DAS IST LOS BEI AUTO1:

Das 2012 gegründete Berliner Unternehmen mit den Marken Autohero und wirkaufendeinauto.de profitiert unter anderem davon, dass die Autohersteller wegen fehlender Chips weniger produzieren. Dies treibt die Gebrauchtwagen-Nachfrage und -Preise nach oben. Zudem ist Auto1 bei der Digitalisierung des Gebrauchtwagenhandels, der nach wie vor kaum über das Internet stattfindet, weit vorne.

Aus diesem Grund konnte das Management um Unternehmens-Mitgründer und Vorstandschef Christian Bertermann bei der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal Mitte November erneut die Umsatzprognose erhöhen. Der Erlös soll im laufenden Jahr auf 4,5 bis 4,6 Milliarden Euro klettern. 2020 hatte das Unternehmen 2,8 Milliarden Euro erlöst.

Wegen der Investitionen in den Ausbau des Geschäfts bleibt Auto1 aber in den roten Zahlen. Auf Basis des um Sondereffekte bereinigten Gewinns vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) peilt der Konzern erstmals 2023 das Erreichen der Gewinnschwelle an, wie Finanzchef Markus Boser vergangene Woche in einem Gespräch mit der Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX bekräftigte.

Für das kommende Jahr gab das Unternehmen noch keine Prognose ab - dies sei bei der Vorlage der 2021er-Bilanz geplant. Boser sagte lediglich, dass er sich mit Blick auf die bei Bloomberg gesammelten Expertenschätzungen wohlfühlt. Diese hatten zu dem Zeitpunkt beim Umsatz im kommenden Jahr einen Anstieg auf 5,9 Milliarden Euro bei einem operativen Verlust von etwas mehr als 90 Millionen Euro auf dem Zettel.

Auto1 betreibt eine Online-Handelsplattform, über die Autohändler in mehr als 30 Ländern Gebrauchtwagen an- und verkaufen können. Über diese Plattform sollen in diesem Jahr rund 560 000 Autos den Besitzer wechseln. Mit diesem Großhandelsgeschäft macht Auto1 unter gleichem Namen bislang das größte Geschäft. Insgesamt soll in diesem Jahr über die Plattformen des Unternehmens der An- und Verkauf von rund 600 000 Autos abgewickelt werden. Das wäre ein Drittel mehr als 2020.

Wachsen will das Unternehmen in Zukunft mit dem eigenen Händler Autohero, der sich an private Interessenten richtet. Mit viel Werbung möchte Auto1 dieses Geschäft ankurbeln. 2021 sollen in dem Segement bis zu 42 000 gebrauchte Autos veräußert werden, im vergangenen Jahr waren es gerade einmal 10 000. Private Interessenten bekommen ihr Auto direkt nach Hause geliefert oder zu einer passenden Abholstation in der Nähe.

Private Autoverkäufer können bei mehr als 400 Abgabestationen in Europa ihr Fahrzeug zum vorher online festgesetzten Preis losschlagen. Zudem will Auto1 die Kapazität seiner Werkstätten, die gebrauchte Autos zum Verkauf aufbereiten, auf bis zu 400 000 Stück im Jahr 2023 deutlich ausbauen.

Der Konzern versucht derzeit seine Bekanntheit unter anderem durch Fußball-Sponsoring zu steigern. So ist Auto1 seit dieser Saison auf der Trikotvorderseite des Fußballvereins Hertha BSC Berlin zu sehen und ist auch Partner von Paris Saint-Germain. Zudem baut Auto1 seine Flotte mit Lkws aus, die die Autos in Anhängern mit durchsichtigen Glasscheiben bis zur Haustür der Kunden liefern.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Nachdem die Aktie zunächst positiv auf das erhöhte Umsatzziel reagiert hatte, war die Luft schnell wieder raus und der Kurs stürzte Mitte dieser Woche auf ein Rekordtief von 25,80 Euro. Am Donnerstag konnte sich der Kurs zwar etwas davon erholen - aber trotzdem verlor das im MDAX notierte Papier seit der Vorlage der Zahlen zum dritten Quartal und der Erhöhung Umsatzprognose rund ein Fünftel an Wert.

Damit beschleunigte sich die Talfahrt der vergangenen Wochen und Monate. Seit dem spektakulären Börsengang mit hohen Zeichnungsgewinnen ging es stets nach unten: Vom Ausgabepreis in Höhe von 38 Euro ging es Anfang Februar gleich am ersten Handelstag zwar bis auf fast 57 Euro nach oben. Doch die Euphorie ist längst verflogen - mit zuletzt etwas mehr als 26 Euro liegt der Kurs fast ein Drittel unter dem Ausgabepreis und mehr als die Hälfte unter dem Rekordhoch.

Derzeit bringt der Konzern eine Marktkapitalisierung von rund 5,6 Milliarden Euro auf die Börsenwaage. Damit liegt Auto1 nur noch im Mittelfeld der 50 MDax-Werte - zum Zeitpunkt des Aufstiegs in den kleinen Bruder des Leitindex Dax (DAX 40) lag das Unternehmen mit knapp acht Milliarden Euro noch im oberen MDax-Mittelfeld.

Größter Anteilseigner ist der japanische Technologieinvestor Softbank, der laut Bloomberg-Daten rund 16 Prozent der Anteile hält. Die beiden Gründer Christian Bertermann und Hakan Koc halten demzufolge jeweils noch knapp 13 Prozent. Bertermann leitet das Unternehmen, während sich Koc inzwischen in den Aufsichtsrat zurückgezogen hat.

DAS SAGEN DIE ANALYSTEN:

Für die Analystenzunft ist die jüngste Aktienkurs-Entwicklung eine Blamage. So hatten die vier der fünf von dpa-AFX erfassten Experten, die sich seit der Anhebung der Umsatzprognose zu Wort gemeldet haben, ihre Kaufempfehlung bestätigt. Teilweise wurde auch das Kursziel erhöht - hier liegt der Schnitt bei knapp 50 Euro und damit fast doppelt so hoch wie das aktuelle Kursnvieau.

Ähnlich sieht es bei den zwölf Analysten-Einschätzungen aus, die von der Nachrichtenagentur Bloomberg gesammelt wurden. Elf von ihnen geben eine Kaufempfehlung ab. Das durchschnittliche Kursziel liegt bei etwas mehr als 50 Euro.

Das höchste Kursziel kommt dabei mit 70 Euro von der kanadischen Bank RBC Der Umsatz, das Bruttoergebnis und das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda) des Online-Gebrauchtwagenhändlers hätten die Erwartungen übertroffen, schrieb Analystin Sherri Malek in einer kurz nach der Zahlenbekanntgabe veröffentlichten Studie. Die angehobenen Jahresziele ließen zudem Spielraum für die Schätzungen der Analysten.

Von Alsterresearch-Analyst Oliver Wojahn kommt derzeit mit 37 Euro das niedrigste Kursziel. Er hält den jüngsten Kursrutsch für übertrieben und stufte deshalb die Aktie Mitte dieser Woche von "Hold" auf "Buy" hoch. Er sieht das Unternehmen weiter gut aufgestellt, um schnell zu wachsen - allerdings kostet das weiter Geld. Daher werde Auto1 seiner Einschätzung nach erst 2024 die operative Gewinnschwelle erreichen.

Positiv gestimmt blieb zuletzt Metzler-Experte Tom Diedrich nach den Zahlen zum dritten Quartal. Er bestätigte seine Kaufempfehlung und erhöhte sein Kursziel um einen Euro auf 47 Euro. Das Unternehmen sei einer der größten Profiteure des europäischen Gebrauchtwagenbooms, schrieb er in einer Studie. Ähnlich sieht das Deutsche-Bank-Analystin Nizla Naizer, die nach den Zahlen ihr "Buy"-Votum mit einem Kursziel von 50 Euro bekräftigte.

dpa-AFX