Trotz der Erholung vom Freitag ist das der Fall: Der Dax hat seit seinem Rekordhoch fast 40 Prozent an Wert verloren. Beim Dow, S&P und Nikkei beträgt das Minus jeweils mehr als ein Viertel. "Das ist eine gehörige Korrektur. Den Großteil des Weges haben wir mit hoher Wahrscheinlichkeit aber hinter uns", sagte Robert Greil, Chefstratege beim Bankhaus Merck Finck.
Am deutschen Aktienmarkt ging es noch nie so schnell abwärts: Erst am 19. Februar hatte der Dax sein Rekordhoch bei 13.789 Punkten markiert. Damit hat er sich gerade einmal gut drei Wochen Zeit gelassen für seinen bisherigen Absturz. Zum Vergleich: Nach dem Kollaps des Neuen Marktes zu Beginn des Jahrtausends, gefolgt von den Anschlägen am 11. September 2001, hat der Dax insgesamt gut 70 Prozent an Wert verloren - dafür aber auch ziemlich genau drei Jahre gebraucht.
Und zur Finanzkrise 2008 lagen zwischen dem Hoch im Dezember 2007 und dem Tiefpunkt im März 2009 immerhin noch eineinviertel Jahre. Experten bezweifeln jedoch, dass jetzt schon der Tiefpunkt erreicht ist: Die Hysterie in der Bevölkerung werde weiter steigen, sagte Mark Dowding, Chefinvestor bei der Fondsgesellschaft BlueBay. "Da die Finanzmärkte immer versuchen, künftige Entwicklungen abzuschätzen und sich auf diese einzustellen, glauben wir, dass der Höhepunkt des aktuellen Ausverkaufs in den nächsten Wochen erreicht werden könnte."
"KLAR UNTERBEWERTET"
Christian Kahler, Chefstratege der DZ Bank, verweist darauf, dass in den USA die Kurse noch nicht so stark eingebrochen seien wie in Europa. Sollte sich die Coronakrise dort weiter verschärfen, könne es stärker abwärts gehen. Das dürfte dann auch die europäischen Anleger verunsichern. In der Vergangenheit seien die Aktienkurse in einer Rezession meist unter den Buchwert des Unternehmens gefallen. Derzeit liege der Buchwert des Dax bei etwa 8100 Punkten. Vorübergehend könnte die Kurse daher deutlich unter diese Marke fallen, vor allem angeheizt durch Verluste in den USA. "Im April oder Mai dürfte der Dax aber sein Tief zwischen 8000 und 9000 Punkten finden."
Nach dem Ausverkauf sind Aktien gemessen an den Gewinnerwartungen inzwischen immerhin deutlich günstiger: Die Experten der Helaba berechnen für den Dax inzwischen ein Kurs-Gewinn-Verhältnis von 10,2, das sei deutlich weniger als der langjährige Mittelwert. "Auf dem aktuellen Niveau sind deutsche Standardwerte derzeit klar unterbewertet, auch wenn es zu berücksichtigen gilt, dass die Schätzungen für die Unternehmensgewinne der kommenden zwölf Monate derzeit vermutlich deutlich zu hoch angesetzt sind", schrieb Helaba-Experte Markus Reinwand. Das biete durchaus Chancen: "Die Kombination aus niedriger Bewertung und ausgeprägter Angst hat sich in der Vergangenheit meist als günstiger Einstiegszeitpunkt erwiesen."
Voraussetzung für eine echte Erholung seien aber primär positive Nachrichten zum Coronavirus, sagte Greil - seien es rückläufige Infektionszahlen, wirksame Medikamente oder Impfungen. "Dafür braucht es mehr als staatliche Maßnahmen oder Notenbankmaßnahmen. Die Anleger müssen vielmehr Licht am Ende des Virustunnels sehen." Sobald hier realistische Hoffnungsschimmer in Sicht seien, könne es sehr schnell nach oben gehen.
rtr