Von den Jahreszielen muss sich Vorstandschef Werner Baumann wegen der Corona-Krise verabschieden. Der Konzern habe mit "schwierigen Rahmenbedingungen" zu kämpfen, räumte er am Dienstag ein. Das Pharmageschäft bringt nicht die erwarteten Umsätze ein, da wegen der Pandemie nicht notwendige Behandlungen verschoben wurden. Aber auch in der Agrarsparte sinkt die Nachfrage.
Bayer-Aktien fielen um mehr als drei Prozent und waren größter Verlierer im Dax. Im Rechtsstreit wegen des angeblich krebserregenden Unkrautvernichters Roundup, der den Aktienkurs schwer belastet hatte, hatte sich Bayer Ende Juni mit einem Großteil der Kläger geeinigt. Für den Vergleich und mögliche künftige Fälle werden insgesamt bis zu 10,9 Milliarden Dollar fällig. Die Klagewelle hatte sich Bayer mit der rund 63 Milliarden Dollar teuren Übernahme des Glyphosat-Entwicklers Monsanto eingehandelt. Zuletzt stieg die Zahl der Glyphosat-Kläger in den USA auf 56.200, rund 3700 mehr noch als Mitte April.
AUCH VERGLEICH BEI ESSURE RÜCKT NÄHER
Aber auch im Pharmageschäft sieht sich der Konzern mit einer Klagewelle wegen seiner umstrittenen Sterilisationsspirale Essure konfrontiert. Etwa 32.000 Anwenderinnen des Verhütungsmittels werfen Bayer vor, wegen Essure Gesundheitsschäden erlitten zu haben. Da das Unternehmen auch in diesem Fall einem Vergleich näher kommt, wurden Rückstellungen gebildet, wodurch Sonderaufwendungen von 1,245 Milliarden Euro im Pharmageschäft anfielen. Insgesamt summieren sich die Sonderaufwendungen im zweiten Quartal auf 12,5 Milliarden Euro, wovon der Löwenanteil aber auf den Glyphosat-Vergleich entfällt.
Auf der Kippe steht jedoch ein wichtiger Teil des Vergleichspakets, denn der zuständige US-Bezirksrichter Vince Chhabria hatte Zweifel an dem Vorschlag für den Umgang mit künftigen Klagen geäußert. Dieser sah unter anderem die Einrichtung eines unabhängigen Wissenschaftsgremiums vor, das entscheiden sollte, ob und zu welchen Mengen Roundup Krebs verursacht. Bayer zog darauf Anfang Juli seinen Antrag auf vorläufige Genehmigung dieser Vereinbarung zurück.
Zum Stand der Dinge äußerte sich der Vorstand nicht und erklärte nur, Bayer setze sich weiter für eine Lösung ein, die sowohl die aktuellen Rechtsstreitigkeiten "zu vernünftigen Bedingungen" beilegt als auch die Führung und Beilegung möglicher künftiger Klagen "in tragfähiger Weise" regelt. Erschwerend kommt für den Konzern hinzu, dass er vor kurzem das erste Glyphosat-Berufungsverfahren in den USA verloren hat. Zwar reduzierte das zuständige Gericht den Schadenersatz im sogenannten Johnson-Fall um fast drei Viertel. Gleichzeitig kam es aber zu dem Schluss, dass der Kläger "reichlich" Belege dafür geliefert habe, dass seine Krebserkrankung durch Glyphosat und andere Substanzen in Roundup ausgelöst worden sei. Bayer will nun möglicherweise vor das Oberste Gericht Kaliforniens ziehen.
CORONA DURCHKREUZT JAHRESZIELE
Die Prognose für 2020 senkte Bayer, nachdem der Konzern im April erklärt hatte, dass die Auswirkungen der Pandemie auf die Jahresziele noch unklar seien. Der Vorstand rechnet nun mit einem währungsbereinigten Umsatzanstieg von bis zu einem Prozent auf 43 bis 44 (bisher: 44 bis 45) Milliarden Euro und einem bereinigten Betriebsgewinn (Ebitda) von 12,1 (bisher: 12,3 bis 12,6) Milliarden. Im zweiten Quartal setzte Bayer 10,05 Milliarden Euro um, ein Rückgang von währungsbereinigt 2,5 Prozent. Der bereinigte Betriebsgewinn stieg dank Zuwächsen im Agrargeschäft um 5,6 Prozent auf 2,88 Milliarden Euro. Das Pharmageschäft schrumpfte dagegen, da angesichts der Pandemie nicht notwendige Behandlungen verschoben wurden.
Einbußen verzeichnete Bayer vor allem mit dem Augenmittel Eylea, auch der Umsatz mit Hormonspiralen brach ein. Zwar erwartet der Konzern im Jahresverlauf eine Normalisierung des Pharmageschäfts, das erwartete Wachstum wird aber nicht erreicht. Das gilt auch für den Saatgut- und Pflanzenschutzmarkt, wo die Pandemie die Nachfrage nach Biokraftstoffen drückt und Bayer unter dem anhaltenden Wettbewerb im Sojabohnenmarkt leidet.
rtr