Mehr als 6000 Fahrmischer sind laut Angaben des Bundesverbands Transportbeton (BTB) derzeit auf Deutschlands Straßen unterwegs. Dabei handelt es sich um Lkws, deren fassförmiger Aufbau mit einem speziellen Gemisch aus Wasser, Sand und Zement befüllt ist. Die Fahrer haben rund 90 Minuten Zeit, um den Beton vom Werk zur Baustelle zu transportieren. Kommt es zu Verzögerungen, droht der wichtige Baustoff im Mischer zu erhärten. Momentan sind diese speziellen Fahrzeuge besonders häufig anzutreffen: Nachdem die Produktion 2015 mit 46 Millionen Kubikmetern leicht abnahm, rechnet der BTB für das laufende Jahr mit einem Wachstum zwischen einem und zwei Prozent.

Deutschland baut fleißig



Die Zuversicht kommt nicht von ungefähr: In Deutschland grassiert momentan ein regelrechtes Betonfieber. Der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie meldete für die ersten fünf Monate des laufenden Jahres beim Auftragseingang ein stattliches Wachstum von 17,3 Prozent. Vor dem Hintergrund rekordtiefer Finanzierungskosten brummt vor allem der Wohnungsbau - hier verzeichnete der Sektor von Januar bis Mai ein Auftragsplus von 19,5 Prozent.

Da Deutschland für mehr als ein Fünftel der europaweiten Bauwirtschaft steht, schiebt der Boom hierzulande den Sektor auf dem gesamten Kontinent an. Der Branchenverband Euroconstruct rechnet damit, dass die Bauleistung in Europa 2016 um 2,6 Prozent steigt. Im kommenden Jahr soll das Geschäft um weitere 2,7 Prozent anziehen (siehe letzte Seite "Auf einen Blick"). Die Aussichten für die Baustoffkonzerne sind also so gut wie lange nicht. Zumal auch weltweit viel Geld in Häuser, Straßen und sonstige Infrastrukturprojekte gesteckt wird. Allmählich scheint sich diese Tatsache an der Börse herumzusprechen. Jedenfalls sprangen die Aktienkurse im Baustoffsektor zuletzt an.

Beispiel HeidelbergCement: Der Kurs des DAX-Mitglieds kletterte kürzlich auf den höchsten Stand seit Juli 2008. Damals war die Aktie im Zuge der globalen Finanzkrise massiv abgestürzt. In den jüngsten Zahlen der Kurpfälzer kommt der globale Bauboom voll zum Tragen. Im zweiten Quartal steigerte HeidelbergCement den Absatz in allen vier Produktkategorien - Zement, Zuschlagsstoffe, Transportbeton und Asphalt. Zwar kam der Konzernumsatz auf vergleichbarer Basis nur um ein Prozent voran. Mit 791 Millionen Euro lag das operative Ergebnis vor Abschreibungen von April bis Juni dennoch um neun Prozent über dem Vorjahreswert. "Das zweite Quartal 2016 war operativ das beste seit der Finanzkrise und hat damit den positiven Trend fortgesetzt", freute sich Vorstandschef Bernd Scheifele.

Vor allem die robuste Konjunktur in den Industriestaaten, allen voran den USA, Deutschland, Nordeuropa und Australien, soll das Geschäft weiter anschieben. Trotz Brexit gibt sich Scheifele in Bezug auf Großbritannien vorsichtig optimistisch. Das Vereinigte Königreich ist nach den USA der zweitgrößte Markt des Konzerns. Im Juli, dem ersten Monat nach dem Referendum zum Austritt aus der Europäischen Union (EU), übertraf die Nachfrage auf der Insel die Erwartungen des Managements deutlich. Scheifele rechnet nicht mit Verzögerungen bei den großen Infrastrukturprojekten. Beispielsweise sind allein für den Thames Tideway Tunnel in London mehr als 300 000 Kubikmeter Beton nötig. Die 25 Kilometer lange Röhre soll ab 2023 dafür sorgen, dass die Abwässer der britischen Metropole den Fluss Themse in Zukunft nicht mehr verschmutzen.



Genug Geld für Zukauf



An der im Mai erhöhten Prognose hält Scheifele fest und rechnet 2016 mit einem moderaten bis deutlichen Ergebnisanstieg. Neben dem laufenden Geschäft liegt ein Fokus des Managers auf der Übernahme von Italcementi. Der Kauf des 45-Prozent-Anteils von Großaktionär Italmobiliare ist in trockenen Tüchern. Jetzt läuft noch bis Ende September eine Offerte für die freien Aktionäre. HeidelbergCement erschließt sich mit dem Deal neue Märkte wie Frankreich, Italien oder Thailand und stärkt zudem die Stellung in Nordamerika. Über die nötige finanzielle Power verfügt der Konzern. Mit knapp 5,9 Milliarden Euro lag die Nettoverschuldung per 30. Juni um sieben Prozent unter dem Vorjahreswert. Gleichzeitig zeigt HeidelbergCement eine starke Eigenkapitalquote von 52 Prozent. Im Verbund mit den positiven Wachstumsaussichten bilden diese Parameter ein solides Fundament für weitere Kursgewinne. Ganz zu schweigen von der Bewertung, die unter dem Sektordurchschnitt liegt. Gegenüber LafargeHolcim zeigt der DAX-Titel, gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis, einen Abschlag von knapp einem Fünftel. Der im vergangenen Jahr aus einer Fusion der französischen Lafarge mit dem Schweizer Konkurrenten Holcim entstandene Konzern erlebte einen holprigen Start. In den ersten sieben Monaten gab der Aktienkurs um gut die Hälfte nach.

Allmählich findet der Riese aber in die Spur: Nachdem das operative Ergebnis im ersten Quartal noch stark geschrumpft war, meldete das Unternehmen für den Zeitraum April bis Juni ein Wachstum von sechs Prozent, was über den Erwartungen lag. "Wir haben die Integration abgeschlossen", freute sich Eric Olsen. Der Konzernchef führt das Gewinnplus auf Synergien sowie die Preispolitik zurück. Im abgelaufenen Quartal konnte LafargeHolcim um 2,2 Prozent höhere Zementpreise durchsetzen. "Wir glauben, dass dies die Glaubwürdigkeit des Managements wieder herstellt", schreibt Josep Pujal, Analyst bei Kepler Cheuvreux, in einem Kommentar. Er verweist zudem darauf, dass der Konzern an der Prognose für 2016 festhält. LafargeHolcim peilt einen Anstieg des bereinigten operativen Gewinns um mindestens einen hohen einstelligen Prozentbetrag an. Zudem sollen die Nettofinanzschulden auf rund 13 Milliarden Franken schrumpfen. Per 30. Juni belief sich die Kennzahl auf 18,1 Milliarden Franken.

Eric Olsen setzt dabei auf Devestitionen. Im ersten Halbjahr hat LafargeHolcim aus dem Verkauf von Geschäftsanteilen mehr als 3,5 Milliarden Franken eingenommen. Bis Jahresende sollen weitere 1,5 Milliarden Franken hinzukommen. Nach mehreren Enttäuschungen stellt der Quartalsbericht einen ersten Lichtblick dar. Da die Gefahr von Rückschlägen aber noch nicht gebannt und der Branchengigant zudem ambitioniert bewertet ist, belassen wir die Einstufung vorerst auf "Beobachten".



Vorfreude auf die Zahlen



Zum Einstieg raten wir bei CRH. Der gemessen am Börsenwert zweitgrößte Baustoffkonzern in Europa präsentiert am 25. August (nach Redaktionsschluss) die Zwischenbilanz. Ende Juli haben die Iren die Prognose für das erste Halbjahr erhöht. Sie rechnen nun mit einem operativen Ergebnis von 1,1 Milliarden Euro. Zuvor hatte das Management knapp eine Milliarde Euro in Aussicht gestellt. In einer kurzen Mitteilung begründet CRH die angepasste Zielsetzung mit dem Geschäftsverlauf zum Ende des zweiten Quartals. Offenbar spielt dem Konzern vor allem die starke US-Konjunktur in die Hände. So wurden in den Vereinigten Staaten im ersten Halbjahr knapp sieben Prozent mehr neue Wohnhäuser in Angriff genommen als im Vorjahreszeitraum. CRH ist den USA der drittgrößte Produzent von Transportbeton und Zuschlagsstoffen und zudem im Asphaltgeschäft führend. Mit dem anvisierten Betrag würde das Unternehmen sein operatives Ergebnis annähernd verdoppeln. Analysten gehen davon aus, dass der Konzern die Gangart im zweiten Halbjahr noch etwas erhöht. Neben dem starken operativen Momentum spricht die Charttechnik für CRH. Die Aktie ist nach oben aus einem Seitwärtstrend ausgebrochen.

Während der Brexit-Schock bei CRH offenbar schon vergessen ist, verhagelte er Wienerberger die Bilanz für das zweite Quartal. Nicht zuletzt wegen der Abwertung des britischen Pfunds schrumpfte das operative Ergebnis des Ziegelherstellers um sechs Prozent auf 138,2 Millionen Euro. So verfehlten die Österreicher die Erwartungen. Damit nicht genug: Wegen der negativen Währungseffekte - neben dem Pfund belastet auch der polnische Zloty - schraubte Konzernchef Heimo Scheuch die Prognose zurück. Vor diesem Hintergrund sollten Anleger den österreichischen Standardwert vorerst nur auf die Beobachtungsliste setzen.