Bayer-Aktionäre können es mittlerweile wohl nicht mehr hören: Erneut drücken milliardenschwere Abschreibungen im Agrargeschäft und Rückstellungen für Rechtsstreitigkeiten Bayer tief in die roten Zahlen. 2020 verbuchte der Dax-Konzern einen Verlust von 10,5 Milliarden Euro, wie die Leverkusener am Donnerstag mitteilten. 2019 stand hier noch ein Gewinn von 4,1 Milliarden Euro.

Deutliche Einbußen, vor allem zum Jahresende, musste der Pharma-Riese in der Agrarsparte sowie im Geschäft mit rezeptfreien Gesundheitsprodukten hinnehmen. Im vierten Quartal schrumpfte der bereinigte Betriebsgewinn (Ebitda) um mehr als drei Prozent auf 2,39 Milliarden Euro und verfehlte damit die Analystenerwartungen, die im Schnitt mit 2,45 Milliarden Euro rechneten. Im Gesamtjahr lag er mit 11,46 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau.

Erschwerend kommen negative Wechselkurseffekte hinzu. Der Umsatz im abgelaufenen Geschäftsjahr sank deshalb um fünf Prozent auf 41,4 Milliarden Euro.

Und es wird noch härter ...


Für Aktionäre kommt es neben den schwachen Jahreszahlen auch noch zu einer gekürzten Dividende. Sie sollen laut einer Mitteilung 2,00 Euro je Anteilsschein erhalten, nach 2,80 Euro im Vorjahr. Auf dem aktuellen Kursniveau bedeutet das aber immer noch eine Dividendenrendite von rund 3,6 Prozent.

Auch für das laufende Geschäftsjahr wird Konzernchef Werner Baumann vorsichtiger. Bayer rechnet 2021 bereinigt um Währungseffekte mit einem Umsatz von etwa 42 bis 43 Milliarden Euro. Das bereinigte Ebitda läge dann bei 11,2 bis 11,5 Milliarden Euro.

Rechtsstreit in den USA soll abgehakt werden


Nach dem durchwachsenen Jahr möchte Bayer nun die Glyphosat-Klagen endgültig vom Tisch haben. Seit langem lasten die Streitigkeiten auf der Bilanz des Konzerns. Anfang Februar erreichte das Pharmaunternehmen einen entscheidenden Schritt im milliardenschweren Vergleich rundum angebliche Krebsrisiken des glyphosathaltigen Unkrautvernichters Roundup. Für die Gültigkeit des Deals fehlt aber noch die Zustimmung des Richters.

Bestandteil der Einigung ist ein Fonds, aus dem in Frage kommende künftige Kläger zunächst in den kommenden vier Jahren Kompensationszahlungen erhalten sollen. Außerdem soll ein wissenschaftliches Beratungsgremium eingerichtet werden, dessen Erkenntnisse zwar nicht rechtlich bindend wären, in künftige Gerichtsverfahren mit Klägern dieser Gruppe aber als Beweismittel einfließen könnten.

Sollte der Richter den neuen Vorschlägen zustimmen, könnte Bayer wahrscheinlich endlich den Großteil der US-Rechtsstreitigkeiten abhaken. Eine teure Angelegenheit: Das Vergleichspaket würde die Leverkusener bis zu rund 11,6 Milliarden Dollar (fast zehn Milliarden Euro) kosten, inklusive der bis zu 9,6 Milliarden Dollar für bestehende Klagen.

Blick nach vorne


Um sich dieser Flut an negativen Belastungen zu stellen, soll noch mehr gespart werden. Zusätzlich zum bereits laufenden Programm - dieses soll die jährlichen Kosten ab 2022 um 2,6 Milliarden Euro drücken - sollen ab 2024 pro Jahr mehr als 1,5 Milliarden Euro wegfallen.

Daneben steckt Bayer einiges an Geld in das Geschäft mit Gen- und Zelltherapie. Damit versucht der Dax-Konzern bereits jetzt auslaufende Patente in verschiedenen Ländern zu kompensieren. Denn in den kommenden Jahren laufen nach und nach Patente für die Gerinnungshemmer Xarelto und Eylea aus. Konkurrenten können dann Nachahmermedikamente verkaufen.

Zudem trennt Bayer sich von einem Teil seines Agrargeschäfts. Der Geschäftsbereich Environmental Science soll verkauft werden. Environmental Science bietet Produkte zur Bekämpfung von Schädlingen, Krankheiten und Unkräutern in nicht-landwirtschaftlichen Bereichen an. Mit dem Schritt will sich der Leverkusener Pharma- und Agrarchemiekonzern noch stärker auf das Kerngeschäft mit Kunden aus der Landwirtschaft konzentrieren.

Unsere Einschätzung zur Bayer-Aktie


Die Bayer-Aktie scheint keinen Boden zu finden. Nach dem Milliardenverlust im abgelaufenen Jahr und der Zinssenkung rutschte das Papier nach Börsenstart um 1,6 Prozent ans Dax-Ende ab.

Charttechnisch betrachtet trieben die Hoffnungen auf eine Glyphosat-Einigung den Kurs zuletzt zu einer zaghaften Erholung an. Erst Ende Oktober war die Bayer-Aktie knapp unter die 40 Euro-Marke gerutscht. So wenig kostete das Papier zuletzt im September 2011. Seit diesem Neunjahrestief hat sich der Kurs mittlerweile um mehr als ein Drittel auf etwas mehr als 53 Euro erholt.

Seit dem ersten Glyphosat-Urteil gegen Bayer im August 2018 beläuft sich das Kursminus immer noch auf fast 43 Prozent, von dem im Frühjahr 2015 erreichten Rekordhoch von 146,45 Euro aus gerechnet ging es sogar um rund 63 Prozent abwärts. Der deutsche Leitindex Dax stieg in diesem Zeitraum um mehr als elf Prozent.

Immerhin hat es Bayer mit der jüngsten Kurserholung in Sachen Börsenwert wieder ins Mittelfeld des deutschen Leitindex geschafft. Aktuell bringen die Leverkusener knapp 53 Milliarden Euro auf die Börsenwaage.

Wir bleiben bei unserer Kaufen-Empfehlung. Werden mit der gerichtlichen Bestätigung des Vergleichs alle Belastungen umfassend abgedeckt, könnte die Aktie ein Comeback starten. Allein zu den Kursen vor dem Scheitern des letzten Kompromisses Mitte 2020 hat die Aktie mehr als 25 Prozent Luft nach oben. Und das Aufholpotenzial geht weit darüber hinaus.

In der Pharmapipeline gibt es Fortschritte, und mit dem Bereich Gen- und Zelltherapie baut der Konzern ein spannendes Standbein auf. Letztlich dürfte dank gestiegener Preise für Agrarrohstoffe die Nachfrage nach Dünger und Saatgut zunehmen. Ist das der Fall, verdient auch die stark gebeutelte Agrarchemiesparte wieder ordentlich. Die Aktie ist wegen des unkalkulierbaren juristischen Restrisikos allerdings hoch spekulativ.



Mit Material von dpa-AFX/jl/rtr