Wenn es um Geld geht, kennt die Wall Street keine Gnade: Um nahezu 18 Prozent innerhalb weniger Minuten rauschte die Aktie des Spielzeugherstellers Hasbro nach unten. Das Problem: Statt den von Analysten eingeplanten 2,21 Dollar je Aktie hat Hasbro im vergangenen Quartal nur 1,84 Dollar verdient. Der spontane Kursrutsch der Aktie deckt sich prozentual also ziemlich genau mit dem Ausmaß der Gewinnenttäuschung.

In den USA und Europa hat die Zeit der Zahlen begonnen. Unternehmen präsentieren ihre Geschäftsergebnisse für das Sommerquartal. Dieser Abschnitt ist besonders kritisch, weil nach neun Monaten meist erkennbar ist, wer seine Jahresziele tatsächlich erreicht und wer korrigieren muss. Die Regeln der Berichtssaison sind einfach: Wer die Analystenschätzung überbietet, wird mit Kursgewinnen belohnt - wer schwächelt, wird abgestraft.

Auch große Namen werden nicht verschont. Eine der spektakulären Enttäuschungen servierte McDonald’s. Die Fast-Food-Kette lag mit ihrem Quartalsgewinn von 2,11 Dollar je Aktie zehn Cent unter der Konsensschätzung. Der Hauptgrund war das enttäuschende Wachstum im hart umkämpften Heimatmarkt. Aktionäre mussten nach ­Bekanntgabe der Quartalsergebnisse einen Tagesverlust von über fünf Prozent verdauen.

Im Gewusel der Zahlen - allein in der vergangenen Woche veröffentlichte ein Viertel der Mitglieder des S & P 500 Geschäftsergebnisse - suchen Marktstrategen derweil nach den großen Trends. Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Die meisten Unternehmen überraschen weiterhin positiv. 82 Prozent verdienten mehr Geld als von der Wall Street erwartet. Die Erfolgsquote ist damit höher als gewöhnlich. Nach Berechnung des Datendiensts Refinitiv überraschten über die vergangenen 25 Jahre hinweg im Schnitt knapp zwei Drittel positiv.

Die aktuellen Quartalsergebnisse dämpfen Befürchtungen, dass die amerikanische Wirtschaft in eine Rezession abdriften könnte. Ein Abflachen der Gewinnkurve ist allerdings unvermeidbar. Nachdem die Konzerngewinne in den USA im vergangenen Jahr durch massive Steuersenkungen aufgeputscht wurden, sind die Vergleichswerte jetzt entsprechend hoch. Die Konsensschätzung geht davon aus, dass die Konzern­gewinne im S & P 500 in diesem Jahr nur ganz leicht zulegen.

Favoriten unter Erfolgsdruck


In der seit mehr als zehn Jahren laufenden Aktienmarktrally hatten Börsianer klare Favoriten: Unternehmen, die auch in einem schwierigen Wirtschaftsumfeld wachsen können. Das sind insbesondere Technologiewerte, die von der rasanten Digitalisierung der Welt profitieren. Zuletzt haben sich klassisch defensive Branchen, etwa Konsumgüterhersteller, an der Börse ebenfalls überdurchschnittlich gut entwickelt. Mit den Aktienkursen stiegen bei den Gewinnertiteln allerdings auch die ­Erwartungen.

Wirklich gute Unternehmen schaffen es, trotz hoher Ansprüche weiterhin positiv zu überraschen. In diese Kate­gorie gehört Procter & Gamble. Mit ­Marken wie Ariel (Waschmittel) und Gillette (Rasierer) steigerte der Konsumgüterkonzern seinen Quartalsgewinn um elf Prozent, höher als von Analysten erwartet. Auch der Softwaretitan Microsoft konnte seine Erfolgsserie fortsetzen.

Komplett anders sind die Vorzeichen im klassischen Industriebereich. Dort ist die Abkühlung der Weltwirtschaft schon länger zu spüren. Der ameri­kanisch-chinesische Handelskrieg hinterlässt immer deutlichere Spuren. ­Besonders anfällig für Konjunkturschwankungen ist Caterpillar. Erstmals seit fast drei Jahren vermeldete der Hersteller von schweren Baumaschinen einen schrumpfenden Quartalsgewinn. Viele Kunden würden sich aufgrund der unsicheren Aussichten zurückhalten, warnt der US-Konzern.

Comeback der Zykliker


Solche Sorgen kennen zahlreiche DAX-Unternehmen. Dort sind Zykliker und Unternehmen mit einem hohen Exportanteil besonders stark vertreten. Im zweiten Quartal war der operative Gewinn der Indexmitglieder nach einer Berechnung der Unternehmensberatung EY um 30 Prozent gesunken. Jetzt hoffen Börsianer zumindest auf eine Stabilisierung.

Da Analysten ihre Ansprüche deutlich reduziert haben, liegt die Messlatte niedrig: Beim Autozulieferer Continental nahmen Börsianer selbst eine Wertberichtigung in Milliardenhöhe gelassen auf. Die wichtigere Botschaft ist, dass es im dritten Quartal operativ keine neuen unangenehmen Überraschungen gegeben hat.

Auch bei BASF haben sich Börsianer auf bescheidene Ergebnisse eingestellt. Der bereinigte operative Gewinn des Chemiekonzerns ist im vergangenen Quartal um fast ein Viertel einge­brochen. Mit 1,1 Milliarden Euro Gewinn lagen die Ludwigshafener aber vier Prozent über der Konsensschätzung. "Besonders der Handelskonflikt zwischen den USA und China belastet unser Geschäft. Hinzu kommen die Unsicherheiten im Zusammenhang mit dem Brexit", berichtet Vorstandschef Martin Brudermüller.

Ähnlich ist die Lage bei Daimler, dem anderen DAX-Schwergewicht. Der Autokonzern hat die Nerven seiner Aktionäre in diesem Jahr mit zwei Gewinnwarnungen bereits kräftig strapaziert. Jetzt gibt es erstmals wieder positive ­Signale: In den Sommermonaten stieg der operative Gewinn der Schwaben um acht Prozent. Mit 2,69 Milliarden Euro lag Daimler sechs Prozent über Analystenerwartung.

Investor-Info

BASF
Antizyklisches Investment


Der Chemiekonzern hat seine Jahresprognose bestätigt: Der operative Gewinn vor Sondereinflüssen werde bis zu 30 Prozent unter Vorjahr liegen. Das ist ernüchternd, angesichts des zyklischen Charakters eines Chemiekonzerns aber nicht überraschend. Die Ludwigshafener nutzen die Krise für Sparmaßnahmen und eine Umstrukturierung. Anker für die Aktie ist die Dividende, die der Konzern auch in schlechten Jahren anheben will. BASF bleibt ein antizyklisches Investment.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 77,00 Euro
Stoppkurs: 54,00 Euro

Procter & Gamble
Defensives Wachstum


Der Umsatz des Konsumgüterriesen ist im Quartal um sieben Prozent gewachsen. Analysten hatten nur mit 4,8 Prozent Plus gerechnet. Auch der Gewinn überraschte positiv. Procter & Gamble hat seine Strukturen verschlankt und schwächere Marken abge­stoßen. Das macht sich jetzt bezahlt. Nebenbei ist der Konzern ein zuverlässiger Dividendenzahler: Seit 129 Jahren schüttet P & G ­regelmäßig Geld an seine Aktionäre aus.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 125,00 Euro
Stoppkurs: 90,00 Euro

Volkswagen Vz.
Alle Hebel in Bewegung


Kaum eine Branche hat so viele Probleme wie die Autoindustrie. Volkswagen als Branchenriese sollte damit besser klarkommen als die Rivalen. Die Wolfsburger investieren viel Geld in neue Modelle mit Elektroantrieb. Die Kernmarke VW bietet weiter Sparpotenzial, auch Umstrukturierungen könnten den Wert der Aktie hebeln. Bei der Dividende hat Volkswagen auch aufgrund der niedrigen Ausschüttungsquote Steigerungspotenzial.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 200,00 Euro
Stoppkurs: 128,00 Euro