DAS IST LOS BEI BECHTLE:

Eigentlich ging das Jahr gut los für Bechtle. Im Februar wurde Bilanz gezogen für das Corona-Jahr 2020 in dem Umsatz und Vorsteuerergebnis ordentlich zulegten. Unter dem Strich verdiente das Unternehmen mit etwas mehr als 190 Millionen Euro knapp 13 Prozent mehr. Ein klassischer Corona-Profiteur. Und bei der Vorlage der Quartalszahlen im Mai zeigte sich, dass der Jahresauftakt gelungen ist. Mit Blick auf die Geschäftsentwicklung, sieht also erstmal alles unauffällig aus und doch ist die Stimmung nicht mehr so gut wie noch 2020.

Denn Vorstandschef Thomas Olemotz schob bei der Vorlage der Jahreszahlen direkt mal vor, dass es durchaus ein ambitioniertes Ziel sei, die Marge auf Basis des Gewinns vor Steuern dieses Jahr auf dem Vorjahresniveau von 4,7 Prozent zu halten.

Umsatz und Vorsteuerergebnis wolle man aber "deutlich" steigern und meint damit ein Wachstum im hohen einstelligen Prozentbereich. Analysten hatten aber eher mit einem niedrigen zweistelligen Plus gerechnet. Zudem verwies Olemotz, dessen Vertrag im Februar um fünf Jahre bis 2026 verlängert wurde, wegen der angespannten Liefersituation in der gesamten IT-Branche auf die Unsicherheiten für dieses Jahr - und auch auf die ungewisse Entwicklung der Pandemie.

Diese verhaltene Perspektive enttäuschte die Aktionäre, aber im Laufe des ersten Quartals erholte sich der Kurs zunächst wieder. Als Olemotz seine Vorsicht bei den Quartalszahlen im Mai aber mit den Worten "die Unwägbarkeiten waren selten so hoch wie derzeit" nochmal wiederholte, stieß er damit die Märkte erneut vor den Kopf.

Dabei wuchsen im ersten Quartal Umsatz und Ergebnis schneller als in der Jahresprognose veranschlagt. Für sich genommen hätten die Zahlen auch eine Prognoseerhöhung gerechtfertigt, räumte Olemotz ein. Er bleibe aber vorsichtig.

Nun gelten die Schwaben traditionell als konservativ, sodass die Aktionäre im vergangenen Jahr kräftig Vorschusslorbeeren gaben. Doch die wiederholt zurückhaltende Kommunikation in Verbindung mit der anhaltenden Knappheit zum Beispiel am Halbleitermarkt scheint auch die Aktionäre nun verhaltener werden zu lassen.

Bechtle vertreibt IT-Produkte und bietet Dienstleistungen sowie Beratungen rund um IT-Infrastruktur in Firmen und Behörden an. 1983 als Ein-Mann-Unternehmen gegründet, beschäftigt der Konzern zum Jahresende 2020 knapp 12 200 Mitarbeiter, davon mehr als zwei Drittel in Deutschland. Das baden-württembergische Unternehmen zeichnet sich zudem durch viele Zukäufe aus. 2020 wurde laut Bechtle mit Dataformers der 100. Firmenkauf verzeichnet.

DAS MACHT DIE AKTIE:

Für Bechtle-Investoren brachte der bisherige Jahresverlauf mit Verlusten eher Ungewohntes. Die Aktie gehört im bisherigen Jahresverlauf mit einem Minus von rund neun Prozent zu den Verlierern im MDax. Damit ist die Aktie von ihrem Rekord von etwas mehr als 190 Euro im vergangenen November inzwischen rund 15 Prozent entfernt.

Nach unten ging es zuletzt immer bei der Vorlage von Quartalszahlen - und das lag nach Einschätzung von Experten auch an der vorsichtigen Kommunikation des Managements. Zudem waren die Zahlen selbst zwar gut, konnten aber wegen der inzwischen hohen Bewertung keinen weiteren Schwung verleihen. Immerhin konnte die Bechtle-Aktie 2020 mehr als 40 Prozent zulegen; das Jahr davor waren es sogar mehr als 80 Prozent.

In ihrer jetzt etwas mehr als 21-jährigen Börsengeschichte gab es für die Bechtle-Aktionäre ohnehin nur sechs Jahre, in denen sie einen Verlust hinnehmen mussten. Das Unternehmen wurde im März 2000 zum Höhepunkt des Booms von Technologieaktien für 27 Euro an die Börse gebracht - bereinigt um den 2017er-Aktiensplit betrug der Ausgabepreis 13,50 Euro.

Der Kurs legte seitdem um rund 1100 Prozent zu - dazu kam noch eine meist steigende Dividende. Zuletzt schüttete Bechtle 1,35 Euro je Aktie aus. An der Börse ist das Unternehmen derzeit mit fast sieben Milliarden Euro bewertet. Größter Profiteur ist Unternehmens-Mitgründer Gerhard Schick, dessen Familie immer noch 35 Prozent der Anteile hält. Das Paket ist derzeit rund 2,4 Milliarden wert.

Um den Handel der Aktien liquider und für Kleinanleger attraktiver zu machen, will Bechtle die Aktie wie 2017 optisch billiger machen. Dazu sollen im August, für jede bestehende Aktie zwei weitere Gratisaktien ausgegeben werden. Damit werde sowohl das Grundkapital als auch die Zahl der ausgegebenen Aktien verdreifacht. Der Kurs drittelt sich rechnerisch dementsprechend.

Mit der Marktkapitalisierung liegt Bechtle deutlich über derjenigen des Münchener Konkurrenten Cancom (CANCOM SE). Dieser ist ebenfalls im MDax notiert und kommt auf einen Börsenwert von knapp zwei Milliarden Euro. Gemessen an dem für 2021 erwarteten Gewinn je Aktie kommen beide Titel allerdings auf die gleiche Bewertung - einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von etwas mehr als 30.

Mit Blick auf die Kursentwicklung wäre Cancom in diesem Jahr bislang die bessere Wahl gewesen - schließlich legte der Kurs der Münchener seit Ende 2020 rund zwölf Prozent zu, während die Bechtle-Notierung sank. Auf Sicht von fünf Jahren hat aber Bechtle mit einem Plus von 230 Prozent die Nase vorne. Cancom ist wenige Monate vor Bechtle an die Börse gegangen. Das Kursplus seit dem Börsenstart beträgt rund 1600 Prozent und damit etwas mehr als das bei Bechtle.

DAS SAGEN ANALYSTEN:

Die im dpa-AFX Analyser seit Mai erfassten sechs Experten sehen bei Bechtle nach den jüngsten Verlusten wieder Luft nach oben. Während der Rekordhöhen Ende 2020 sahen nur noch wenige Analysten Potenzial. Aktuell raten vier zum Kaufen, zwei zum Halten. Dabei liegt das durchschnittliche Kursziel in den Regionen des Rekordhochs. Der Mittelwert der Ziele liegt bei knapp 184 Euro, wobei die Spanne von 170 bis 194 Euro reicht.

Baader-Bank-Analyst Knut Woller rechnet mit prozentual zweistelligem Umsatzwachstum im zweiten Quartal. Martin Jungfleisch von der Investmentbank Kepler Cheuvreux schließt auch eine Anhebung der Jahresziele nicht aus. Die meisten Analysten blieben auch nach der Veröffentlichung der Zahlen zum ersten Quartal Mitte Mai bei ihren vorangegangenen Einschätzungen.

Der Tenor der Studien ist gut, die Zahlen hätten die Erwartungen übertroffen, allerdings zeigen sich die Analysten mit Blick auf Probleme beim IT-Service und die Lieferengpässe nicht übermäßig euphorisch.

Das sieht Mirko Maier von der LBBW anders. Er kürte Bechtle jüngst zur Aktie des Monats im Juni und argumentiert in seiner Studie, dass der anstehende Aktiensplit und die "für einen Technologiewert vergleichsweise attraktive Dividendenrendite" von knapp einem Prozent im vergangenen Jahr für den Kauf sprechen. Zudem sieht Maier Bechtles Ziel, bis 2030 einen Umsatz von 10 Milliarden Euro zu erreichen, als nicht zu ambitioniert an.

dpa-AFX