Mit Stahlaktien war in den vergangenen Jahren wahrlich kein Staat zu machen. Im Gegenteil: In der Regel setzte es schwere Verluste. Seit Ende September hat wie in anderen Bereichen des Rohstoffsegments aber auch hier eine scharfe Erholungsbewegung eingesetzt.
Geht es nach der Berenberg Bank, dann könnte es sich bei einigen ausgewählten Stahlunternehmen lohnen, länger am Ball zu bleiben. Im Zuge einer Ersteinschätzung des Sektors geht der zuständige Analyst Alessandro Abate von einem sich im kommenden Jahr verbessernden Geschäftsumfeld aus. Diese stütze die Aussicht auf anziehende Margen, eine Prognose, die sich wiederum mehr auf sinkenden Fixkosten als auf die Erwartung steigender Stahlpreise stützt.
Die Preise für die Rohmaterialien könnte fallen dank des steigenden Eisenerzangebots bei gleichzeitig vermutlich sinkender Stahlnachfrage aus China, Druck auf den Schrottpreisen durch voraussichtlich unveränderte Stahlexporte aus China im kommenden Jahr und den schweren Rezessionen in Russland und Brasilien, die zu Stahlexporten zu Dumpingpreisen aus diesen beiden Ländern führen. Gleichzeitig dürfte sich aber die Nachfrage nach Stahl erhöhen und die implementierten Restrukturierungsprogramme dürften Wirkung zeigen.
Für den Bereich dürften auch Bewertungen sprechen, die ihren Boden praktisch gesehen haben dürften. Abzuwarten bleibt ansonsten, was aus den von Stahlkonzernen aus den USA und Europa angestrengten Klagen gegen Stahlexporte zu Dumping-Preisen wird. Nach Ansicht von Abate sollte der Einfluss auf die Preise dadurch zunächst so oder so begrenzt bleiben.
Eine unbekannte Einflussvariable bleibt die Wechselkursschiene. Sollte der chinesische Renminbi weiter abwerten, könnte davon Druck auf die Stahlpreise ausgehen und die Rohmaterialien ausgehen, während ein schwacher Dollar die Rohmaterialien stützten sollte.
Die Berenberg Bank hat fünf der acht beobachteten Stahlunternehmen als Kauf eingestuft. Ein Titel steht auf Verkaufen, wobei es sich dabei mit Klöckner & Co SE (WKN: KC0100, 7,94 Euro) um einen deutschen Titel handelt. Das Kursziel lautet hier 6,00 Euro, wobei Abete die strukturellen Gewinnaussichten gefährdet sieht durch das begrenzte Aufwärtspotenzial für die Stahlpreise und den niedrigen Rohmaterialienpreise. Unter den fünf Kaufempfehlungen, zu denen wir auf den nachfolgenden Seiten mehr erfahren, befinden sich aber auch zwei deutsche Titel. Das Kurspotenzial der fünf Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten reicht dabei bis zu 60 Prozent.
Auf Seite 2: Was ArcelorMittal taugt
Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten Nummer fünf: ArcelorMittal S.A.
(WKN: A0M6U2, 5,466 Euro, alle Kurs- und Bewertungsangaben beziehen sich auf den Stand vom 19. Oktober)
Einfach nur als katastrophal ist die Kursentwicklung bei ArcelorMittal zu bezeichnen. Nach der Schaffung des Konzerns im Jahr 2007 aus 2007 aus der Fusion der niederländischen Mittal Steel Company und dem luxemburgischen Konzern Arcelor hat sich der Aktienkurs von einem im Jahr 008 markierten Hoch bei 62,81 bis auf ein erst Anfang Oktober aufgestelltes Rekordtief von 4,48 Euro zurückgebildet. Von diesem Tief hat sich die Notiz zwar wieder etwas erholt, der Chart sieht aber nach wie vor erschreckend schlecht aus.
Interessant dabei ist, dass selbst besser als erwartet ausgefallene Quartalszahlen im zweiten Quartal dem Kurs nicht geholfen haben. Schwerer als der verbuchte Quartalsgewinn wog folglich die bei der Zahlenvorlage abgegebene Warnung des Unternehmens, wonach ein höherer Wettbewerb im Stahlsektor ausgehend von Importen aus Russland und China zunehmend Probleme bereitet.
Beim Versuch gegenzusteuern, verkleinert sich der Konzern in den USA, während das Geschäft in Europa sogar ausgebaut werden soll. Das hat sicherlich mit der Stärke des europäischen Automobilbereichs zu tun, der zu den größten Stahlkunden zählt. ArcelorMittal selbst kommt im europäischen Automobilmarkt auf einen Marktanteil von 50 Prozent. Um noch mehr von der Autoindustrie zu profitieren, investierte ArcelorMittal große Summen in die Entwicklung neuer, leichterer Stahlsorten und baute Verzinkungsanlagen, während anderswo in Europa neun Stahlwerke geschlossen wurden.
Das Unternehmen entwickelt außerdem Alternativen zu den traditionellen, integrierten Stahlwerken. Stattdessen soll ein Netzwerk aus Werken und Fabriken entstehen, die mit Lkw und über die Schiene verbunden sind.
Die Berenberg Bank gründet ihre Kaufempfehlung für den weltgrößten Stahlkocher auch auf anziehende Volkswirtschaften in den USA und Europa, wohin ArcelorMittal rund 75 Prozent der eigenen Stahlproduktion liefert. Denkbar seien unter anderem wieder steigende Kapazitätsauslastungen und ökonomische Vorteile durch Restrukturierungsmaßnahmen.
Aus Bewertungsüberlegungen heraus wird das Kursziel auf Sicht eines Jahres auf 7,50 Euro beziffert. Unterstellt wird dabei ein als gerechtfertigt eingestuftes Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITDA von 6,5 für 2016. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis wird derzeit auf 0,2 beziffert. Das Kurspotenzial beläuft sich auf 37,2 Prozent.
Auf Seite 3: Die Einschätzung zu Steel Dynamics
Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten Nummer vier: Steel Dynamics Inc.
(WKN: 903772, 18,10 Dollar, 15,785 Euro)
Der Aktienkurs von Steel Dynamics wurde zuletzt von einer Gewinnwarnung für das dritte Quartal etwas in Mitleidenschaft gezogen, insgesamt hat sich die Notiz aber sehr viel besser geschlagen als die von ArcelorMittal. Seit November 2008 hat der Titel sogar spürbar zugelegt, was im Stahlsektor durchaus eine vorzeigbare Leistung ist.
Frei von Sorgen ist aber natürlich auch Steel Dynamics nicht. Alleine schon deshalb nicht, weil auf dem US-Markt ein Überangebot durch hohe Importe besteht und die Stahlpreise in diesem Jahr auch deshalb schon deutlich gefallen sind.
Die Berenberg Bank setzt dennoch auf den Wert, wobei Analyst Abate gleich mehrere Gründe gefunden hat, die aus seiner Sicht eine Kaufempfehlung rechtfertigen. Durch den Kauf eine Stahlwerkes im Bundesstaat Mississippi im September 2014 gebe es Wachstumsphantasie, weitere Zukäufe seien nicht ausgeschlossen, mit Hilfe von Investitionen werden ständig an der Qualität des Produktmischung gefeilt und es werde ein solider freier Cashflow generiert, mit dessen Hilfe die Anleger belohnt werden könnten.
Gelobt werden außerdem das breite Produktportfolio sowie die sehr variable Cash-Kosten-Struktur. Neben diesen unternehmensspezifischen Einflussfaktoren konnte möglicherweise gegen Stahl-Dumping-Importe in die USA beschlossene Gegenmaßnahmen zu einem zusätzlichen Bonus für das Unternehmen werden, das davon dann im Branchenvergleich besonders begünstigt sein dürfte.
Das Kursziel wird auf Zwölfmonatssicht auf 24 Dollar taxiert, was gemessen am derzeitigen Kurs 32,6 Prozent Luft nach oben lassen würde. Als gerechtfertigtes Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITDA wird für 2016 ein Wert von 7,0 genannt. Auf Basis der hauseigenen Gewinnschätzung für 2016 von 1,97 Dollar würde sich das KGV im einstelligen Bereich bewegen.
Auf Seite 4: Die Einschätzung zu Nucor Corp.
Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten Nummer drei: Nucor Corp.
(WKN: 851918, 41,10 Dollar, 36,475 Euro)
Mit Nucor kommt auch die nächste Berenberg Bank Stahlaktien Kaufempfehlung aus den USA, wobei allgemein erwähnt werden sollte, dass gerade auch US-Fahrzeughersteller wegen der immer strengeren Vorgaben zur Senkung des CO2-Ausstoßes nach leichteren Alternativen zum Stahlblech suchen und dabei immer öfter als Ersatzwerkstoffe auf Aluminium, Plastik oder Karbonfasern stoßen. Losgelöst von diesem Branchenproblem konnte sich die Nucor-Aktie in den vergangenen Jahren nie richtig für eine Seite entscheiden und so hat sich eine breite Seitwärtsrange herausgebildet, in die er nach einem Ausbruchsversuch im Vorjahr zuletzt wieder zurückgefallen ist.
Charttechnisch befindet sich der Titel somit eher im Niemandsland, doch die Berenberg Bank rechnet damit, dass sich die Notiz aus einem zuletzt etablierten mittelfristigen Abwärtstrend wieder herausarbeiten kann. Denn dafür spreche die gute Positionierung, die eine Neubewertung zulasse, falls sich die US-Wirtschaft solide entwickeln sollte und sich auch die Bauaktivitäten außerhalb des Wohnimmobiliensegments erholen sollten.
Nucor überzeuge zudem mit einem breiten Produkt-Portfolio und einer Rohmaterialien-Versorgungskette, die vom wachsenden Druck auf den Preis von Stahlschrott profitieren dürfte. Bei einem sich normalisierenden Stahlzyklus sei die Gesellschaft dank eines soliden freien Cashflows außerdem in der Lage, die Aktionäre zu belohnen.
Wie bei Steel Dynamics könnten sich eventuell beschlossene Maßnahmen gegen Stahl-Dumping-Importe als Vorteil für das Unternehmen erweisen. Denn bei dieser Konstellation bestehe Anpassungsbedarf bei den Schätzungen für das EBITDA im kommenden Jahr, weil Nucor als größter US-Stahlplatten-Hersteller davon profitieren würde.
Das Kursziel für diesen Wert gibt die Berenberg Bank mit 52 Dollar an. Das liegt um 26,5 Prozent über den aktuellen Notierungen. Die Vorgabe basiert auf einem für 2016 unterstellten Unternehmenswert zum EBITDA von 8,0. Als nächster wichtiger Kursimpuls wird es darauf ankommen, wie die Quartalszahlen am 22. Oktober ausfallen werden. Analysten rechnen im Schnitt mit einem Ergebnisrückgang von 0,76 Dollar auf 0,48 Dollar je Aktie.
Auf Seite 5: Die Einschätzung zur Salzgitter AG
Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten Nummer zwei: Salzgitter AG
(WKN: 620200, 25,06 Euro)
Mit der Salzgitter AG kommen wir nun zum ersten von zwei deutschen Stahlaktien, die mit einem Kaufurteil der Berenberg Bank ausgestattet sind. Bei dem SDAX-Vertreter setzt Abate auf die positiven Effekte durch eine fast abgeschlossenen Restrukturierungsplan, Erholungsanzeichen im spätzyklischen Bereich des Geschäfts sowie den operativen Hebel, der sich bei einer wirtschaftlichen Erholung in der EU ergibt. Ursprünglich sah dabei der Restrukturierungsplan ab 2016 Kosteneinsparungen von 200 Millionen Euro vor. Selbst wenn diese nicht komplett zu realisieren seien, gehe das Unternehmen damit in besserer Verfassung in die erhoffte konjunkturelle Erholungsphase hinein und sei auch künftig besser gerüstet für etwaige Abschwung-Perioden.
Als größte Stärke wird die Bilanz bezeichnet, die bereits Investitionen in die Klöckner-Werte und in Aurubis ermöglicht habe. Zukäufe seien zudem auch künftig nicht ausgeschlossen. Am Markt wurde zuletzt auch immer wieder einmal über einen Zusammenschluss mit ThyssenKrupp spekuliert, unter Analysten wird aber eher eine Fusion mit dem Kupferproduzenten Aurubis für möglich gehalten.
Im ersten Halbjahr war dem norddeutschen Unternehmen die Rückkehr in die Gewinnzone gelungen. Nach Steuern blieben 41,3 Millionen Euro hängen, nach einem Verlust von 15,9 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Dem Kurs hatte das zunächst aber wenig geholfen, auch weil bis vor kurzem fast alle Aktien aus dem Rohstoffbereich und artverwandten Sektoren abverkauft wurde. Erst seit Ende September geht es wieder etwas aufwärts mit den Notierungen, weil der ebenfalls von der schwierigen Lage auf dem weltweiten Stahlmarkt und Überkapazitäten in Europa gebeutelte Wert weiter in einem langfristigen Abwärtstrend steckt.
Mit etwas Glück wird aber gerade ein doppelter Boden im Chart zementiert und genau darauf scheint man auch bei der Berenberg Bank aus fundamentalen Gründen heraus zu setzen. Das Kurs lautet jedenfalls auf 40 Euro, was immerhin um 59,6 Prozent über den aktuellen Kursen liegt. Bei einem Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITDA von 3,8 auf Basis der Berenberg-Schätzungen für 2016 ist der Titel im Branchenvergleich aber auch tief bewertet.
Auf Seite 6: Der Topfavorit der Berenberg-Bank
Berenberg Bank-Stahlaktien-Favoriten Nummer eins: ThyssenKrupp AG
(WKN: 750000, 17,545 Euro)
Nicht ganz so trostlos wie bei Salzgitter sieht der Chartverlauf beim zweiten Deutschland-Favoriten ThyssenKrupp aus. Gegenüber dem im Jahr 2008 markierten Rekordhoch von 46,83 Euro hat aber auch dieser Titel stark an Wert verloren. Auch in den vergangenen Wochen musste die Notiz wieder einigen Boden hergeben, was vermutlich im Zuge des VW-Abgasskandals auch damit zu erklären ist, dass das Unternehmen relativ stark im Automobilgeschäft vertreten ist.
Die Geschäftsentwicklung spielte bei der Kursfindung zuletzt jedenfalls eine untergeordnete Rolle, denn eigentlich war es dem Dax-Vertreter im dritten Quartal des Geschäftsjahres 2014/15 gelungen, das um Sondereffekte bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 394 Millionen Euro im Vorjahr auf 539 Millionen Euro und damit deutlich stärker zu verbessern als erwartet.
Das Unternehmen hat aber auch nach wie vor mit großen Problemen, etwa in Brasilien oder bei den Pensionslasten zu kämpfen, was an der Börse immer wieder einmal für Missstimmung sorgt. Erst jüngst wurde vor dem Hintergrund eines anhaltend schwachen Marktumfeldes ein weiteres Programm zur Kostensenkung im Stahlsegment verkündet, das jährlich Einsparungen von 100 Millionen Euro bringen soll.
Die Berenberg Bank gibt sich aber optimistisch und setzt unter anderem auf ein sehr effizientes Restrukturierungsprogramm, Rückenwind über die Währungsschiene und möglichen Aktivitäten auf M&A-Ebene. So wird eine Fusion der europäischen Stahlaktivitäten mit einem Wettbewerber mittelfristig für denkbar gehalten.
Unter anderem dürfte auch der Verlauf von Nichtkernaktivitäten fortgesetzt werden und natürlich wären auch weitere Maßnahmen gegen China-Dumping-Exporte ein Pluspunkt für ThyssenKrupp, wobei dem Konzern auch ähnliche Beschlusse in den USA helfen würden. Als sehr positiv wäre es außerdem zu werten, wenn letztlich vielleicht doch noch der Aktivitäten in Brasilien gelingen würde.
Auf Basis der Schätzungen für das Geschäftsjahr 2015/16 bewege sich das Verhältnis von Unternehmenswert zum EBITDA bei 6,6. Damit sei schon viel Negatives in den Kursen eskomptiert, heißt es. Als Kursziel auf Sicht von zwölf Monaten werden 26,00 Euro für gerechtfertigt gehalten. Theoretisch birgt die Notiz somit ein Aufwärtspotenzial von 48,2 Prozent.