Führende Wirtschaftsverbände befürchten angesichts des bevorstehenden Lokführerstreiks spürbare Beeinträchtigungen ihrer Mitgliedsunternehmen. Der Schienengüterverkehr habe für die "deutsche Chemie-Industrie eine große Bedeutung bei der Versorgung mit Rohstoffen und dem Versand von Zwischen- und Fertigprodukten", erklärte eine Sprecherin des Chemieverbands VCI gegenüber von www.boerse-online.de. Störungen im Schienengüterverkehr hätten daher "weitreichende Auswirkungen auf die Branche und ihre Kunden".
Auch die deutschen Autobauer sehen die Arbeitsniederlegung der Lokführer mit großem Unbehagen. Jeder zweite Neuwagen werde in Deutschland über die Schiene transportiert, sagte der Präsident des Verbands der Automobilindustrie (VDA), Matthias Wissmann auf Anfrage. Zwar hätten viele Unternehmen zusätzliche Lkw-Kapazitäten gebucht. Doch sei ein vollständiger Ersatz aller Bahntransporte durch andere Verkehrsträger "nicht möglich". Daher rechne der VDA mit "einer erheblichen Behinderung der Transportabläufe durch den Streik", warnte Wissmann.
Nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) könnte der Streik die deutsche Wirtschaft einen dreistelligen Millionenbetrag kosten. "Bei durchgängigen Streiks von mehr als drei Tagen sind in der Industrie Produktionsunterbrechungen zu erwarten", erklärte das IW am Mittwoch. "Die Schäden könnten dann schnell von einstelligen Millionenbeträgen auf über 100 Millionen Euro pro Tag ansteigen."
Empfindliche Lieferketten
Viele Unternehmen haben ihre Lagerhaltung in den vergangenen Jahren eingedampft und ihre Logistik-Ketten komplett auf Just-in-time-Produktionen umgestellt. Dabei werden Bauteile wie etwa Autositze taktgenau ans Band geliefert. Allerdings steigt mit den eng verzahnten Lieferketten auch die Anfälligkeit für Störungen. Fehlen einzelne Komponenten, wie Karosserie-Bleche oder Motoren, weil die Bahn nicht fährt, drohen rasch Produktionsunterbrechungen.
Auch bei der Auslieferung der fertigen Produkte droht Stillstand. Beispiel Automobil-Industrie: Nach Branchen-Schätzungen rollen derzeit alleine zwischen Bremen und Dingolfing pro Werktag gut 20.000 Autos vom Band. Ein Großteil davon kommt per Bahn nach Bremerhaven und wird von dort nach Übersee verschifft. Insgesamt fahren derzeit täglich alleine 200 Güterzüge mit nagelneuen Fahrzeugen von Mercedes, Audi oder BMW durch die Republik. Fallen die entsprechenden Züge wegen des Bahnstreiks aus, kommt das gesamte System zum Erliegen.
Ähnlich wie die Automobil-Branche hängt auch die Chemie-Industrie stark von einem funktionierenden Güterverkehr auf der Schiene ab. Alleine 2013 haben BASF, Lanxess und
Co. nach eigenen Angaben 221 Millionen Tonnen Chemikalien transportiert, rund 13,8 Prozent damit per Bahn. "Für viele Stoffe ist die Bahn das Transportmittel der Wahl", erklärte VCI-Sprecherin Monika von Zedlitz. Für einige Stoffe sei der Bahntransport sogar "grundsätzlich vorgeschrieben".
Neben den Logistik-Ketten stellen sich die Unternehmen auch auf Einschränkungen beim Personal ein. Viele Beschäftigte seien auf dem Weg von und zur Arbeit auf die Bahn angewiesen, erinnerte Ingol Elste vom Maschinenbau-Verband VDMA. Zudem werde es zum Donnerstag und Freitag Einschränkungen bei Dienstreisen geben.
Angesichts der drohenden wirtschaftlichen Streik-Folgen hat der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) die Lokführer-Gewerkschaft GDL hart kritisiert. "Das Verhalten der GDL sei maßlos und verantwortungslos", sagte BDI-Geschäftsführer Dieter Schweer und führe zu "unkalkulierbaren Risiken von Produktionsausfällen".
Die Lokführergewerkschaft GDL will ab 15 Uhr den Güterverkehr und ab Donnerstag 02.00 Uhr auch den Personenverkehr bestreiken. Die Arbeitsniederlegung soll bis Montag morgen andauern. Damit wäre der Ausstand der längste Streik in der Geschichte der Bahn.