TEIL 3: Passivseite der Bilanz
TEIL 4: Kapitalflussrechnung
TEIL 5: Kennzahlenanalyse I
TEIL 6: Kennzahlenanalyse II
Jede Bilanz hat zwei Seiten: die Aktivseite und die Passivseite, also einerseits alle Vermögensgegenstände eines Unternehmens, andererseits die Herkunft der Mittel, mit denen dieses Vermögen finanziert wurde.
Wichtig bei der Analyse der Passivseite ist zunächst einmal die Tatsache, dass diese Seite der Bilanz nach Fristigkeiten gegliedert ist. Da Eigenkapital dem Unternehmen theoretisch unendlich zur Verfügung steht, hat dieses per Definition eine längere Laufzeit als das Fremdkapital, was hier als Schulden (lang-, beziehungsweise kurzfristig) gekennzeichnet ist.
Innerhalb des Fremdkapitals wird bei den Fristigkeiten dann noch zwischen Rückstellungen und Verbindlichkeiten differenziert. Die Darstellung der Passivseite der Bilanz beginnt mit dem Eigenkapital des Unternehmens, also dem von den Eigentümern (im Falle der Aktiengesellschaft den Aktionären) zur Verfügung gestellten Kapital. Das Gezeichnete Kapital entspricht der Zahl der von der Aktiengesellschaft ausgegebenen Aktien, multipliziert mit ihrem Nennwert. Es wird manchmal auch als Grund-oder Stammkapital bezeichnet. Die Kapitalrücklage enthält das Agio, das der Unternehmung bei praktisch jeder Aktienemission zufließt, da die Papiere ja im Regelfall nicht zum Nennwert, sondern zu einem höheren Kurs emittiert werden. Das Gezeichnete Kapital wie auch die Kapitalrücklage stellen also den Teil des Eigenkapitals der Aktiengesellschaft dar, der von den Aktionären durch den Erwerb junger Aktien aufgebracht wurde.
Die Gewinnrücklagen stammen hingegen aus der Nichtausschüttung von Gewinnen, die das Unternehmen in der Vergangenheit erwirtschaftet hat. Sie hätten zur Ausschüttung an die Aktionäre verwandt werden können, wurden stattdessen aber ins Unternehmen reinvestiert und dienten damit der Stärkung seiner Kapitalbasis. Der Bilanzgewinn ist nichts anderes als der Gewinn, der im Geschäftsjahr der Bilanz erzielt wurde. Er wird entweder zur Ausschüttung an die Aktionäre (Dividendenzahlung) verwandt oder in die Gewinnrücklage eingestellt.
Anteile anderer Gesellschafter, manchmal auch nicht beherrschende Anteile genannt, entstehen bei Konzernen, wenn einzelne Tochterunternehmen neben dem bilanzierenden Konzern noch andere Mütter haben. Das Eigenkapital dieser anderen Mütter geht dann ebenfalls in das Eigenkapital der Konzernbilanz ein, wird aber -da es ja nicht von den Aktionären der Muttergesellschaft aufgebracht wurde -getrennt ausgewiesen. Ein anderer Begriff für diese Bilanzposition ist Minderheiten.
Innerhalb der Schulden sind zunächst die Rückstellungen von Bedeutung. Rückstellungen werden für Verbindlichkeiten gebildet, die entweder grundsätzlich oder in ihrer genauen Höhe noch nicht völlig sicher bekannt sind. Ein Beispiel für letzteren Fall wäre etwa ein Prozess, in den die Aktiengesellschaft verwickelt ist und dessen Ausgang eine größere Zahlung zur Folge haben könnte, wenn die Gesellschaft ihn verlöre. Für diese eventuelle Zahlung wird vorsichtshalber eine Rückstellung gebildet. Gewinnt die Gesellschaft den Prozess, wird diese Rückstellung aufgelöst, was den Gewinn entsprechend erhöht. Verliert sie ihn dagegen, wird mit der Rückstellung der zu zahlende Betrag finanziert.
Unter den verschiedenen Rückstellungsarten haben in Deutschland die Pensionsrückstellungen eine besonders hohe Bedeutung. Sie entstehen, wenn die Aktiengesellschaft ihren Mitarbeitern eine betriebliche Altersvorsorge zusagt und die spätere Finanzierung dieser Betriebsrente nicht durch externe Pensionsfonds oder den Abschluss einer Versicherung sicherstellt, sondern die für die betriebliche Altersvorsorge notwendige Finanzmasse "bei sich selbst", also im eigenen Unternehmen, anlegt. Da ein Teil der Finanzierung dann weder durch die Aktionäre noch durch externe Fremdkapitalgeber, sondern quasi durch die Belegschaft mittels derer Altersersparnisse erfolgt, muss dieser Teil in der Bilanz gesondert ausgewiesen werden.
Auch die anderen Rückstellungen werden im Anhang der Bilanz wieder genauer beschrieben und erläutert. Es handelt sich typischerweise um Rückstellungen für Umweltschutzaufwendungen, für noch zu zahlende Steuern, für Risiken und Verpflichtungen aus dem Lieferungs-und Leistungsverkehr (etwa Produkthaftung) und für Verpflichtungen gegenüber den Mitarbeitern, zum Beispiel Urlaubsansprüche oder Jubiläumszahlungen.
Rückstellungen sind bei den Unternehmensleitungen in Deutschland aus mehreren Gründen sehr beliebt. Sie unterliegen nicht, wie thesaurierte Gewinne, der Körperschaftsteuer. Es ist deshalb für die Aktiengesellschaft interessant, einen Teil ihres Gewinns so lange wie möglich als Rückstellung zu verbuchen und diese erst so spät wie möglich gewinnerhöhend aufzulösen. Damit wird die Zahlung der Körperschaftsteuer hinausgeschoben, und der Steuerbetrag steht dem Unternehmen noch eine Zeit lang zu Investitionszwecken zur Verfügung.
Durch eine erhöhte oder verminderte Dotierung der Rückstellungen kann eine gewisse Glättung des Unternehmensgewinns über die Zeit erreicht werden. Dies ermöglicht einerseits eine kontinuierliche Dividendenzahlung, andererseits für eine bestimmte Zeit das Verstecken von Verlusten durch Auflösung oder geringere Dotierung der Rückstellungen. Aus diesen Gründen widmen die Finanzanalysten den Rückstellungen oftmals ihre besondere Aufmerksamkeit.
Die unter Verbindlichkeiten zusammengefassten Positionen umfassen das echte Fremdkapital, also die dem Unternehmen zur Verfügung gestellten Kredite. Die Finanzschulden beziffern die von der Gesellschaft emittierten Anleihen, Bankschulden, Verbindlichkeiten aus Leasingverträgen oder Wechselverbindlichkeiten. Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen entsprechen den Forderungen aus Lieferungen und Leistungen, die wir bereits auf der Aktivseite der Bilanz kennengelernt haben. Unter den übrigen Verbindlichkeiten befinden sich etwa noch zu zahlende Steuern oder Sozialabgaben. Auch hierzu gibt der Anhang der Bilanz weitere Informationen zu Struktur und Höhe der einzelnen Positionen.