Google denkt groß. So groß, dass selbst die mit 3,2 Milliarden Dollar zweitteuerste Übernahme in der Konzerngeschichte aus Sicht der Internet- Revolutionäre vergleichsweise klein und günstig wirken dürfte. Mehr kostete mit 12,5 Milliarden Dollar bisher nur der Kauf des Handyherstellers Motorola. Mit der Anfang dieser Woche übernommenen Firma Nest, einem Anbieter von Haustechnik wie Thermostaten oder Rauchmeldern, streckt die Datenkrake ihre Fühler dann auch gleich in mehrere Zukunftsfelder aus.

Mehr Hardware gibt es also künftig von den Kaliforniern. Mit eigenen Smartphones und Tablets ist der Konzern hier schon länger aktiv. Doch bisher ist es dem Suchmaschinisten nicht gelungen, Konsumelektronik mit Kultstatus à la Apple zu entwickeln. Diese Lücke könnte nun kleiner werden, schließlich zählen die Nest-Gründer Tony Fadell und Matt Rogers zu den Designvätern von iPod und iPhone.

Ihrem intelligenten Thermostaten ist das anzumerken. Dem minimalistisch designten Puck genügt ein Drehregler, um die Temperatur einzustellen. Dafür ist das Gerät via Internet und Smartphone ansteuerbar. Gleichzeitig merkt sich die 250 Dollar teure Apparatur die Heizgewohnheiten seines Nutzers und drosselt nachts oder in Abwesenheit automatisch die Heizung. Insgesamt soll das bis zu 20 Prozent der Energiekosten sparen. Laut Fadell ist der Thermostat bereits in rund einer Million US-Haushalten installiert.

Doch neben dem eingekauften Design- Know-how dürfte es der von Larry Page geführte Konzern auf die Megatrends Smart Home und das "Internet der Dinge" abgesehen haben. Ersteres bezeichnet intelligente Haushaltsgeräte, Letzteres steht für die seit Längerem beschworene Revolution durch den Anschluss vieler intelligenter Maschinen an das Internet.

Dauergast im Wohnzimmer

Der Markt ist stark umkämpft. Zuletzt hatten sich Bosch, der Industriekonzern ABB, IT-Anbieter Cisco sowie der Konsumelektronikhersteller LG zusammengeschlossen, um ein offenes Betriebssystem zu schaffen, in dem Geräte verschiedener Hersteller vernetzt werden können. Google hatte hingegen 2011 angekündigt, sein mobiles Betriebssystem Android auf Haus- und Gartentechnik ausweiten zu wollen. Mit Nest könnte es diese Geräte im Zweifel nun selbst bauen, um das Potenzial des Milliardenmarkts anzuzapfen. Fadell kündigte bereits an, sich künftig verstärkt um die Produktentwicklung kümmern zu wollen.

Die Übernahme stärkt zusätzlich Googles Vorreiterstellung in einem weiteren Zukunftsmarkt: Big Data. Denn auch im massenhaften Schürfen und Auswerten von Nutzerdaten sehen Experten riesige Marktchancen. Dank Nest weiß Google dabei künftig nicht nur, was wir im Internet suchen, sondern auch wann wir zu Hause sind. Schließlich verfügt der Thermostat fast wie ein Bewegungsmelder über Sensoren für "Temperatur, Aktivität, Luftfeuchtigkeit und Helligkeit".

Big Google schaut dann tatsächlich ins Wohnzimmer. Damit gehen unzählige Datenschutzbedenken einher, die beide Unternehmen bisher nur mit halbherzigen Versprechungen zu beruhigen versuchen.

Dessen ungeachtet hat der Aktienkurs positiv auf die Übernahme sowie auf Googles Shoppingtour im vergangenen Jahr reagiert. Insgesamt kaufte der Konzern 2013 zwölf Firmen, darunter acht Roboterhersteller. Schließlich verfügte der Suchmaschinist zuletzt über Barmittel von rund 58 Milliarden Dollar. Würden diese nicht für strategische Investitionen in vermeintliche Zukunftsthemen fließen, wären die Begehrlichkeiten der Aktionäre etwa nach einer Sonderdividende sicher stärker. So aber füllt der Konzern seine Innovationspipeline und schafft im Kurs Fantasie für kommende Gewinne.

Einschätzung der Redaktion:

Weltspitze Der Konzern ist hochprofitabel, dominiert den Markt für Internetwerbung und besitzt ein dickes Cashpolster. Auch die Wachstumsaussichten im Kerngeschäft stimmen. Weitblickende Expansionspläne beflügeln zusätzlich. Top- Investment im Hightech-Sektor. Kaufen.