Zuletzt lag die Schätzung noch bei 1,5 Prozent, ursprünglich sogar bei bis zu drei Prozent. Viele Unternehmen würden ihre Investitionen zurückfahren. "Das ist der eigentliche Schaden", sagte BGA-Präsident Holger Bingmann in Berlin. Eine Prognose für nächstes Jahr wollte er angesichts vieler Unsicherheiten wie einem möglicherweise harten Brexit nicht wagen. Die Hoffnung sei, dass 2020 ein Stück weit Ruhe bringe und in der zweiten Jahreshälfte eine Besserung eintrete.
Ausgemachte Sache ist das aber nicht: "Das ständige Foul-Spiel der US-Administration hat die international ausgerichtete deutsche Wirtschaft kalt erwischt", so Bingmann. Vor dem von US-Präsident Donald Trump angefachten Handelsstreit mit China und der EU war die hiesige Exportindustrie lange von Rekord zu Rekord geeilt und hatte wesentlich höhere Wachstumsraten eingefahren. Zum letzten Mal gab es 2013 ein kleines Minus im deutschen Export, 2009 mitten in der Weltwirtschaftskrise den bislang letzten Einbruch. Im August lief es zwar überraschend gut für Unternehmen aus der Industrie, der Bau- und Energiewirtschaft, die ihre Produktion unerwartet um 0,3 Prozent steigerten. Angesichts rückläufiger Auftragseingänge der Betriebe könne aber keine Entwarnung gegeben werden, betonte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK).
"Der völlig unnötige und sinnlose Einstieg in eine weitere Eskalationsspirale nach dem WTO-Urteil im Streit um Airbus-Subventionen erst vor einigen Tagen ist einmal mehr ernüchternd", sagte Bingmann. Branchenkenner fürchten nun neue Zölle auf Flugzeuge des europäischen Herstellers - und als Reaktion dann auch auf Jets des US-Rivalen Boeing. Bei vielen anderen Produktgruppen überziehen sich die USA und China bereits mit milliardenschweren Sonderzöllen, auch Europa ist betroffen. Bingmann sprach von einem noch nie dagewesenen Anstieg protektionistischer Maßnahmen.
EXPORTE NACH GROSSBRITANNIEN DEUTLICH RÜCKLÄUFIG
"Hinzu kommt innerhalb Europas insbesondere auch noch die lähmende Wirkung des sich endlos hinziehenden Brexit, der längerfristige unternehmerische Planungen unmöglich macht", ergänzte der BGA-Präsident. Im ersten Halbjahr seien die deutschen Exporte nach Großbritannien um 4,2 Prozent gesunken. Ein britischer EU-Austritt ohne Scheidungsabkommen hätte katastrophale Auswirkungen für Firmen, die sich dann auf höhere Kosten und mehr Bürokratie einstellen müssten.
Aus Sicht des Verbandes benötigt die Industrie dringend neue Impulse, etwa die Ratifizierung des EU-Freihandelsdeals mit Kanada. "Das Abkommen wird schon seit zwei Jahren vorläufig angewandt und ist bereits ein großer Erfolg." Die große Koalition müsse die Verabschiedung jetzt zügig vorantreiben. Auch das Handelsabkommen der EU mit den vier südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien Uruguay und Paraguay sei wichtig und dürfe nicht scheitern, so Bingmann. Frankreich bremst hier momentan und knüpft grünes Licht an Fortschritte beim Umweltschutz in Brasilien, um den Regenwald zu schützen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier warb dagegen bei der Eröffnung einer Lateinamerika-Konferenz in Frankfurt für die Mercosur-Vereinbarung. Sie biete allen Beteiligten wirtschaftliche Perspektiven und enthalte zugleich ein "ambitioniertes Kapitel zur nachhaltigen Entwicklung mit verbindlichen Regeln zu Arbeit, Umwelt und Klima". Bingmann sagte, die Regierung in Paris werde hoffentlich noch über ihren Schatten springen. "Frankreich ist aber eine große Sorge." Ohne das Mercosur-Abkommen werde im Amazonas-Gebiet kein Baum weniger gerodet. "Klimaschutz und freier Handel dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden."
rtr