TEIL 1: Einleitung

TEIL 2: Aktivseite der Bilanz

TEIL 3: Passivseite der Bilanz

TEIL 4: Kapitalflussrechnung

TEIL 5: Kennzahlenanalyse I

TEIL 6: Kennzahlenanalyse II

Nachdem in der vorherigen Ausgabe einige wichtige Kapital-und Vermögensstrukturkennzahlen dargestellt worden sind, folgt nunmehr die Analyse wichtiger Liquiditäts-und Rentabilitätskennzahlen. Damit das nicht allzu theoretisch bleibt, wollen wir erneut am Beispiel der Bilanz des vergangenen Jahres von Rheinmetall vorgehen .

Liquiditätskennzahlen. Die fundamentale Unternehmensanalyse unterscheidet in erster Linie drei verschiedene Liquiditätsgrade, die durch die zunehmende Einbeziehung mehr oder weniger liquider Mittel und ihrer Gegenüberstellung mit den kurzfristigen Verbindlichkeiten gekennzeichnet sind. Das Ziel dieser Analyse ist vor allem, die Erkenntnis darüber zu gewinnen, ob das Unternehmen über die flüssigen Mittel verfügt, die erforderlich sind, um in naher Zukunft alle Zahlungsverpflichtungen erfüllen zu können. Dies ist deshalb wichtig, weil ein Mangel, also Illiquidität, neben der Überschuldung die Ursache für eine Insolvenz sein kann.

Liquidität 1. Grades = flüssige Mittel / kurzfristige Verbindlichkeiten.

Bei dem von uns gewählten Beispiel, der Bilanz des Rheinmetall-Konzerns, zeigt die Analyse, dass diese komfortable Liquiditätskennziffern aufweist. Die in die Berechnung der Liquidität 1. Grades eingehenden flüssigen Mittel reichten im vergangenen Jahr aus, um 36 Prozent der kurzfristigen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Liquidität 2. Grades = (flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen) / kurzfristige Verbindlichkeiten.

Für die Ermittlung der Liquidität 2. Grades sind neben den flüssigen Mitteln die Angaben zu den kurzfristigen Forderungen zu berücksichtigen. Diese Liquiditätskennziffer lag 2012 im Rheinmetall-Konzern bei 122 Prozent. Das bedeutet, dass die kurzfristigen Verbindlichkeiten um das 1,2-Fache durch flüssige Mittel und kurzfristig realisierbare Forderungen unterlegt sind. Diese Prozentzahl ist ebenso wie die Liquidität 3. Grades (182 Prozent) als komfortabel einzustufen.

Liquidität 3. Grades = (flüssige Mittel + kurzfristige Forderungen + Vorräte +Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe) / kurzfristige Verbindlichkeiten.

Für die Ermittlung der Liquidität 3. Grades werden also noch die Vorräte sowie Roh-, Hilfs-und Betriebsstoffe hinzugezählt. Denn im Extremfall können diese kurzfristig liquidiert werden: Bei der Analyse der Liquiditätskennzahlen ist allerdings zu berücksichtigen, dass auch eine zu große Liquidität nicht ganz unproblematisch ist. Denn ein zu hoher Bestand an liquiden und damit in der Regel nicht verzinslichen Mitteln senkt natürlich die Rentabilität des Unternehmens.

Rentabilitätskennzahlen. Die Analyse der Kapital-und Vermögensstruktur eines Unternehmens und seiner Liquiditätslage liefert dem (potenziellen) Aktionär wichtige Entscheidungshilfen, ob er die Aktie dieses Unternehmens kaufen, halten oder verkaufen soll. Noch bedeutsamer für diese Entscheidung sind aber die Kennzahlen, die die Rentabilität der Aktiengesellschaft widerspiegeln. Nur die Aktie eines rentablen Unternehmens, das also einen dem Kapitaleinsatz angemessenen Gewinn erzielt, ist auf Dauer ein gutes Investment.

Bei der Analyse der Rentabilität wird der Gewinn des Unternehmens beispielsweise in Beziehung zum Gesamtkapital, zum Eigenkapital und zum Umsatz gesetzt. Alle drei Kennzahlen können interessante Ergebnisse liefern.

Bei der Gesamtkapitalrentabilität werden neben dem Gewinn auch die gezahlten Zinsen berücksichtigt:

Gesamtkapitalrendite = (Jahresüberschuss + Zinsaufwand) / Gesamtkapital.

Diese Kennzahl gibt an, wie rentabel das Gesamtkapital des Unternehmens eingesetzt wurde. Die Gesamtkapitalrentabilität sollte höher als der Zinsfuß sein, der für das Fremdkapital gezahlt wird. Anderenfalls hat das Unternehmen Fremdkapital aufgenommen, obwohl es offensichtlich keine Investitionsmöglichkeiten gibt (oder gab), die über die Fremdkapitalkosten hinaus einen Gewinn erzielen. Das in dem Unternehmen eingesetzte Gesamtkapital entspricht der Bilanzsumme. Als Gewinn wird der in der Gewinn-und Verlustrechnung ausgewiesene Jahresüberschuss übernommen, bereinigt um anderen Gesellschaftern zustehende Gewinne. Die Zinsen sind wiederum im Anhang der Bilanz zu finden. Die Gesamtkapitalrendite von Rheinmetall betrug im vergangenen Jahr 5,2 Prozent und lag damit wie in den Vorjahren -und wie gefordert - über dem Zinsfuß des Fremdkapitals.

Bei der Eigenkapitalrentabilität werden nur der Gewinn und das Eigenkapital in Relation zueinander gesetzt. Diese Kennziffer gibt an, wie rentabel das von den Aktionären durch den Erwerb neu emittierter Aktien oder den Verzicht auf eine Ausschüttung zur Verfügung gestellte Eigenkapital von der Unternehmensleitung eingesetzt wurde.

Eigenkapitalrendite = Jahresüberschuss /Eigenkapital.

Die Eigenkapitalrentabilität sollte höher sein als die Gesamtkapitalrentabilität, da das Eigenkapital primär das Risiko des Unternehmens trägt. Für diese Risikoübernahme verdient das Eigenkapital gegenüber den sichereren Zinsen für das Fremdkapital eine Risikoprämie. Hierin liegt übrigens auch der finanztheoretische Grund für die langfristig höhere Rendite von Aktien gegenüber der festverzinslicher Wertpapiere. Mit einer Eigenkapitalrentabilität von 13 Prozent erfüllt Rheinmetall auch diese Anforderung.

Zur Beurteilung des operativen Geschäfts lassen sich mehrere Maßstäbe anwenden. Hier werden beispielsweise das Ebitda, das Betriebsergebnis, das Vorsteuerergebnis oder der Jahresüberschuss ins Verhältnis zum Umsatz gesetzt. Für den Aktionär ist zweifelsohne am wichtigsten, wie sich die Nettoumsatzrendite darstellt, da in dieser Zahl neben den operativen Ergebnissen auch der Zinsaufwand und die Steuern berücksichtigt sind.

Nettoumsatzrendite = Jahresüberschuss /Umsatz.

Für die Höhe der Umsatzrentabilität gibt es keine allgemein verbindliche Anforderung wie für die Gesamt-oder Eigenkapitalrentabilitäten. Vielmehr ist die Umsatzrendite - wie etwa auch die Eigenkapitalquote -in hohem Maße von der Branche abhängig, in der das Unternehmen tätig ist.

Mit einer Nettoumsatzrendite von 4 Prozent im Jahr 2012 hat Rheinmetall im Vergleich zu den Vorjahren an Profitabilität eingebüsst. Wie bei jeder Analyse muss auch hier eruiert werden, ob das Ergebnis eventuell durch Einmaleffekte verzerrt ist. Ihre volle Aussagekraft erhält die Umsatzrentabilität zum einen im zeitlichen Vergleich (ist die Umsatzrentabilität des Unternehmens in den vergangenen Jahren gestiegen oder gesunken?), zum anderen im Vergleich mit anderen Unternehmen der gleichen Branche (weist das Unternehmen eine höhere oder geringere Umsatzrentabilität aus als seine engsten Konkurrenten?). Vor allem bei letzterem Vergleich ist allerdings höchste Sorgfalt erforderlich, damit man wirklich gleichartige und damit vergleichbare Unternehmen untersucht.

Diese Ausführungen zur Kennzahlenanalyse reflektieren nur einen kleinen Ausschnitt aus den in der wissenschaftlichen Literatur diskutierten Kennzahlen. Gleichwohl lässt sich bereits mit der Analyse einiger weniger Daten eine gute Einschätzung über die wirtschaftliche Situation eines Unternehmens geben.

Eines darf dabei aber nicht übersehen werden: Nie darf eine einzelne Kennzahl zu einer Einschätzung einer Aktie oder eines Unternehmens führen. Und die Entwicklung der Kennzahlen im Zeitablauf ist fast immer aussagekräftiger als der Vergleich der ermittelten Kennzahlen mit denen anderer Unternehmen.