Die hoch verschuldete Restaurantkette Vapiano will sich mit neuen kulinarischen Highlights aus der Krise arbeiten. 18 neue Gerichte stehen auf der Karte der Systemgastronomie mit Sitz in Köln. Die Hälfte davon ist vegetarisch oder sogar vegan. Neu im Angebot der bisher auf Pizza und Pasta spezialisierten Firma sind Bowls nach hawaiianischer Tradition. Ob das den Konzern nach der fehlgeschlagenen Expansion retten kann? Zumindest ist Vapiano mit dem Angebot voll im Trend.

Ersatzprodukte für Fleisch drängen auf den Markt. Große Hersteller wie Danone, Nestlé, Tyson-Food und Kellogg machen mit veganen Burgerpattys und Würsten nach, was Start-ups wie der in kürzester Zeit prominent gewordene vegane Nahrungsmittelhersteller Beyond Meat vorgemacht hat. Supermärkte und Discounter stellen ihr Angebot ebenso um wie Fast-Food-Ketten. Zwar ist die jährliche Fleischproduktion in der vergangenen Dekade laut der UN-Organisation FAO um knapp 15 Prozent auf 337 Millionen Tonnen gewachsen. Aber gerade in den westlichen Industrienationen setzt ein Wandel ein.

In Deutschland und Österreich hat sich der Fleischkonsum nach jahrzehntelangem Anstieg auf einem Niveau von 60 Kilogramm pro Jahr und Person stabilisiert. Einer Umfrage des Vegetarierbunds zufolge lebt mittlerweile jeder Zehnte vegetarisch oder vegan. In den USA sinkt die Fleischherstellung nach Angaben des Landwirtschaftsministeriums sogar seit drei Jahren.

Maßgeschneiderte Nahrung


Dabei geht es längst nicht nur um den Verzicht auf Fleisch. Das Zukunftsinstitut, ein Thinktank für Entwicklungen von Wirtschaft und Gesellschaft in Frankfurt am Main, hat mehrere Trends identifiziert. "Viele Menschen haben erkannt, dass sie sich in Zukunft anders, das heißt nachhaltiger, ökologischer, ­respektvoller und gesünder ernähren müssen", schreiben die Autoren der Studie "Wie wir morgen essen werden". Dabei spielt natürlich das Bevölkerungswachstum eine Rolle. Laut der Unternehmensberatungsfirma Accenture wird sich die Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln zwischen 2010 und 2050 mehr als verdoppeln. Die Analysten der US-Großbank JP Morgan rechnen damit, dass der Markt für "Gemüsefleisch" in 15 Jahren 100 Milliarden Dollar schwer sein dürfte. Im Verhältnis zum weltweiten Fleischkonsum im Wert von vier Billionen Dollar 2020 ist das zwar ein Klacks. Aber die jährliche Wachstumsrate wird deutlich über der der gesamten Nahrungsmittelbranche von jährlich vier Prozent liegen.

Gesund soll das Essen trotzdem sein. Welche Nährstoffe ihnen guttun, entscheiden die Konsumenten immer häufiger individuell. "Nahrung wird zunehmend zum Instrument auf der Suche nach dem Selbst", meint das Zukunfts­institut. Und so erobern neben fleisch­losen Chicken Nuggets auch Ersatzprodukte für Kohlenhydrate und Zucker - wie Edamame-Pasta oder Backwaren aus Apfelmehl - die Supermärkte. Die gute Nachricht für Lebensmittelhersteller: Laut einem Branchenreport von Accenture sind 55 Prozent der Menschen bereit, für nachhaltiges Essen mehr zu bezahlen. "Das bedeutet, dass das Was, Wo, Warum und Wie der Nahrungsmittel­produktion völlig neu erfunden werden muss", schreibt Autor Steven Pinder.

Forschung im "Food Valley"


Um mitzuhalten hat der Konsumgüterhersteller Unilever mit Lebensmittelmarken wie Knorr, Hellmann’s und Calvé 86 Millionen Euro in ein Inno­vationszentrum im niederländischen Wageningen investiert. An der dortigen Hochschule hat die Essensforschung Tradition, weshalb der Ort den Spitz­namen "Food Valley" trägt. Zahlreiche Jung-Entrepreneure haben sich hier versammelt. Unilever-Vorstandschef Alan Jope ist überzeugt: "Unterernährung, Fettleibigkeit, Klimawandel und Lebensmittelabfälle sind Themen, die nur angegangen werden können, wenn wir partnerschaftlich zusammenarbeiten, um Technologie und Innovation zu beschleunigen." Dabei geht es nicht nur um den Veggie-Trend: Neben pflanzlicher Ernährung tüfteln die Mitarbeiter dort auch an nachhaltiger Verpackung.

Pionier der Fleischersatzprodukte unter den großen Konzernen ist Kellogg. Das für seine Frühstücksflocken bekannte Unternehmen aus dem US-Bundesstaat Michigan hat die seit 1975 in den USA für Sojaprodukte bekannte Firma Morningstar Farms 1999 übernommen. Das frühere Nischensegment mausert sich zum Umsatztreiber. Im vergangenen Jahr ist das vegetarische Geschäft zweistellig gewachsen und hat Marktanteile gewonnen. Genaue Zahlen liegen noch nicht vor, aber Analysten schätzen einen Wert zwischen 450 und 500 Millionen Dollar.

Kellogg strebt nach Höherem und hat verkündet, dass bis 2021 tierische Eiweiße aus den Produktionsstätten von Morningstar Farms verbannt werden sollen. Zudem reduziert der Konzern Zucker: Vor zwei Jahren hat Kellogg ­Cerealien ohne Zuckerzusatz herausgebracht. 2019 wurde die Kekssparte an den italienischen Süßwarenhersteller Ferrero verkauft. Und nun? "Wir investieren so aggressiv in unsere vielversprechendsten Marken wie seit Jahren nicht mehr", sagt Chef Steve Cahillane.

Beyond-Meat-Burger angebrannt


Newcomer Beyond Meat hängt dem Konzern schließlich an den Fersen. Mit seinen fleischlosen Burgerpattys und Würstchen aus Erbsenprotein steht das 2009 gegründete Unternehmen allerdings nur auf einem Standbein. Ein Grund, weshalb Aktionäre des hoch ­bewerteten Titels aufmerksam jeden kleinsten Expansionsschritt beobachten. Nachdem die Kalifornier im vergangenen Jahr ihre Produkte in den Regalen der Supermarktketten Lidl, Netto, Albert Heijn, Delhaize, Tesco und Coop unterbringen konnten, folgt nun die französische Casino Group.

Allerdings gab es vom Börsenliebling auch erstmals schlechte Nachrichten: Die Schnellrestaurantkette Tim Hortons hat den Vertrag mit Beyond Meat nicht verlängert. Zudem droht dem noch gewinnschwachen Newcomer ein Rechtsverfahren mit Don Lee Farms wegen des Verdachts auf Verrat eines Betriebsgeheimnisses.

Dass Unternehmen mit nur einem Standbein im Superfood-Markt Risiken ausgesetzt sind, versucht der Schweizer Investor Blue Horizon auszunutzen. Seine jüngst gegründete Mehrheitsbeteiligung Foods United mit Sitz in den USA hat vor wenigen Tagen das deutsche Start-up Like Meat übernommen. Und das soll erst der Anfang sein: "Wir bauen systematisch ein Portfolio auf, das die gesamte Wertschöpfungskette abdeckt - von der Rohstoffversorgung über Technologie und Produktion bis hin zu Marketing", sagte Mitgründer Björn Witte in einem Interview. Das Unternehmen will Marktführer werden - und hoffentlich irgendwann an die Börse. Denn klar ist: Die Zukunft wird zunehmend fleischlos.

Investor-Info

Kellogg
Sojapionier


Der US-Spezialist für Getreidepro­- dukte überarbeitet derzeit sein Markenport­folio und fokussiert sich auf gesündere Nahrungsmittel. Das zeigt sich im Ergebnis des vergangenen Jahres: Der Gewinn ging um 18 Prozent auf 1,4 Milliarden Dollar zurück, der Umsatz stagnierte bei 13,5 Milliarden Dollar. Ursächlich sind fehlende Umsätze aus veräußerten Geschäften, Kosten und Abschreibungen. Mit seiner Strategie ist Kellogg aber sehr gut aufgestellt, um künftig wieder zu liefern.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 75,00 Euro
Stoppkurs: 53,00 Euro

Beyond Meat
Erbsenexperte


Nach dem Börsengang Anfang Mai 2019 vervielfachte sich die Aktie des Trendsetters bei vegetarischen Burgern. Sie notiert nun etwa beim Doppelten des Ausgabepreises. Das ­Unternehmen macht Verlust. Der Umsatz 2019 wird auf 265 bis 275 Millionen Dollar geschätzt. Angesichts dessen ist die Aktie mit sieben Milliarden Dollar Börsenwert teuer. ­Potenzial besteht aber bei großen Deals mit Konzernen wie McDonald’s. Sehr riskant.

Empfehlung: Kaufen
Kursziel: 160,00 Euro
Stoppkurs: 90,00 Euro

Unilever
Pflanzenforscher


Der niederländisch-britische Konsumgüterriese überprüft nach einem Gewinneinbruch von 38 Prozent auf rund sechs Milliarden Euro 2019 sowohl das Teegeschäft (sechs Prozent vom Umsatz) als auch das Schönheitssegment (42 Prozent vom Umsatz). An den Nahrungsmittelmarken rüttelt der Konzern bislang nicht, setzt aber auf Nachhaltigkeit. Anleger warten ab.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 58,00 Euro
Stoppkurs: 44,00 Euro