Das Jahr 2020 hat in Australien vieles umgekrempelt. Volkswirtschaftlich gesehen kam es sogar zu einer Zäsur. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte 2020 um real vier Prozent geschrumpft sein. Das ist deshalb ein echter Einschnitt, weil die lokale Wirtschaft fast drei Jahrzehnte immun war gegen jede Schwäche. Doch jetzt fordert das Coronavirus auch von Australien seinen Tribut.
Sorgenfrei ist der kleinste Kontinent der Erde auch aus einem anderen Grund nicht mehr: Die Spannungen mit China nehmen zu. Themen wie Verteidigung, Handel und Außenpolitik sind so komplex, dass keine schnelle Lösung in Sicht ist. Das ist eine Bürde, weil die geografisch relativ nahe gelegene Volksrepublik bei Weitem der größte Handelspartner ist. Auf das Reich der Mitte entfielen zuletzt 39,4 Prozent der Warenexporte und 17,6 Prozent der Dienstleistungsexporte. Zusammengenommen hatten diese Exporte einen Wert von 8,4 Prozent des Bruttoinlandsproduktes, wie das Researchhaus Capital Economics vorrechnet.
Geht es nach dem Konsens der Ökonomen, wächst Australiens Wirtschaft 2021 trotzdem wieder um rund drei Prozent. Hilfreich wäre dabei natürlich ein synchronisierter globaler Konjunkturaufschwung. Denn unter dieser Voraussetzung dürften sich die Rohstoffpreise weiter erholen. Zuletzt zogen die Preise bereits deutlich an. Über die Hälfte von Australiens Exporten sind Rohstoffe, vor allem Eisenerz, Kohle und Gas.
Wie viele andere Börsen weltweit hat der Aktienmarkt in Sydney mithilfe von expansiver Geld- und Fiskalpolitik die vielen Probleme im Umfeld abgeschüttelt. Der Index S & P/ASX All Ordinaries hat seit dem 20. März um fast 52 Prozent zugelegt und kommt für 2020 auf ein kleines Plus, nachdem er zwischenzeitlich um gut 37 Prozent abgestürzt war. Zu den aktuellen Rahmendaten verweist die USInvestmentbank Jefferies auf ein geschätztes Kurs-Gewinn-Verhältnis von 20,6 und ein 2,1-faches Kurs-Buchwert- Verhältnis. Hinzu kommt mit Blick auf die erwarteten Gewinne je Aktie ein Plus von im Schnitt rund 15 Prozent. In Zeiten von vermutlich wieder steigenden Dividenden sehen es die Experten als Vorteil, dass australische Aktien verglichen mit Staatsanleihen bei einer geschätzten Dividendenrendite von im Schnitt 3,2 Prozent günstig aussehen.
Ein neues prozyklisches Kaufsignal für den Gesamtmarkt ergibt sich aus unserer Sicht erst, wenn die führenden Aktienindizes auf neue Bestmarken vorrücken können. Dennoch ist es schon sinnvoll, auf Einzelaktien mit aussichtsreichem Chartbild, guter Anlagestory und gemessen an den Perspektiven vernünftigen Bewertungsrelationen zu setzen.
Auf der Suche nach passenden Kandidaten hat die Redaktion vier Titel herausgefiltert. Zwei davon stammen aus dem Rohstoffsektor, nämlich Fortescue Metals und BHP Group. Beide gehören zu den lokalen Marktschwergewichten. Bei Fortescue Metals sorgen neue Rekordhochs für einen starken Chart, bei BHP frische Mehrjahreshochs.
Der britisch-australische Konzern BHP mit Hauptsitz in Melbourne zählt zu den weltgrößten Bergbauunternehmen. Der Fokus liegt auf Eisenerz (Nummer 3 weltweit), Erdöl und Erdgas, Kupfer sowie Koks- und Kraftwerkskohle. Bei zukunftsträchtigen Rohstoffen ist man dabei, die Aktivitäten auszubauen. Die Bilanz ist solide und das Verschuldungsprofil inzwischen wieder moderat. Das hilft in einer zyklischen Branche, schwierige Zeiten zu meistern. Hinzu kommt die Aussicht auf eine Dividendenrendite von 3,2 Prozent.
Hohe Dividende, geringe Kosten
Bei der aktionärsfreundlich agierenden Fortescue winkt sogar eine noch höhere Dividendenrendite als bei BHP. Das Unternehmen ist ein reiner Eisenerzproduzent, der zu den großen vier auf dem Weltmarkt gehört. Haupttreiber der Erträge sind der Eisenerzpreis und die Preisrealisierung im Vergleich zum Benchmark-Eisenerzpreis. Ein zweiter Katalysator sind die Cashkosten der Produktion. Hier war das Unternehmen in der Lage, die Kosten schnell zu senken und Schulden zu tilgen. Laut Credit Suisse ist Fortescue nun einer der Produzenten mit den niedrigsten Kosten. Wir erhöhen das Kursziel leicht und ziehen den Stopp nach.
Pro Medicus ist eine Empfehlung aus dem Gesundheitssektor. Es handelt sich um ein 1983 gegründetes Unternehmen, das Krankenhäusern, Bildgebungszentren und Gesundheitskonzernen ein umfassendes Angebot an Radiologie-IT-Software und Dienstleistungen anbietet. Seit 2009 gehört Visage Imaging zum Verbund, ein Anbieter von hochmodernen Enterprise-Imaging- Lösungen. Pro Medicus überzeugt mit einer starken Produktpipeline und einer klaren Wachstumsstrategie. Analysten sehen den Gewinn je Aktie von 2018/19 (30.06.) bis 2022/23 von 0,18 auf 0,45 Australische Dollar steigen, was für Anlegerinteresse sorgt.
Nanosonics ist ein 2001 gegründeter Innovator im Bereich des Infektionsschutzes. Das hauseigene Trophon-Gerät gilt als führend bei der Desinfektion von Ultraschallsonden. Es soll das Kreuzkontaminationsrisiko zwischen Patienten und die Verbreitung von Krankenhausinfektionen reduzieren. Dazu muss man wissen, dass etwa in deutschen Kliniken und Praxen bei der Aufbereitung von Ultraschallsonden noch immer überwiegend die manuelle Wischdesinfektion Anwendung findet. Die Wachstumsaussichten sind also sehr gut. Analysten sehen den Gewinn je Aktie von 2020/21 (30.06.) bis 2023/24 von 0,03 auf 0,15 Australische Dollar anziehen. Diese Perspektive erklärt, warum die Notiz gerade auf neue Bestmarken vorgestoßen ist.