Nur noch wenige Tage: Im September wird Apple das neue iPhone präsentieren. Dramatische Neuerungen werden nicht erwartet, aber das hat Apple-Jünger noch nie abgeschreckt. Analysten kalkulieren, dass der Tech-Gigant im neuen Jahr 230 Millionen Stück seines wichtigsten Produkts verkauft. Optimisten wie die Investmentbank JP Morgan gehen sogar davon aus, dass Apple 246 Millionen Stück schafft und damit einen neuen Rekord aufstellt.

Big Tech erlebt einen gigantischen Boom: Die fünf nach Börsenwert größten Konzerne der Welt - Apple, Microsoft, Alphabet, Amazon und Facebook - dürften im laufenden Geschäftsjahr zusammen 296 Milliarden Dollar Nettogewinn hereinholen. Das wäre ein Anstieg von mehr als 40 Prozent zum Vorjahr. Allein der Zuwachs entspricht in etwa dem kompletten Börsenwert des deutschen Autokonzerns Daimler.

Die Pandemie hat das Geschäft der Riesen weiter angefeuert: Viele Menschen haben einen Homeoffice-Arbeitsplatz eingerichtet und sich dafür einen Computer mit Software gekauft. Das hat Apple und Microsoft einen kräftigen Schub gegeben. Einen großen Sprung hat auch der Onlinehändler Amazon gemacht, der viele neue Kunden gewinnen konnte. Der Google-Mutterkonzern Alphabet und Facebook, die beide ihr Geld vor allem über die Platzierung von Werbung verdienen, profitierten davon, dass viele Menschen mehr Zeit im Internet verbracht haben.

Der Finanzwelt ist der Boom nicht entgangen: Die Aktien der Big Techs sind auf Rekordniveau gestiegen. Apple ist mit einem Börsenwert von über 2,5 Billionen Dollar das teuerste Unternehmen der Welt, Microsoft folgt mit 2,3 Billionen knapp dahinter. Alphabet und Amazon nähern sich der Marke von zwei Billionen, auch Facebook hat es in den Billionenbereich geschafft.

Dank ihrer Masse sind die Big Five in den wichtigsten Aktienindizes prominent vertreten: Im breiten US-Index S & P 500 machen sie fast ein Viertel des Gesamtgewichts aus, selbst im weltweiten MSCI World fast 15 Prozent. Für die Börsenwelt hängt also viel von Big Tech ab: Ein Absturz der Riesen würde den gesamten Markt nach unten ziehen. Andererseits kann das Quintett in turbulenten Zeiten eine wichtige Stütze sein.

Die Profis der Wallstreet haben großes Vertrauen: 220 Kaufempfehlungen für die Big Techs stehen in der Datenbank des Finanzdienstes Bloomberg lediglich sechs negative Einschätzungen entgegen. Für Amazon gibt es sogar ausnahmslos positive Einschätzungen. Das Profil der Geschäftsmodelle der großen Fünf ist unterschiedlich: Die Internetriesen Alphabet und Facebook hängen durch ihren Fokus aufs Werbegeschäft stärker am Konjunkturzyklus. Das Kerngeschäft des Softwareriesen Microsoft sollte dagegen weniger stark schwanken, da Kunden ihre Systeme ungern auf einen neuen Anbieter umstellen. Amazon und Apple müssen nach dem durch die Pandemie ausgelösten Umsatzschub zunächst mit einer Normalisierung rechnen.

Versteckte Werte

Am spannendsten aus Sicht der Börse sind jene Geschäftsbereiche, die heute lediglich im Ansatz sichtbar sind und in den Gewinnprognosen der Wall Street noch nicht verarbeitet sein dürften: Alphabet weist regelmäßig die Ergebnisse der "anderen Wetten" aus, die bislang rote Zahlen schreiben. Hoffnungen weckt dabei vor allem die Tochter Waymo, die Technologie für Autonomes Fahren entwickelt. Diesen Geschäftsbereich hat auch Apple im Visier: Immer wieder poppen Gerüchte auf, dass der iPhone-Hersteller mit einem eigenen Auto starten könnte.

"Autos werden Computer auf Rädern", sagte Gene Munster von der Investmentfirma Loup Ventures. Bei weltweit 80 Millionen verkauften Autos und einem durchschnittlichen Preisschild von 25.000 Dollar liegt das Umsatzpotenzial bei zwei Billionen Dollar. Zum Vergleich: Apples Umsatz dürfte im laufenden Geschäftsjahr bei 365 Milliarden liegen, Alphabet bei 210 Milliarden. Schon ein kleiner Anteil am Automarkt könnte den beiden also einen kräftigen Schub bringen.

Großes Potenzial hat auch der Gesundheitsmarkt: Apples Armbanduhr kann schon jetzt einfache Daten wie die Herzfrequenz messen und den Nutzer bei Auffälligkeiten warnen. Facebook wiederum gehört zu den Pionieren im Bereich der virtuellen Realität, die nicht nur für komplexe Videospiele, sondern auch in vielen Bereichen der Wirtschaft eingesetzt werden kann.

Besonders wertvoll sind aus Sicht der Börse Geschäfte, die regelmäßige Einkünfte bringen: Amazon, Microsoft und auch Alphabet bieten Kunden in ihrem Cloud-Geschäft Rechnerleistung sowie Software im Abonnement an und werden dadurch zu digitalen Versorgern. Auch Music-Streaming und Videoangebote sollen Kunden langfristig binden. Diese Verlässlichkeit wird an der Börse mit höheren Werten bei Kennziffern wie dem Kurs-Gewinn-Verhältnis honoriert. Die Macht von Big Tech erfreut Investoren, stößt in der Gesellschaft aber zunehmend auf Widerstand. Vor allem Facebook steht in der Kritik. Das Netzwerk ist berüchtigt für extremistische Propaganda. Bislang wurden Verfehlungen der Tech-Riesen mit Geldstrafen geahndet, die diese problemlos bezahlen können. Inzwischen sind die Einsätze höher. Die US-Kartellbehörde FTC hat gerade ihre Klage gegen Facebook erneuert. Die Aufseher wollen erzwingen, dass Facebook seinen Kommunikationsdienst Whatsapp und die Foto-Plattform Instagram verkaufen muss.

Auch die Alphabet-Tochter Google muss sich auf ein weiteres Kartellverfahren einstellen. Das US-Justizministerium bereitet nach Bloomberg-Informationen eine zweite Klage vor. Grund sei das Geschäft mit digitaler Werbung. Bereits im Oktober 2020 verklagte das Ministerium den Suchmaschinenbetreiber unter dem Vorwurf, er missbrauche seine Marktmacht.
 


Verlockendes Szenario

Die Konzerne wehren sich gegen die Wettbewerbshüter. Für Aktionäre wäre der Extremfall - eine Zerschlagung - womöglich aber ein Glücksfall. Denn die kleineren Geschäftsbereiche werden an den Aktienmärkten oft nicht ausreichend gewürdigt. Die Investmentfirma Needham kalkulierte unlängst, dass der Börsenwert von Alphabet um 20 bis 30 Prozent steigen könne, wenn der Konzern Youtube ausgliedert. Die Analysten fordern sogar, dass Alphabet den Bereich aus eigenem Antrieb ausgliedert. Youtube sei auf sich allein gestellt eine Billion Dollar wert - und wäre damit selbst ein neuer Anwärter für den Klub der Tech-Giganten.

In den vergangenen 18 Monaten haben wir eine beispiellose Zahl von Produkten ausgeliefert." Andy Jassy, Amazon-Chef