Autoexperte Dudenhöffer: Volkswagen droht wegen Abgasskandal massiver Absatzeinbruch in den USA
· Börse Online RedaktionZugleich warnte Dudenhöffer vor einem Überspringen der Krise auf BMW und Daimler. Die US-Absätze beider Hersteller dürften ebenfalls unter dem Skandal leiden, sagte der Leiter des Center Automotive Research an der Uni Duisburg-Essen. Das Image von Clean Diesel könne man "jetzt knicken", sagte Dudenhöffer.
Herr Professor Dudenhöffer, VW hat jahrelang Abgasdaten in den USA verfälscht. Wie überrascht sind Sie?
Um es offen zu sein: Ich bin fassungslos. Und so geht es, glaube ich, allen, die von dem Skandal gehört haben.
Wird die entsprechende Software nur in US-Fahrzeugen von VW und Audi eingesetzt oder steht zu befürchten, dass auch entsprechende Daten in VW-Fahrzeugen für andere Märkte wie Deutschland gezielt gefälscht werden?
Dies weiß bis heute nur VW. Deshalb hätte man erwartet, dass der Vorstandsvorsitzende dazu Stellung nimmt. Jetzt werden nicht nur in Deutschland VW-Fahrzeuge von Behörden streng kontrolliert werden - sondern auch andere Länder werden folgen. Nicht nur der Vorfall ist eine Katastrophe, sondern auch das Krisenmanagement. VW scheint zu "mauern", sonst hätte man bereits letzte Woche eine AdHoc Meldung an seine Aktionäre geschickt, sonst hätte Winterkorn klar gesagt, was in anderen Märkten der Fall ist.
Bei der Manipulation wurde eine spezielle Software eingesetzt. Ist ein solch weitreichender Eingriff in die Bord-Software ohne Zustimmung des Marken- bzw. Konzernvorstands überhaupt vorstellbar?
Nach meinem Wissen kann die Software - die ja Teil des Motormanagements ist - nur durch eine explizite Freigabe der zentralen Entwicklungsabteilung eingebaut werden. Damit sitzt das Problem in Wolfsburg.
Alleine am Montag wurden rund 17 Milliarden Euro Börsenwert bei VW vernichtet. Zudem drohen dem Konzern Berichten zufolge Strafzahlungen von bis zu 18 Milliarden Dollar. Ist eine solche Milliarden-Strafe realistisch oder reiner Alarmismus?
Welche Höhe die Strafen haben werden, wissen wir nicht. Aber es handelt sich um eine bewusste, vorsätzliche Verletzung der US-amerikanischen Umweltgesetze, des Clean Air Act, in über 480.000 Fällen. Die EPA-Behördenleiterin hat von ‚illegalem’ Verhalten gesprochen, ein Strafrechtverfahren gegen VW wurde eingeleitet. Das ist kein Lausbubenstreich, sondern äußerst ernst zu nehmen.
Auf Seite 2: Welche zusätzlichen finanziellen Belastungen Volkswagen aus Klagen in den USA drohen könnten
In den USA hat es in der Vergangenheit bei Betrugsverdacht immer wieder auch Sammelklagen gegen Unternehmen gegeben. Könnte dies auch VW treffen, etwa bei Kunden, die die betroffenen Fahrzeuge gekauft haben und nun Schadenersatzansprüche anmelden?
Nach Pressemeldungen haben sich bereits die ersten Anwaltskanzleien in USA auf den Weg gemacht, um Sammelklagen, einzureichen. Es kommen also auch zusätzlich zivilrechtliche Ansprüche auf VW wegen Wertminderung der Fahrzeuge zu.
Von welchen Summen reden wir hier zusätzlich zu den möglichen Strafzahlungen?
Wie hoch die Wertminderungen der Fahrzeuge sein werden, ist natürlich nicht einfach zu sagen. Gehen wir mal von 10 Prozent des Neuwagenwertes aus. Dann wären das bei einem Durchschnittspreis von 25.000 US-Dollar mehr als eine Milliarde Dollar.
Auf Seite 3: Welche personelle Konsequenzen Volkswagen ziehen muss
Ist VW-Chef Martin Winterkorn angesichts dieses Skandals und möglicher milliarden-schwerer Strafzahlungen eigentlich noch zu halten?
Erstens: Herr Dr. Winterkorn ist der Verantwortliche für die Entwicklung und genau dort sitzt ja das Problem. Zweitens: Die Krisenkommunikation ist nicht akzeptabel - sprich das Management macht auch in der Krise Fehler. Drittens: Durch die Performance der VW-Stammmarke und die Aussagen des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Piech ist Herr Winterkorn erheblich beschädigt. Ich weiß nicht, wie der Aufsichtsrat entscheidet, aber die Faktenlage für einen Neuanfang ist erdrückend.
Volkswagen hat in den USA zuletzt massive Absatzprobleme. Wird die Lage durch den Abgasskandal jetzt zusätzlich verschärft?
Das Werk Chattanooga war bereits bisher nicht ausgelastet, da sich der US-Passat trotz hoher Werbung und niedrigem Preis sehr schlecht verkauft. VW verkauft mehr als 70 Prozent seiner Fahrzeuge in USA als Diesel. Die Glaubwürdigkeit in der Öffentlichkeit von VW und zum Teil Audi ist zerstört. Die nächsten zwölf Monate werden mehr als hart.
Auf Seite 4: Welche Absatzeinbußen auf Volkswagen auf dem US-Markt zukommen könnten
Mit welchen Absatzeibußen rechnen Sie bei VW und Audi für 2016? Bei der Marke VW könnte der Absatz wegen der Affäre im kommenden Jahr möglicherweise um rund ein Drittel schrumpfen, bei Audi könnten die Verkäufe um fünf bis zehn Prozent zurückgehen.
German Engineering genießt auch in den USA einen hervorragenden Ruf. Befürchten Sie vor dem Hintergrund der VW-Manipulation, dass in den USA nun auch BMW und Daimler die Folgen des VW-Betrugs zu spüren bekommen könnten?
Ja, Daimler und BMW werden auch darunter leiden, denn beide sind ja auch mit Clean Diesel unterwegs und das Image von Clean Diesel in USA …. Na ja, das kann man jetzt kicken.