Für Warren Buffett ist es eine ungewohnte Situation: Seit fast zwei Jahren entwickelt sich die Aktie seiner Beteiligungsgesellschaft schlechter als der breite amerikanische Aktienmarkt. Allein im zweiten Quartal hat Berkshire Hathaway 23 Prozentpunkte auf den S & P 500 verloren. Der für langfristige Investments bekannte Altmeister, der seit 1965 im Jahresschnitt zehn Prozentpunkte besser abgeschnitten hat als der Index, sieht die aktuelle Schwäche offenbar als eine Chance: Für mehr als fünf Milliarden Dollar kaufte Berkshire im zweiten Quartal eigene Aktien. Nie zuvor hat Buffett mehr Geld für Rückkäufe ausgegeben. Gleichzeitig hat er Aktien anderer Unternehmen aus dem Depot geworfen. Von seinen Investments in US-Airlines hat er sich sogar komplett getrennt. Unter dem Strich hat Berkshire im Quartal damit mehr Geld durch Aktienverkäufe eingenommen als über Käufe investiert. Das ist ungewöhnlich, denn die Investmentgesellschaft hat ihre Aktienposition bislang in jedem Jahr ausgebaut. Damit diese Serie anhält, muss im zweiten Halbjahr also Geld bewegt werden.
Schon jetzt ist Buffett ein wenig offensiver geworden: Seine bereits zuvor hohe Beteiligung an Bank of America stockte er auf rund zwölf Prozent auf. Zudem kaufte Berkshire für knapp zehn Milliarden Dollar Geschäftsbereiche des Energiekonzerns Dominion.
Immer mehr Cash
Was für andere Konzerne große Investments wären, ist für Buffett eher unspektakulär. Die Cashreserven seiner Gesellschaft sind im zweiten Quartal um mehr als neun Milliarden auf knapp 147 Milliarden Dollar, umgerechnet über 124 Millionen Euro, gestiegen. Nie zuvor hatte Buffett mehr Geld in der Kasse.
Der aktuelle Quartalsbericht zeigt, dass Berkshire gut durch die Corona-Krise kommt: Der operative Gewinn der Beteiligungsgesellschaft, die etliche Firmen komplett übernommen hat und zusätzlich noch ein großes Aktienportfolio besitzt, schrumpfte im zweiten Quartal nur leicht um zehn Prozent.
Verantwortlich für den Rückgang waren vor allem die zyklischen Firmen wie die Eisenbahngesellschaft BNSF. Am härtesten getroffen von der Pandemie wurde die Berkshire-Tochter Precision Castparts. Der Hersteller von Flugzeug- und Industrieteilen musste knapp zehn Milliarden Dollar abschreiben.
Gut entwickelt im Berkshire-Portfolio hat sich dagegen Geico. Der Autoversicherer, eines der ältesten und erfolgreichsten Investments, profitierte davon, dass in der Hochphase der Pandemie weniger Autos auf den Straßen waren und damit weniger Blechschaden entstanden ist. Insgesamt blieb für Berkshire im zweiten Quartal ein operativer Gewinn von 5,5 Milliarden Dollar.
Deutlich gestiegen ist der Nettogewinn des Buffett-Imperiums, im zweiten Quartal um 87 Prozent auf mehr als 26 Milliarden Dollar. In diese Kennziffer fließt auch die Entwicklung des mehr als 200 Milliarden Dollar schweren Aktienportfolios ein. Die mit Abstand größte Position dort ist weiterhin Apple. Berkshire besitzt knapp sechs Prozent des iPhone-Herstellers und ist damit dessen größter aktiver Investor.
Die nächste Generation
Ein sensibles, aus Sicht der Aktienmärkte aber wichtiges Thema ist Zeit: Buffett feiert Ende des Monats seinen 90. Geburtstag. Sein Kompagnon Charles Munger ist sogar 96 Jahre alt. Beide sind noch immer fit, werden die Geschäfte aber nicht ewig lenken können. Die Führungsmannschaft ist darum bereits über die vergangenen Jahre erweitert worden. Auf der virtuellen Hauptversammlung von Berkshire Anfang Mai saß Buffett zusammen mit Gregory Abel auf der Bühne: Abel beaufsichtigt neben Ajit Jain die zahlreichen Berkshire-Firmen und besetzt damit schon jetzt eine zentrale Rolle. In der Öffentlichkeit aber steht auch der 58-jährige Abel noch immer im Schatten seines Chefs.
Buffett hat sich auch im Namen von Munger im diesjährigen Brief an die Investoren zur Nachfolgediskussion geäußert: "Berkshire-Aktionäre müssen sich keine Sorgen machen. Ihre Firma ist zu 100 Prozent auf unseren Abgang vorbereitet." Die Aktienrückkäufe von Berkshire sind jetzt wohl auch als eine Bekräftigung dieses Versprechens zu verstehen.
Geduldsprobe: Buffett war in der Corona-Krise zu zögerlich. Die starke Substanz von Berkshire spricht für ein Comeback.