Der Pharma- und Agrarchemiekonzern hat vier Experten als Zeugen benannt, die an Universitäten in Missouri tätig sind. Zudem werde Bayer seine Bedeutung als wichtiger lokaler Arbeitgeber betonen, erwarten Rechtsexperten. Allerdings sind die Jurys in dem US-Bundesstaat auch dafür bekannt, Unternehmen zu hohen Schadenersatzzahlungen zu verdonnern.

Vergangene Woche kündigte Bayer an, 500 weitere "hochbezahlte" Jobs im Großraum St. Louis schaffen zu wollen. Dort zählt Monsanto nach eigenen Angaben bislang 5400 Vollzeitjobs. In St. Louis, wo die Bayer-Tochter 1901 gegründet wurde und die Landwirtschaft zu den wichtigsten Industriezweigen zählt, wird voraussichtlich am 19. August das nächste Glyphosat-Verfahren beginnen. Zum ersten Mal wird sich dann eine Jury außerhalb Kaliforniens mit einer Klage wegen der angeblich krebserregenden Wirkung von Glyphosat beschäftigen. Gordon erklärte, bei ihr sei Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert worden, nachdem sie Roundup rund 14 Jahre lang zuhause eingesetzt hatte. Bayer hat stets bestritten, dass Glyphosat Krebs verursacht.

Der Dax-Konzern sieht sich nach der 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des US-Konzerns Monsanto mit über 13.400 Klagen konfrontiert, der Aktienkurs ist abgestürzt. Viele Experten gehen letzten Endes von einem teuren Vergleich aus. Bislang ist die Verhandlungsposition der Leverkusener aber denkbar schlecht: Drei Fälle landeten bisher vor Gericht, alle hat das Unternehmen verloren. Bayer hat Berufung gegen die Urteile eingelegt oder angekündigt. Nun hofft die Monsanto-Mutter in St. Louis auf eine Wende.

Der Konzern verweist auf Studien, die Glyphosat als nicht gesundheitsschädigend einstufen. Man freue sich darauf, die wissenschaftlichen Erkenntnisse den Geschworenen zu präsentieren, erklärte Bayer. Die Fachleute im Verfahren in St. Louis seien nicht wegen ihrer Verbindungen zu Missouri, sondern wegen ihrer Expertise als Zeugen ausgewählt worden.

NEUE ZEUGEN


Bayer hat in Gerichtsdokumenten argumentiert, die Geschworenen in Kalifornien seien durch Medienberichte in unlauterer Weise beeinflusst worden. Zudem hätten sie eine negative Grundeinstellung gegenüber Monsanto - unter anderem, weil der Konzern genmanipuliertes Saatgut entwickelt hat. Die von Bayer aufgebotenen Experten bei den Verfahren in Kalifornien kamen größtenteils von außerhalb des Bundesstaats.

In dem Verfahren in St. Louis wollen die Leverkusener 14 Wissenschaftler als Experten aufbieten. Keiner davon hat in einem der bisherigen Glyphosat-Verfahren ausgesagt. Bayer scheine auf lokale Experten zu setzen, um die Geschworenen anzusprechen, sagte David Noll, Juraprofessor an der Rutgers Law School im Bundesstaat New Jersey. "Sie werden nicht als Söldner angesehen, die aus der Ferne einfliegen, sondern als Menschen, die den lokalen Geschworenen den Fall auf eine verständliche Art und Weise erklären können."

Von den mehr als 13.400 Klagen gegen den Unkrautvernichter wurden rund drei Viertel bei Gerichten in St. Louis eingereicht, wie Kläger-Anwälte sagten. Die Gerichte dort sind dafür bekannt, Unternehmen zu hohen Schadenersatzzahlungen zu verdonnern. Sie sind dafür wiederholt von Unternehmensverbänden kritisiert worden. Aus Sicht der Kläger haben Gerichtsverhandlungen am Monsanto-Sitz in St. Louis noch einen weiteren Vorteil: Aufgrund der Verfahrensregeln können sie Manager, die vor Ort arbeiten, zwingen, persönlich vor Gericht zu erscheinen und auszusagen. Bei den Verfahren in Kalifornien sahen die Geschworenen dagegen nur Video-Aufzeichnungen ihrer Zeugenaussagen.

Lokalpatriotismus kann durchaus in die Hände von Unternehmen spielen. Der Pharmakonzern Merck aus New Jersey sah sich Anfang der 2000er-Jahre mit Tausenden Klagen wegen seines Schmerzmittels Vioxx konfrontiert. Mehrere Verfahren in New Jersey gingen zugunsten des US-Konzerns aus. Klägeranwälte führten dies damals auf die starken Verbindungen von Merck in dem Bundesstaat zurück. Letztendlich legte Merck 2013 rund 27.000 Vioxx-Klagen gegen eine Zahlung von 4,85 Milliarden Dollar bei.

rtr