Beim Agrarchemie- und Pharmakonzern ist der Wurm drin - und das nicht erst seit den veröffentlichten Zahlen für das zweite Quartal. Bayer bestätigte am Dienstag in Leverkusen zwar den Jahresausblick, bezeichnete ihn aber als "zunehmend ambitioniert". Für 2019 rechnet der Chemieriese mit einem währungs- und portfoliobereinigten Umsatzplus von rund vier Prozent. Das wären dann 46 Milliarden Euro. Der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) soll auf rund 12,2 Milliarden Euro steigen. Bayer sei dennoch operativ auf Kurs, so der Konzernchef Werner Baumann.

Analysten zeigten sich skeptisch. Die Bernstein Research-Experten Gunther Zechmann und Wimal Kapadia bezweifeln, dass die Investoren an den bestätigten Jahresausblick glauben werden. Sie rechnen eher mit sinkenden Gewinnschätzungen des Marktes für 2019.

Insgesamt erhöhte sich das Ebitda von Bayer im Vergleich zum Vorjahresquartal um knapp ein Viertel auf fast drei Milliarden Euro - der Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto im vergangenen Sommer macht sich hier positiv bemerkbar. Das Nettoergebnis brach allerdings um rund die Hälfte auf 404 Millionen Euro ein. Ursache hierfür waren die Kosten für die Integration von Monsanto sowie Abschreibungen auf die verkaufte Fußpflegemarke Dr.Scholl’s. Dazu kommen Aufwendungen für den Konzernumbau, in dessen Zuge tausende Stellen wegfallen - Bayer versucht hier, mit hohen Abfindungen den Jobabbau umzusetzen. Der Umsatz stieg währungs- und portfoliobereinigt um rund ein Prozent auf 11,5 Milliarden Euro.

Schwächelndes Agrargeschäft belastet


Das knappe Umsatzplus lässt sich durch das schwächelnde Agrargeschäft erklären und stimmt Bayer für das laufende Jahr vorsichtiger. Viel Regen und Überschwemmungen in weiten Teilen des Mittleren Westens der USA drückten den Umsatz der Agrarsparte wechselkursbereinigt um fast zehn Prozent. Dadurch schrumpfte die Nachfrage nach Soja- und Maissaatgut - ein wichtiges Geschäftsfeld für die Bayer-Tochter Monsanto. Hinzu kommt noch die Trockenheit in weiten Teilen Europas sowie Kanada.

Analysten hatten bereits mit einem schlechten Abschneiden des Agrargeschäfts gerechnet. Das Wetter sowie die Geschäftszahlen von Bayer-Konkurrenten hätten darauf schließen lassen, schrieb JPMorgan-Analyst Richard Vosser. Allerdings sei das operative Ergebnis noch schlechter ausgefallen als gedacht.

Glänzen konnten die Leverkusener hingegen im Geschäft mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Das operative Ergebnis in der Pharmasparte stieg - auch wegen Kostensenkungen - um zehn Prozent auf 1,5 Milliarden Euro. Besonders stark waren hier die Wachstumstreiber Xarelto, ein Gerinnungshemmer und das Augenmedikament Eylea. Auch das Krebsmittel Stivarga verzeichnete eine hohe Nachfrage.

Das kleine Geschäft mit Tierarzneien könnte im Zuge des Umbaus zum Verkauf stehen. Die Animal-Health-Sparte könnte Bayer viel Geld in die Kasse spülen: Spekulationen reichten zuletzt bis zu acht Milliarden Euro.

Dauerthema: Glyphosat-Prozesse


Überschattet wird das Geschäft von Bayer von der Klagewelle wegen des glyphosathaltigen Unkrautvernichters "Roundup". Hier sieht sich der Dax-Konzern mit 18.400 Klagen in den USA konfrontiert - das sind 5.000 mehr als noch zur Hauptversammlung im April.

Bereits drei Prozesse hat
Bayer mittlerweile in den USA verloren. Die Richter hatten die geforderten Strafen zwar deutlich reduziert, der im Raum stehende Schadenersatz liegt aber jeweils immer noch im hohen zweistelligen Millionen-Dollar-Bereich. Wie zuletzt im Mai: Hier zahlte der Agrarchemiekonzern eine 86,7 Millionen Dollar Strafe.

Die Leverkusener vertreten weiterhin einen klaren Standpunkt: Glyphosat sei bei richtiger Anwendung sicher. 800 wissenschaftlichen Studien zufolge - darunter auch unabhängige Untersuchungen - würden bestätigen, dass Glyphosat nicht krebserregend sei, verteidigte sich Bayer. Doch der Einsatz von Glyphosat ist hochumstritten: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hatte die Chemikalie 2015 als "wahrscheinlich krebserregend für den Menschen" eingestuft.

So könnte es weiter gehen


Alle drei Prozess-Urteile wurden angefochten, Bayer will vor Berufungsgerichte ziehen. Ein Richter, bei dem Hunderte Klagen gebündelt sind, drängt zu einer einvernehmlichen Lösung und bestellte mit dem US-Staranwalt Ken Feinberg einen Mediator. Der Richter zielt also auf einen Vergleich ab. Das würde Analysten zufolge Bayer Milliarden kosten. Aber: Damit wäre die Glyphosat-Thematik vom Tisch. Konzernchef Baumann zufolge würde er einem Vergleich nur zustimmen, wenn er finanziell angemessen ist und der gesamte Rechtsstreit damit endgültig beigelegt werden könnte.

Einige Börsianer halten es sogar für möglich, dass Bayer einen Fall bis zum obersten US-Gerichtshof ("Supreme Court") bringt, um dort auf Entlastung zu hoffen. Das wäre eine hochriskante Entscheidung, könnte allerdings auch der große Befreiungsschlag für den Konzern sein.

Auch ein anderer Ausgang möglich?


In die Glyphosat-Frage könnte sich nun ein prominenter Name einmischen. Seit Ende Juni ist bekannt, dass der für sein aggressives Einmischen bekannte Hedgefonds Elliott bei Bayer eingestiegen ist. Hinter Elliott steht der US-Milliardär Paul Singer, der bekannt dafür ist, Aktionärsaufstände anzuzetteln, wenn er seinen Willen nicht bekommt.

Derzeit zeigt sich der Investor zahm und lobt sogar die jüngsten Schritte von Bayer. Doch wie lange Singer ruhig bleiben wird, ist offen. Er machte bereits deutlich, dass er langfristig mehr Rendite erwarte und drohte im Hintergrund bereits mit vagen Forderungen, den Konzern zu zerschlagen.

Einschätzung der Redaktion


Die gebeutelten Bayer-Aktionäre hatten am Dienstag verstimmt auf die Zahlen reagiert. Der Aktienkurs des Agrarchemie- und Pharmakonzerns sackte kurz nach dem Handelsstart auf bis zu 56,75 Euro ab. Zum Mittag notiert das Papier mit fast vier Prozent im Minus und zählt damit zu den Verlierern im Dax.

Die Marktkapitalisierung des Chemieriesen sank seit der ersten Prozessniederlage vor knapp einem Jahr um rund 40 Prozent oder gut 34 Milliarden Euro. Damit ist der Dax-Konzern an der Börse mit rund 53 Milliarden Euro inzwischen weniger wert als nach heutigen Kursen umgerechnet für Monsanto gezahlt wurde.

Charttechnisch ist die Bayer-Aktie stark angeschlagen und befindet sich in einem Abwärtstrend. Seit dem Rekordhoch von 146,45 Euro im Frühjahr 2015 fiel das Papier des einst wertvollsten börsennotierten deutschen Konzerns um mehr als 60 Prozent. Aktuell liegt Bayer bei der Marktkapitalisierung noch auf dem neunten Platz im Dax.

Anleger sollten weiterhin auf der Hut sein. Die Aktie hat sich noch lange nicht stabilisiert, was auch der erneute Kursrutsch beweist. Die kommenden Glyphosat-Prozesse stellen ein erhöhtes Risiko dar.

Wir bleiben bei unserer Empfehlung: Halten. Bereits investierten Anlegern raten wir, die Bayer-Aktie weiterhin zu beobachten. Neuinvestoren sollten das Papier meiden.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 63,00 Euro
Stoppkurs: 43,00 Euro
Mit Material von dpa-AFX