Während die Märkte unter Krieg, Inflation und Zinswende ächzen, prognostiziert die Bank Bantleon eine kräftige Erholung der Weltwirtschaft im Frühjahr und Sommer. Bevor sich die Stimmung zum Jahresende wieder dreht, könnten wichtige Aktienindizes sogar neue Höchststände erklimmen, meint Senior Economist Andreas Busch. Bantleons Analysten zählten 2021 bei Konjunkturprognosen laut Bloomberg und Refinitiv zu den treffsichersten weltweit.
€uro am Sonntag: Sie prognostizieren ein vorübergehendes Comeback der Aktienmärk- te im Frühjahr und Sommer. Dabei gehen Sie davon aus, dass der Ukraine-Krieg zeitnah endet. Wie kommen Sie darauf?
Andreas Busch: Wir sind nicht blauäugig und erwarten nicht, dass Russland und die Ukraine bald Frieden schließen. Aber sobald keine Verschlechterung der Lage, keine weitere Eskalation mehr zu beobachten ist, wird eine gewisse Beruhigung an den Finanzmärkten eintreten. Dann dürften die Marktteilnehmer realisieren, dass es beispielsweise gar keinen großen Engpass bei Öl gibt. Und der Ölpreis ist ja zurzeit ein großer Belastungsfaktor.
Was ist mit China? Der unbegrenzte Lockdown in Shanghai klingt nicht nach Aufschwung.
Die Corona-Lage in China ist natürlich, wie auch der Ukraine- Krieg, ein Risiko für unser Szenario. Wir denken aber, dass sich aus den Lockdowns primär Bremseffekte für die Binnenwirtschaft in China ergeben, wohl auch größer als zunächst gedacht. In Europa und den USA speist sich der Aufschwung aber vor allem aus dem großen Nachholbedarf bei Dienstleistungen, also Reisen, Hotels, Restaurants und so weiter. Wenn es durch Chinas Corona-Politik zu einer erneuten Verschärfung der Lieferprobleme kommt, dämpft das die Erholung im Westen, aber würgt sie nicht ab.
Welche Rolle spielen die Zinserhöhungen der Fed in Ihrem Szenario? Einige Banken erwarten, dass die US-Wirtschaft im Herbst in eine Rezession gerät.
Das halten wir für zu früh. Wenn man den gerade viel diskutierten Indikator der inversen Zinskurve betrachtet, folgte die Rezession in der Vergangenheit nach sechs bis 24 Monaten. Für 2023 sind wir durchaus skeptisch, aber nicht für die nächsten drei bis sechs Monate.
Profitieren alle Sektoren von dem Sommerhoch?
Wir erwarten den Aufschwung vor allem bei den früheren Corona-Verlierern aus dem Dienstleistungsbereich. Zum Teil auch bei der Industrie, weil diese einen sehr hohen Auftragsbestand hat. Ganz grundsätzlich rechnen wir mit einem erneuten Comeback der Value-Titel, beispielsweise aus den Bereichen Banken, Versicherungen und Grundstoffe. Growth-Unternehmen dürften hingegen angesichts der steigenden Zinsen das Nachsehen haben.
Und welche Bereiche zählen zu den Gewinnern, wenn die Sorgen wieder Oberhand gewinnen?
Im zweiten Halbjahr, wenn das konjunkturelle Momentum wieder nachlässt, wird das Fahrwasser für Aktien insgesamt rauer. Spätestens dann sollte der Investor verstärkt auf alternative Aktienstrategien setzen.