicht damit rechnen, dass die Zinsen dramatisch steigen. Der Schwerpunkt unseres Aktienportfolios liegt auf der Eurozone und Japan.

Welchen Sektoren geben Sie in Ihren Portfolios momentan den Vorzug?


Vorerst präferieren wir zyklische Aktien. Dazu zählen klassische Industrietitel genauso wie Maschinenbauer oder Unternehmen aus der Chemiebranche. Allerdings sehen wir uns zusehends auch die defensiveren Wirtschaftszweige an. Hier könnten im Falle einer Sektorrotation vor allem die Bereiche Pharma und gegebenenfalls Telekommunikation interessant werden.

Was müsste passieren, damit der Risikoappetit der Anleger schwindet?


In gewisser Weise könnte die Politik - wie eigentlich schon für das Jahr 2017 erwartet - den Bullen einen Strich durch die Rechnung machen. Ich sehe eine gewisse Gefahr darin, dass potenzielle Risiken wie beispielsweise die Nordkorea-Krise oder der Streit um die Ukraine derzeit an der Börse mehr oder weniger ignoriert werden. Was natürlich auch an der starken Konjunktur liegt. Sollte sich das Wachstum abschwächen, könnten diese Themen schnell auf das Tableau kommen. Vor diesem Hintergrund gehen wir zwar mit einer absolut positiven Grundhaltung in das neue Jahr, bleiben aber sehr wachsam.

Ulrich Kaffarnik arbeitet seit mehr als einem Jahrzehnt für DJE Kapital und leitet dort als Vorstandsmitglied das Fondsmanagement.

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Das erwarten die Profis 2018



BÖRSE ONLINE hat die Marktexperten befragt, was sie für das neue Jahr an den Kapitalmärkten erwarten und wo sie die größten Chancen und Risiken sehen.

Robert Halver, Baader Bank


Von der weltwirtschaftlichen Stabilisierung erhalten zyklische Aktien global Auftrieb. Ihre eindeutige Relative Stärke gegenüber Defensivaktien setzt sich fort. Allerdings trennt sich die Spreu vom Weizen. Der bislang allgemeine positive Trend bei Industrieaktien wird ungleich stärker nach technologischer Innovationskraft gefiltert. In diese Richtung geht auch die zunehmende Übernahmefantasie zum Erwerb fehlenden Know-hows.

Jörg Krämer, Commerzbank


Unser Jahresendziel 2018 für den DAX sind 14 000 Punkte. Der Anstieg kommt nicht mehr aus einem höheren Kurs-Gewinn-Verhältnis. Vielmehr resultiert er davon, dass die im DAX notierten Unternehmen ihre Gewinne 2018 um sechs Prozent anheben und mehr Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten sollten. Für den S & P 500 erwarten wir per Ende nächsten Jahres 2650 Punkte.

Henning Gebhardt, Berenberg Bank


Von den entwickelten Märkten präferieren wir Euroland. Die Entwicklung von Großbritannien dürfte gerade im Fall eines "Hard Brexit" zurückbleiben. Auch die Gewinnentwicklung Japans dürfte die der USA übersteigen. Wir erwarten, dass sich Schwellenländeraktien auch 2018 stark entwickeln werden. Hierbei sind die Frontier-Märkte interessant. Russland könnte ein Überraschungskandidat werden."

Max Otte, Ökonom und Börsenguru


Die Börsen bleiben auch 2018 im Prinzip im Rallymodus. Die Nullzinsen sorgen für Anlagedruck. Bei zunehmend überhitzten Immobilienmärkten sind Aktien eine attraktive Alternative. Einige Märkte sind leicht überteuert, wie zum Beispiel die USA, aber bei vielen anderen ist noch Luft. Ich habe schon im Juni 2015 (!) gesagt, dass 15 000 Punkte beim DAX drin sind. Ende 2018 ist ein guter Zeitpunkt dafür.

Philipp Vorndran, Flossbach von Storch


Grundsätzlich gilt für Anleger 2018: breit streuen. Erstklassige Aktien, dazu Anleihen, Gold und Kasse. Bei Anleihen opportunistisch vorgehen, das heißt auf Anlagegelegenheiten warten und dann nutzen. Auch im Niedrigzinsumfeld finden sich immer wieder attraktive Titel. Gold als Versicherung gegen die Risiken des Finanzsystems. Und Kasse, um flexibel zu bleiben und Gelegenheiten wahrnehmen zu können.

Carsten Klude, M.M. Warburg


Die Kurse deutscher Aktien sind in den vergangenen Jahren kräftig gestiegen. Da die deutsche Wirtschaft 2018 erneut stark wachsen wird und die Weltwirtschaft mitspielt, sollte sich die Erfolgsserie fortsetzen. Der DAX ist dennoch sowohl gegenüber der eigenen Historie als auch gegenüber anderen Indizes noch nicht hoch bewertet. Das KGV auf Basis der Gewinnerwartungen für die kommenden zwölf Monate beträgt 13,5, der langjährige Durchschnitt liegt dagegen bei 15.