Uni ist etwas für Feinschmecker. Das Aroma erinnert im besten Fall an eine frische Meeresbrise, 100 Gramm kosten über 40 Euro. Die in Japan beliebte Delikatesse besteht aus den Keimdrüsen von Seeigeln, deren Fang und Verarbeitung einen hohen Aufwand erfordert. Die Nachfrage übersteigt teilweise das Angebot. Das japanische Unternehmen Fuji Oil setzt auf eine Alternative: Es steht kurz vor der Markteinführung von veganem Uni auf Sojabasis.

Pflanzenbasiertes Seafood ist nicht nur nach Ansicht der Manager von Fuji Oil das nächste große Ding auf dem Nahrungsmittelmarkt. Weltweit arbeiten Firmen an veganen Ersatzprodukten für Fischfilets und Hähnchennuggets, Bratwurst oder Shrimps. Demnächst soll in Deutschland die blassgelbe Mungobohnenölmischung von Just, mit Sitz in Kalifornien, im Supermarktregal stehen. Sie kann Eier ersetzen. Wenn sich dieses Wochenende in Köln die Tore der Nahrungsmittelmesse Anuga für erwartete 160.000 Fachbesucher öffnen, werden Start-up-Firmen dort erstmals besondere Flächen und Bühnen bekommen. Der riesige Erfolg der Pflanzenproteinburger von Beyond Meat und Impossible Foods fachte das Interesse von Konsumenten wie Investoren an den neuen Nahrungsmitteln erst richtig an.

"Pflanzenbasierte Lebensmittel sind das neue Tech", lautet ein Leitspruch der Züricher Private-Equity- und Venture-Capital-Gesellschaft Blue Horizon. "Das ist aktuell die größte Investitionschance mit langfristiger Wertschöpfung und messbarer Wirkung." Die Invest­mentbank Jefferies prognostiziert, dass der Markt für Fleischersatz von aktuell unter 100 Milliarden Dollar bis 2040 auf ein Volumen von 240 Milliarden wachsen wird. Die Beratungsfirma A. T. Kearney rechnet sogar mit 450 Milliarden Dollar im Jahr 2040.

Überdurchschnittliches Wachstum


Dass vegetarische und vegane Lebensmittel überhaupt so ein großes Thema geworden sind, liegt am Zusammentreffen mehrerer Faktoren. Zum ­einen sind jüngere Generationen mit ­einem ganz anderen Bewusstsein für gesunde Ernährung aufgewachsen als die vorherige. Spätestens seit dem BSE-­Skandal in den 90er-Jahren spielt auch das Vertrauen in Herkunft und Herstellung eine viel bedeutendere Rolle. Ablesen lässt sich das zum Beispiel an den in Umfragen am meisten genannten Begriffen im Zusammenhang mit Lebensmitteln: Vor dem Jahr 2007 waren das in der Regel "Geschmack" und "Frische". Seit 2015 liegen jedoch die Wörter "Bio" und "natürlich" ganz vorn.

Zum anderen stehen Start-up-Firmen, die die Bedürfnisse dieser Konsumenten bedienen, heute mit Internet und Social Media ganz neue Möglichkeiten zur Verfügung, sich bei potenziellen Kunden bekannt zu machen. Und neben generellen Tierwohl- und Umweltschutzgedanken spricht neuerdings auch das Thema Klimaschutz stark für weniger Fleischkonsum. "Wir sehen alternative Proteine als echten Trend, der langfristig überdurchschnittliches Wachstum liefern wird", sagt Mayssa Al Midani, Co-Fondsmanagerin des Pictet Nutrition. "Pflanzenbasierte Proteinalternativen wachsen deutlich schneller als andere Lebensmittelsegmente und können zudem mit Preisaufschlägen verkauft werden."

Zulieferer erzielen hohe Margen


Für Anleger existiert mit Beyond Meat bisher erst eine börsennotierte Firma, die ausschließlich auf Fleisch­ersatz setzt. Nach dem äußerst erfolgreichen Börsengang sorgt die aktuelle Bewertung von 8,1 Milliarden Euro bei einem prognostizierten Umsatz von rund 220 Millionen Euro für 2019 bei Fondsmanagern und Analysten für hochgezogene Augenbrauen. Das Kurs-Gewinn-­Verhältnis für 2020 liegt bei 540 - auch für ein stark wachsendes Unternehmen ziemlich übertrieben. Wenn auch Konkurrenten den Sprung auf das Parkett wagen, werden die Karten vermutlich neu gemischt. "Wir denken, dass es in den kommenden Jahren weitere Börsengänge aus dem Sektor geben wird", sagt Alice De Lamaze, die ebenfalls zum Managementteam des Pictet Nutrition zählt.

Eine häufig übersehene Alternative für Anleger, die in den Wachstumsmarkt investieren wollen, sind Zulieferer. Egal ob Erbsenburger oder Sojawurst: Die neuen Fleischalternativen sind stark verarbeitete Lebensmittel. Sie benötigen zahlreiche Hilfsstoffe, um die gewünschte Form und Textur zu bekommen. Auch der Bedarf an Aromen wächst. BASF ist just vergangene Woche mit einer Übernahme und einer Kooperationsvereinbarung in das Geschäft mit Riech- und Geschmacksstoffen eingestiegen. Die Spezialisten auf diesem Gebiet, etwa Givaudan, Christian Hansen, DSM oder Kerry, verdienen gut am Gesundheits- und Fleischersatztrend. Für die Lebensmittelhersteller sind die Zusätze unverzichtbar, entsprechend hohe Margen erzielen die Zulieferer.

Lebensmittelriesen ziehen mit


Auch bei den großen Nahrungsmittelunternehmen wie Nestlé, Danone oder Unilever sind die Veränderungen am Markt spürbar. Sie stehen von mehreren Seiten unter Druck: Die Kunden fragen die innovativen Produkte stark nach, sind jedoch häufig misstrauisch gegenüber Großkonzernen. Viele Regierungen drängen per Regulierung, etwa mit Kennzeichnungspflichten oder Zuckersteuern, auf eine gesündere Produkt­palette. Auch Investoren schauen im Rahmen der ESG-Integration genauer hin, gleichzeitig wollen sie Wachstum sehen, das in den neuen Produktsparten naturgemäß weitaus höher liegt als in traditionellen Geschäftsbereichen.

Nestlé strukturiert bereits seit einiger Zeit das Unternehmen entsprechend um. So verkauften die Schweizer ihr US-Süßwarengeschäft und übernahmen einen kanadischen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. Die Wurstmarke Herta steht zur Disposition, nur die vegetarischen Herta-Produkte will Nestlé behalten. Die Rezeptur des veganen "Incredible Burger", mit dem Nestlé hierzulande auch McDonald’s beliefert, wurde jüngst verbessert. In Deutschland und Österreich soll jetzt auch ein pflanzlicher Hackfleischersatz an den Start ­gehen.

Danone hingegen setzt seit der Akquisition von Whitewave im Jahr 2016 auf Pflanzenmilch - ein nicht mehr ganz so neues, aber trotzdem stark wachsendes Geschäft. Bis 2025 wollen die Franzosen den Umsatz mit pflanzenbasierten Produkten von 1,7 auf rund fünf Milliarden Euro verdreifachen. Denn die Verbreiterung der Produktpalette steht erst am Anfang: Neben neuen Joghurtsorten kommen nun auch zunehmend pflanzliche Eiscreme, Kaffeeweißer, Käse und sogar Schokolade in die Supermärkte. Bei der breiten Masse der Kunden dürfte das im Zweifel besser ankommen als veganes Seeigelimitat.

Investor-Info

Kerry Group
Unbekannter Marktführer


Die irische Kerry Group zählt zu den führenden Anbietern von Aromen und Zusatzstoffen, die etwa Textur und Haltbarkeit von Nahrungsmitteln beeinflussen. Sie kann seit Jahren Umsatz und Gewinn stetig steigern. Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis für 2020 von rund 24 günstiger bewertet als die Wettbewerber Givaudan oder Christian Hansen.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 128,00 Euro
Stoppkurs: 96,00 Euro

Beyond Meat
Teurer Pionier


Beim Pionier unter den neuen Pflanzenburgerherstellern besteht angesichts der hohen ­Bewertung das Risiko erheblicher Kursrückschläge. Langfristig ist der Titel aussichtsreich: Speziell ein Liefervertrag mit einem großen Fast-Food-Anbieter könnte die Aktie weiter anschieben - McDonald’s hat einen Test in ­Kanada angekündigt. Sehr spekulativ.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 150,00 Euro
Stoppkurs: 93,00 Euro

Danone
Gesunder Molkereikoloss


Mit den Sparten milch- und pflanzenbasierte Produkte, medizinische Nahrung sowie ­Wasser steuern die Franzosen komplett auf Gesundheits- und Nachhaltigkeitskurs. Das Wachstum soll sich in den nächsten Jahren deutlich beschleunigen, die Margen steigen. Bei vergleichbarer Dividendenrendite aktuell günstiger bewertet als Nestlé.

Empfehlung: Kaufen.
Kursziel: 95,00 Euro
Stoppkurs: 69,00 Euro

Pictet Nutrition
Breites Ernährungsportfolio


Der Fonds (ISIN: LU 036 653 434 4) investiert in Lösungen zur Sicherung der weltweiten Nahrungsmittelversorgung. Im Portfolio finden sich daher neben Lebensmittel- auch Logistik- und Agrartechnikanbieter. Erzielte über drei Jahre durchschnittlich acht Prozent pro Jahr.