Bayer hielt bisher als einer der letzten europäischen Pharmakonzerne an seinen Wurzeln in der Chemieindustrie fest. Schon seit geraumer Zeit wird aber spekuliert, dass sich der Erfinder von Aspirin, Alka-Seltzer und Matratzen-Schaum von der Kunststoff-Sparte trennen könnte, die knapp 30 Prozent des Konzernumsatzes, aber nur 14 Prozent des operativen Gewinns ausmacht. MaterialScience könne sich als eigenständiges Unternehmen am besten entwickeln, erläuterte Dekkers. Es müsse nicht mehr mit den anderen Sparten um Investitionen bei Bayer konkurrieren, sondern könne sich die Mittel selbst über den Kapitalmarkt besorgen. Offenbar hatte Dekkers auch einen Verkauf durchgespielt: Nach Informationen aus Branchenkreisen scheiterte dies aber an den Preisvorstellungen der Leverkusener. So habe beispielsweise der Spezialchemiekonzern Evonik abgewinkt, sagte ein Insider.
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MEDIKAMENTE UND PFLANZENSCHUTZMITTEL
Übrig bleiben bei Bayer die Geschäfte mit Medikamenten für Mensch und Tier, Vitaminpräparaten, Pflanzenschutzmitteln und Saatgutsorten mit einem Jahresumsatz von rund 29 Milliarden Euro und 99.000 Mitarbeitern. Der Konzern werde auch künftig im Wesentlichen auf "organisches Wachstum" setzen, sagte Dekkers. Doch durch die Abspaltung könnte Bayer die nötigen Mittel erhalten, um etwa den Tiermedizin-Bereich auch durch Zukäufe auf eine kritische Größe zu bringen, hieß es in einer Studie der Analysten von Jefferies. Ein Übernahmeziel könnte etwa die frühere Tiermedizin-Sparte von Pfizer, Zoetis, sein, die der US-Konzern im Frühjahr 2013 an die Börse gebracht hatte. Konkurrent Eli Lilly hatte sich im April den Tiermedizin-Bereich von Novartis gesichert.
Die Kunststoff-Sparte, in der Bayer weltweit Polycarbonat-Produkte für alle möglichen Einsatzgebiete fertigt, leidet seit einiger Zeit unter der zunehmenden Konkurrenz aus Asien. Außerdem sei es nicht gelungen, die gestiegenen Rohstoffkosten in vollem Umfang an die Kunden weiterzugeben, hatte Bayer zuletzt erklärt. Mit einer operativen Umsatzrendite von 9,5 Prozent war MaterialScience 2013 um einiges weniger rentabel als die beiden anderen Bereiche: Bei Healthcare blieben 28 Prozent des Umsatzes als operativer Gewinn hängen, bei CropScience 25,5 Prozent.
Die Analysten von Equinet schätzen den Wert von MaterialScience inklusive Schulden und Pensionsverpflichtungen auf bis zu zehn Milliarden Euro, die Experten der DZ Bank sogar auf elf Milliarden Euro. Mit einem Sparprogramm und dem Abbau von rund 700 Stellen will Bayer die Sparte wieder fitmachen. Dies trägt erste Früchte: Im ersten Halbjahr 2014 verbuchte das Geschäft den kräftigsten Ergebnisanstieg von allen Sparten. Das Fazit der Jefferies-Analysten: "MaterialScience zeigt endlich Anzeichen einer Erholung."
Reuters