Die mannigfaltigen Krisen drücken auf die Unternehmens-Gewinne. Die westlichen Volkswirtschaften steuern auf einen kräftigen Abschwung zu. Die Welt ordnet sich neu. Das wird Jahre dauern. Am Aktien-Optionsmarkt hat das Put-Call-Ratio nun neue, extreme Höchststände erreicht. Es gibt dreimal so viele Pessimisten wie Optimisten. Stehen die Märkte also vor einem Crash? 

Rezession? Stagflation? Was macht das schon!? Am Aktienmarkt wird schließlich die Zukunft gehandelt. So lautet offenbar das Credo der Optimisten, die derzeit Aktien kaufen. Und angesichts extrem schlechter Stimmung bei gleichzeitiger extremer Überverkauftheit am Aktienmarkt scheint die Zeit dafür auch günstig.

Optimisten sehen Aufschwung kommen

Die Optimisten (Bullen) haben prominente Unterstützung. Scott Rubner etwa, Managing Director bei Goldman Sachs, glaubt nicht, dass es noch zu einem finalen Ausverkauf kommt: "Die Kapitulation [der Privatanleger] ist nahe. Die letzten verbliebenen Anleger, die noch nicht verkauft haben, gehen jetzt in Cash."

John Schlegel von JPMorgan sieht das ähnlich: "Obwohl wir noch einen weiteren Risikoabbau sehen könnten, ist es möglich, dass wir kein klares Zeichen für eine breite Kapitulation bekommen, weil die Positionierung der Anleger bereits ziemlich niedrig ist", so Schlegel.

Put-Call-Verhältnis auf Rekordhoch

Doch an den Terminmärkten passiert gleichzeitig Historisches. Am Optionsmarkt wurden in der vergangenen Woche Short-Positionen auf den marktbreiten S&P-500-Index im Wert von 19,9 Milliarden Dollar eröffnet. Gleichzeitig wurden Calls im Wert von nur 6,5 Milliarden Dollar gekauft. Zum ersten Mal in der Geschichte überwiegen Puts die Calls um das Dreifache. Das Put-Call-Ratio ist auf über 3,0 gestiegen! 

OCC/ SentimentTrader/ Twitter
Langfrist-Chart S&P 500 (oben) und Put-Call-Ratio.

Wenn das Verhältnis ungewöhnlich hoch ist und die Anzahl der Puts die Calls um einen großen Prozentsatz übersteigt, deutet dies darauf hin, dass sich die Anlegerstimmung verschlechtert hat. Die Options-Anleger erwarten, dass sich der Trends fortsetzt und kaufen Put-Optionen.

Wie Finanzkrise 2008?

Die Pessimisten (Bären) verweisen nicht nur auf den kommenden Wirtschaftsabschwung, sondern auch auf eine ähnliche Marktlage wie vor Zuspitzung der Lehman-Krise. Die Pleite der US-Investmentbank im Jahre 2008 führte letztlich zur globalen Finanzkrise – mit einem Crash der Aktienmärkte.

Die Skeptiker erhalten Rückenwind von namhaften Experten. Nouriel Roubini etwa, Professor an der NYU Stern School of Business sieht zwar eine vorübergehende Erholung an den Aktienmärkten, die aber nicht nachhaltig sein wird. Er spricht von einem drohenden Jahrzehnt einer stagflationären Schuldenkrise. Auch Ed Yardeni, Präsident von Yardeni Research, erwartet, dass es weiter abwärts gehen wird. Und natürlich ist auch 'Dr. Doom' Mark Mobius pessimistisch für die Märkte eingestellt.

Charttechnik spricht für nochmaligen Abtaucher

Charttechnisch ist der S&P 500 Index tatsächlich angeschlagen. Ein kurzfristiger Abwärtstrend ist intakt. Ein kommender Test der Jahrestiefen bei knapp 3.500 Punkte ist denkbar. Am Montag schloss der Index bei 3.678 Zählern, am Dienstag deutet sich ein freundlicher Handelsstart an.

TradingView.com
12-Monats-Chart S&P 500 (inkl. 50-Tage-Linie)

Auch die Elliot-Wave-Theoretiker sehen einen baldigen Abschwung voraus. In der technischen Auswertung mit dem langfristigen 50-Monats-Durchschnitt sehen sie Abwärtspotenzial bis ins erste Quartal 2023 bis zum 200-Wochen-Durchschnitt voraus. Entsprechend dieser Voraussage würde der S&P 500 in den kommenden Monaten bis unter 2.300 Punkte fallen.

elliottwaveclub.com
S&P 500 von März 2020 bis Oktober 2023 – mit Elliott-Wave-Projektion bis Q1 2023

Dennoch müssen Anleger Experten zufolge die Hoffnung auf eine Jahresendrally nicht aufgeben. "Der Oktober ist bekannt als 'Bärenmarkt-Killer'", sagte kürzlich Finanzmarkt-Experte Christoph Mertens von der Fürst Fugger Privatbank. In den vergangenen 60 Jahren hätten allein in diesem Monat zwölf Kursabschwünge ihr Ende gefunden.

Rückenwind verspricht sich Mertens insbesondere vor allem von der Wall Street. Sie lege in Jahren mit "Mid-Term Elections" – Kongresswahlen in der Mitte einer Amtsperiode der US-Präsidenten – im November überdurchschnittlich zu. Den Höhepunkt einer Jahresendrally erwartet er rund um Weihnachten. Mitte November ist auch der nächste große Verfallstag an den Terminbörsen.

Auch Eckhard Schulte, Chef des Vermögensverwalters MainSky, sieht das Ende der jüngsten Talfahrt nahen. "Ungeachtet der Tatsache, dass die Zentralbanken im Spätherbst die Zinsen noch einmal erhöhen werden, erwarten wir eine 'Entschleunigung' im Zinserhöhungsprozess im vierten Quartal." 

Fazit

In den kommenden Wochen dürfte sich die tatsächliche Marschrichtung am Aktienmarkt herauskristallisieren. Sollte der Markt deutlich nach oben ausbrechen, dürfte es zu einem Short Squeeze am Optionsmarkt kommen. Die Shorties müssten sich mit Aktien eindecken, was den Index-Aufschwung noch verstärken würde.

Sollten die Shorties Recht behalten, dürften in wenigen Wochen nochmals günstigere Einstiegsgelegenheiten kommen.

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