Der Aufsichtsrat von Volkswagen hat ein 160-Milliarden-Euro-Investitionsprogramm für die kommenden fünf Jahre beschlossen. Damit soll Volkswagen zu einem Technologieanbieter nach dem Vorbild des US-Elektroautobauers Tesla umgebaut werden. Nach wochenlangen Diskussionen und heftiger Kritik von Seiten der Arbeitnehmervertreter an Vorstandschef Herbert Diess hat der Aufsichtsrat auch einen Vorstandsumbau beschlossen. Diess kann seine Arbeit als Vorstandschef fortsetzen, muss aber die Zuständigkeit für China abgeben. Dafür bekommt er die Verantwortung für die Software-Tochter Cariad.
VW-Markenchef Ralf Brandstätter steigt in den Konzernvorstand auf und übernimmt das neue Ressort "Volkswagen Pkw". Zudem rückt Hauke Stars als Vorständin für für IT und Organisation und die Audi-Managerin Hildegard Wortmann für den Vertrieb auf. Damit steigt die Zahl der Mitglieder auf elf. "Ich fühle mich gestärkt", kommentierte VW-Chef Diess die Beschlüsse, der nun mit dem Betriebsrat "konstruktiv" zusammenarbeiten will. NordLB-Analyst Frank Schwope sieht den VW-Chef allerdings geschwächt: Diess habe mit dem Vorstandsumbau weiter Macht abgeben müssen, so Schwope. "Und bei der nächsten nächsten Provokation oder dem nächsten ernsten Konflikt mit den Arbeitnehmervertretern dürfte es noch enger werden." Zum Thema Börsengang des Autobauers Porsche gab es vom Aufsichtsrat keine Stellungnahmen.
Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer äußerte sich gegenüber Börse Online zum Vorstandsumbau und zum Investitionsprogramm:
Börse Online: VW-Chef Diess hatte sich heftig mit dem Betriebsrat angelegt. Wie knapp hat er eine Ablösung noch einmal abwenden können?
Ferdinand Dudenhöffer: Es wäre ein Treppenwitz der Industriegeschichte gewesen, wenn Herbert Diess nicht mehr VW-Chef wäre. Alles was heute an großen Investitionen beschlossen wurde, fußt auf der Diess-Strategie. Er hat den größten Umbau in der Geschichte von VW in Angriff genommen und VW aus der dunklen Dieselgate-Vergangenheit herausgeführt.
Diess musste wichtige Kompetenzen abgeben. Wie geschwächt ist er jetzt?
Auch wenn es heute von vielen kolportiert wird: Diess steht nicht schwächer da. Um der IG-Metall und dem Land Niedersachen eine Freude zu machen, hatte man die optischen Veränderungen im Vorstand umgesetzt. Brandstätter wurde schon länger aufgebaut als VW-Chef, aber die VW-Probleme mit Halbleiter und fehlerhafter Software sind damit nicht vom Tisch. Es ist sinnvoll, dass Diess mehr Leute im operativen Geschäft hat, wie etwa auch Hildegard Wortmann, eine hochintelligente Marketing- und Vertriebs-Spitzenmanagerin. Sie alle machen das Team aus, aber klar: das Team wird von Diess geführt.
Diess kann sich also bei den Eigentümerfamilien Porsche und Piech bedanken?
Ja, sowohl die Familie Porsche-Piëch als auch die vielen Aktionäre der Vorzugsaktien wissen um die Bedeutung von Herbert Diess. Diess ist Garant dafür, dass VW nicht zum Gewerkschaftsunternehmen und zum Handlanger einer Landesregierung wird. Das große Investitionsprogramm von heute trägt die Handschrift von Diess und es setzt die Neuausrichtung von VW zu 100 Prozent fort. Also im Inhalt wird VW morgen mehr Diess haben als heute.
Wie könnte VW die gewaltigen Investitionen in die Elektrotransformation besser finanzieren - via Kapitalerhöhung oder via Börsengang des Autobauers Porsche?
Mit den heutigen Entscheidungen braucht VW für die Zukunft in der Tat hohes Eigenkapital. Und es gibt tatsächlich zwei Möglichkeiten: Tafelsilber, sprich Porsche, zu verkaufen oder eine Kapitalerhöhung. Eine Kapitalerhöhung passt nicht in das Konzept von Niedersachsen, denn das Land würde Stimmrechte verlieren und wäre nicht mehr mit hoher Macht bei VW vertreten. Für die Porsche-Familie ist eine Verwässerung ihres Anteils an der VW AG vielleicht auch nicht die schlechteste Lösung. Die Aufsichtsrat-Kapriolen der letzten 30 Jahre, die ständigen Machtkämpfe mit der Gewerkschaft und Ministerpräsidenten eines Bundeslandes sind nicht unbedingt ein Zeichen für Stabilität.
Also läuft alles auf einen Börsengang der Autotochter Porsche hinaus?
Zumindest schlägt man mit einem Porsche IPO - dem Projekt Phönix - zwei Fliegen mit einer Klappe: VW erhält Eigenkapital durch den Porsche-Verkauf, Niedersachen behält seine Quote und die Familie reduziert ihr Risiko bei VW-Engagement durch eine neue Eigenständigkeit bei Porsche. Für die Porsche SE bedeutet das, dass sich das SE-Portfolio risikoärmer aufstellt. Man kriegt die Money-Maschine und baut sein Wolfsburg-Risiko ab. Eigentlicher Verlierer bei der Sache ist der VW-Konzern. Der wird ökonomisch geschwächt, weil Niedersachen seinen Einfluss behalten will, aber eine Kapitalerhöhung nicht stemmen kann
Ihr Fazit?
..die Moral aus der Geschichte? Niedersachsen und das VW-Gesetz schaden ökonomisch dem Konzern Volkswagen. Gleichzeitig entsteht ein neuer deutscher Autobauer im Premium-Segment, der sicher bald BMW das Wasserreichen wird entsteht. So ein bisschen zurück zu Wiedeking. Das Bild der deutschen Autoindustrie ändert sich mit dem Projekt Phönix.