Ernst schaute Michael Bloomberg in die Gesichter der überwiegend dunkelhäutigen Kirchgänger im Christian Cultural Center in Brooklyn: "Ich hatte Unrecht, und ich möchte mich entschuldigen", erklärte er. Afroamerikaner und Latinos hatten während seiner Zeit als Bürgermeister von New York überproportional unter seinen Polizeimaßnahmen gelitten. Die späte Entschuldigung soll ihn in dieser wichtigen demokratischen Gruppe wählbar machen.
Der ehemalige Bürgermeister, Medientycoon und Milliardär Michael Bloomberg ist die Hoffnung vieler Wall-Street-Akteure. Der Demokrat ist bekannt für seine pragmatische und wirtschaftsfreundliche Politik. Würde er zum Präsidenten gewählt, könnte die amerikanische Politik und damit auch die US-Wirtschaft in ein ruhigeres, kalkulierbares Fahrwasser zurückfinden.
Knapp ein Jahr vor der US-Präsidentschaftswahl herrscht unter Geldanlegern große Verunsicherung über die politische Zukunft Amerikas. Laut einer Befragung der Vermögensverwaltung UBS Global Wealth Management unter 3400 Personen weltweit hat bereits ein Großteil der reichen Investoren ein Viertel des eigenen Vermögens oder mehr in Bargeld umgeschichtet - und 60 Prozent wollen den Cashanteil weiter ausbauen. Sie erwarten im Wahljahr 2020 stürmische Zeiten an der Wall Street. Doch es gibt Wege, das Portfolio an die politischen Turbulenzen der Leitbörse USA anzupassen.
Unsicherheit vor der Wahl
Lange galt es an der Börse als einerlei, ob der Präsident ein Demokrat oder ein Republikaner war, denn die Politik war ohnehin auf die Mitte ausgerichtet. Diese Zeiten sind vorbei. Neu ist auch, dass Wirtschaft und Börse eine mögliche zweite Amtsperiode des amtierenden Präsidenten mit Sorge betrachten. Wird der Republikaner Donald Trump wiedergewählt, bleibt die Unsicherheit rund um Protektionismus, Handelskrieg und Strafzölle. Trotz Trumps anfänglicher großzügiger Steuergeschenke sind viele Wirtschaftsbosse ihm gegenüber inzwischen kritisch eingestellt. Seine Unberechenbarkeit bedeutet Planungsunsicherheit und bremst die Wirtschaft. Trotzdem sind Geldanleger mit Trump bislang gut gefahren.
Seit seiner Wahl im November 2016 hat der S & P 500 um über 40 Prozent zugelegt. Würde sich statt Trump ein demokratischer Kandidat wie Elizabeth Warren durchsetzen, wäre das für Anleger nicht unbedingt besser. Milliardär und Hedgefondsmanager Paul Tudor warnt, die Wahl von Warren ließe die Börse sofort um 25 Prozent abstürzen, die Hälfte aller amerikanischen Firmen wären von ihrer Agenda unmittelbar betroffen. Tudor fürchtet gar, in den USA bräche der Sozialismus aus: mit drastisch höheren Steuern für Reiche, radikalen Gesetzen wie der Einführung einer öffentlichen Krankenversicherung, einem Verbot des Fracking und einer Aufspaltung von Techkonzernen wie Facebook oder Alphabet.
"In 30 Jahren habe ich nie größere Unsicherheit bezüglich des Ausgangs einer Wahl erlebt", sagt Hedgefondsmanager Lloyd Khaner. Laut Wahlbörse der Eurasia Group hat derzeit Elizabeth Warren mit 55 Prozent die größte Chance, von den Demokraten als Kandidatin nominiert zu werden. Der gemäßigte Demokrat Joe Biden gilt durch Trumps Angriffe bereits als abgeschlagen. Sollte das Amtsenthebungsverfahren gegen den amtierenden Präsidenten Trump erfolgreich sein, wäre sogar unklar, wen die Republikaner statt seiner nominieren würden. Wahrscheinlich der aktuelle Vize, Mike Pence.
Die richtige Anlagestrategie
Trotz des politischen Hickhacks sollten sich Anleger nicht vom Wesentlichen ablenken lassen. Es wäre zum Beispiel unklug, sich wegen eines möglichen Wahlsiegs Elizabeth Warrens von Aktien aus dem Gesundheits-, Energie- oder Technologiesektor zu trennen, zumal unklar ist, wie viel von ihrer Agenda sie bei einem Wahlsieg durchsetzen könnte. Sinnvoller ist es, sich auf Trends zu konzentrieren. Eine Handvoll Gesetze stehen kurz vor Inkrafttreten und sind wenig kontrovers. Wer auf die richtigen Unternehmen setzt, gewinnt unabhängig vom Wahlausgang.
Trump machte Investitionen in die Infrastruktur zum Mittelpunkt seiner Wahlkampagne vor vier Jahren - setzte aber nichts um. Die Bundesstaaten dagegen geben aktuell 80 Milliarden Dollar mehr für Brücken, Straßen und Klärwerke aus. Unternehmen wie der Straßen- und Brückenbauer Construction Partners oder der Wasseraufbereitungsexperte Evoqua Water Technologies feiern aktuell gute Zeiten mit zweistelligen Wachstumsraten. Sowohl Elizabeth Warren als auch der parteilose Bernie Sanders propagiert einen Frackingbann. Diese Branche hat von gelockerten Umweltstandards der Trump-Regierung stark profitiert.
Für weniger Schlagzeilen sorgten die Trump-Direktiven, die den Absatz von Ethanol fördern. Unwahrscheinlich, dass ein künftiger demokratischer Präsident hieran rütteln wird. Profiteure sind Rex American Resources und Renewable Energy Group, die im Ethanol- und Biodieselgeschäft tätig sind. Renewable Energy schafft im nächsten Jahr die Kehrtwende. Analystenschätzungen gehen von einem Gewinn je Aktie von knapp zwei Dollar aus, was einem niedrigen Kurs-Gewinn-Verhältnis von 9,5 entspricht. Voraussetzung: Der US-Kongress verlängert die seit Ende 2017 ausgesetzte Steuererleichterung für Biodiesel. Ein entsprechender Gesetzesvorschlag liegt vor und wird von republikanischen und demokratischen Abgeordneten unterstützt.
Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten entschied im vergangenen Jahr, dass Sportwetten auf bundesstaatlicher Ebene erlaubt sind, und mehr als ein Dutzend US-Staaten haben Sportwetten bereits legalisiert. Casinobetreiber, denen diese neue Wettart in die Karten spielt, sind Twin River Worldwide Holdings und Boyd Gaming. Wetten auf den Ausgang von Superbowl-Spielen, aber auch internationale Fußballmatches erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Twin River mit Sitz in Rhode Island ist von seinem Höchstständen nach dem Börsengang im April um fast die Hälfte eingebrochen, nachdem Konkurrent Wynn mit einem neuen Casino Kunden abgeworben hatte. Den Kurseinbruch halten viele Analysten für überzogen und erwarten, dass das Geschäft im Winter überproportional anzieht. Boyd Gaming ist gar ein Liebling diverser Hedgefondsmanager wie Mario Gabelli.
Auch wenn Trump die USA aus dem Pariser Klimaabkommen verabschiedet hat, müssen sich amerikanische Unternehmen an globale Vorschriften halten. So treten 2020 die neuen UN-Regeln für einen sauberen Schiffsdiesel namens IMO 2020 in Kraft.
Schon jetzt steigen Aktien wie Scorpio Tankers. Der französische Konzern ist an der US-Börse gelistet und betreibt 124 Öltanker, die mit einem durchschnittlichen Alter von nur 3,7 Jahren bestens auf die neue Richtlinie vorbereitet sind. Andere müssen ihre Schiffe erst umbauen - damit fallen die Tanker für einige Zeit aus, was das Angebot verkleinert und die Transportpreise für Tanker anhebt. Der Trend wurde verschärft durch den Handelsstreit der USA mit China: Präsident Trump belegte chinesische Anbieter mit Sanktionen - sie dürfen kein Öl mehr transportieren.
Zudem hilft auch der Frackingboom: Immer mehr Öl wird aus den USA nach Europa oder Asien exportiert, was anderes Öl - aus Venezuela oder Nigeria - verdrängt und die Transportwege verlängert. Gute Nachrichten also für Scorpio. Analysten erwarten für 2020 einen Gewinn von 3,60 Dollar, der Umsatz soll von 720 Millionen Dollar auf mehr als eine Milliarde Dollar steigen.
Richtig aufgestellt, müssen Anleger die anstehende Präsidentenwahl daher keineswegs fürchten.