Insgesamt müssen sich im Frühjahr und Sommer 124 Banken aus 22 EU-Ländern der Prüfung stellen, 104 davon aus der Euro-Zone, 23 aus Deutschland. Analysten hatten zuletzt geschätzt, dass sich EU-weit Kapitallücken im dreistelligen Milliardenbereich zeigen könnten, bevor die Europäische Zentralbank (EZB) im Herbst die Aufsicht über die größten Banken in der Euro-Zone übernimmt. Beim Test 2011 waren einige Banken durchgekommen, die später mit Geld des Steuerzahlers aufgefangen werden mussten.
Der Test sei härter als beim letzten Mal, betonte Angel Ron, Verwaltungsratschef der fünftgrößten spanischen Bank Banco Popular. "Aber ich bin sicher, dass wir gut vorbereitet sind." Der deutsche Bankenexperte Hans-Peter Burghof ging hingegen mit der Aufsicht hart ins Gericht. Der Test sei zu lasch, werde überschätzt und verleugne die Realitäten. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands, forderte mehr Klarheit: "Die heute vorgelegten Kriterien lassen in einigen wichtigen Fragen noch erheblichen Spielraum offen." An den europäischen Börsen ging es für die Aktien vieler Institute bergab. Commerzbank-Titel verloren zeitweise fast sechs Prozent an Wert, Deutsche-Bank -Papiere verloren 3,3 Prozent, an der Pariser Börse verbilligten sich die Aktien von Credit Agricole in der Spitze um 3,9 Prozent.
BANK VON ENGLAND PLANT EIGENEN TEST
Die genauen zwei Stress-Szenarien sollen spätestens im Mai bekannt gegeben werden. Simuliert werden sollen ein Konjunkturabschwung, Kreditausfälle, ein Verfall der Preise von Staatsanleihen, Refinanzierungsprobleme und Spannungen an den Verbriefungsmärkten. Nationale Aufseher können dieses Mal im Gegensatz zu früheren Tests zusätzliche Stress-Kriterien für ihre jeweiligen Banken festlegen. Die Bank von England kündigte bereits an, dass sie in Großbritannien einen eigenen Stresstest parallel durchführen will - mit acht statt nur vier britischen Instituten wie beim großen EU-weiten Test.
Banker erwarten, dass einige Banken die Prüfungen nicht bestehen werden, möglicherweise auch in Deutschland. Die Aufseher hoffen, dass das Vertrauen der Investoren in die Glaubwürdigkeit der Tests höher ist als bei den letzten Malen, als auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise in den Szenarien ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone zum Tabu erklärt worden war. Die damaligen Prüfungen führten nicht zur Beruhigung der Märkte. Der Test soll helfen, dass das Misstrauen auch zwischen den Instituten kleiner wird.
NICHT ALLE FRAGEN BEANTWORTET
Einige zentrale Fragen, auf die die Banken seit Wochen gespannt warten, bleiben allerdings vorerst unbeantwortet - etwa wie genau die Bestände von Staatsanleihen in den Bankbilanzen behandelt werden. Klar ist, dass Bonds, die von den Banken bis zur Fälligkeit gehalten werden, entsprechend der geltenden Rechtslage als risikofrei eingestuft werden können. Für die übrigen Staatsanleihenbestände haben die nationalen Aufseher einen Ermessensspielraum, allerdings gilt als Richtschnur, dass Bonds im Handelsbuch zu Marktpreisen bewertet werden sollen.
Bankenprofessor Burghof hat hierfür kein Verständnis: Dass Banken Anleihen im Bankenbuch weiter als risikolos bewerten können, sei ein Menetekel für den Test. "Das zeigt, dass man in der Staatsschuldenkrise weiter auf Zeit spielt statt der Realität ins Auge zu sehen", sagte er. Banken hätten schließlich große Freiheiten, ob sie Staatsanleihen im Handels- oder im Anlagebuch halten. Dass nationale Aufsichtsbehörden eigene zusätzliche Stresstestskriterien für ihre Banken entwerfen können, sieht der Experte von der Universität Hohenheim bei Stuttgart ebenfalls kritisch. Dies könne dazu führen, dass die deutsche Aufsicht härtere Szenerien für ihre Banken entwerfe als zum Beispiel die Behörden in Griechenland oder anderswo.
UND WENN KAPITAL FEHLT?
Offen ist, wie schnell eventuelle Kapitallöcher von den Instituten geschlossen werden müssen. Sicher ist dagegen, dass sich die Test-Szenarien über einen Zeitraum von drei Jahren bis Ende 2016 erstrecken werden - beginnend mit dem Stand der Bankbilanzen von Ende 2013. Die Qualität des Kernkapitals muss - entsprechend des neuen Regelwerks Basel III - von Jahr zu Jahr härteren Anforderungen genügen. In Deutschland wird erwartet, dass die Finanzaufsicht BaFin einige Institute zudem wegen des Engagements in der schwächelnden Schifffahrt genauer unter die Lupe nimmt.
EBA und EZB organisieren den Stresstest in der Euro-Zone gemeinsam. Die Notenbank durchleuchtet schon seit Monaten mit den nationalen Aufsichtsbehörden die Bilanzen der 128 größten Banken der Euro-Zone, darunter auch 24 deutsche Häuser. Ergebnisse aller Teile der Fitness-Checks - Risikoanalyse, Bilanzprüfung und Stresstest - sollen im Oktober publik gemacht werden. Die EZB ihrerseits will am Montag in Frankfurt über ihre Fortschritte bei der Bilanzprüfung der größten Institute in der Euro-Zone berichten.
Reuters