"Bilfinger täte gut daran, einen neuen Vorstandschef Anfang des Jahres an Bord zu haben", sagt etwa Marc Gabriel, Analyst vom Bankhaus Lampe. Eckhard Cordes, der auf Drängen des Bilfinger-Großaktionärs Cevian am Dienstag zum Aufsichtsratsvorsitzenden gewählt wurde, wird bei der Neubesetzung der Konzernspitze eine Schlüsselrolle spielen.
Der Finanzinvestor Cevian aus Schweden hat seinen Anteil an dem Mannheimer Bau- und Dienstleistungskonzern auf 25,6 Prozent aufgestockt, um nach der Auseinandersetzung mit Koch seinen Einfluss zu verstärken. Die Gesellschaft, die auch an ThyssenKrupp oder Volvo beteiligt ist, habe sich noch nie so stark wie bei Bilfinger einmischen müssen, um eine Firma wieder auf die Beine zu bringen, sagte ein Cevian-Vertrauter der Nachrichtenagentur Reuters. Anders als sonst habe Cevian seine Ideen im Aufsichtsrat zur Wertsteigerung nicht durchsetzen können. Deshalb stoße der Investor jetzt einen Neustart im Vorstand und im Aufsichtsrat an.
Wenige Wochen nach dem Rücktritt Kochs, der wegen der zweiten Gewinnwarnung in diesem Jahr und Krach im Aufsichtsrat den Hut nahm, kündigte auch Finanzvorstand Joachim Müller seinen Rückzug an. Außerdem gaben die beiden Männer, die lange Zeit bei Bilfinger das Sagen hatten, ihre Aufsichtsratsmandate ab: Der bisherige Vorsitzende des Gremiums und Ex-Bankchef Bernhard Walter sowie Herbert Bodner, langjähriger Bilfinger-Chef, der nach Kochs Weggang vorübergehend seinen alten Job wieder übernahm. Kern des Problems bei Bilfinger ist der Auftragseinbruch im Energiesektor, wo die Mannheimer für Kunden wie RWE oder Statoil Kraftwerke und Raffinerien erneuern und instand halten. Einen verlustbringenden Bedarf an Abschreibungen, über den Bilfinger vergangene Woche informierte, hatte Müller zuvor noch abgestritten.
Cordes, der ehemalige Spitzenmanager von Daimler, Metro und Haniel, soll den Scherbenhaufen nun zusammenkehren. Der 63-Jährige gilt als machtbewusst und durchsetzungsfähig. Bei seinen letzten Engagements als Vorstandschef von Haniel und Metro hatte er allerdings nicht immer eine glückliche Hand.
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"OPERATION AM OFFENEN HERZEN"
Das neue Management muss den Weg aus der Misere finden, in die Bilfinger unter Koch geraten ist. Nach Darstellung von Interimschef Bodner ist diese damit zu erklären, dass der frühere hessische Ministerpräsident das durch Zukäufe kompliziert gewordene Netz von rund 500 Einzelfirmen zum falschen Zeitpunkt zu schnell neu ordnen wollte. Denn während das Kraftwerksgeschäft für Bilfinger in Europa im Gefolge der Energiewende einbrach, waren die Führungskräfte zu viel mit sich selbst beschäftigt. "Das war wie eine Operation am offenen Herzen, der Kniegelenke und der Wirbelsäule gleichzeitig", beschrieb ein Firmenkenner die Situation.
Ob der vor bald zehn Jahren eingeleitete Wandel weg vom Baugeschäft hin zu Ingenieur-Dienstleistungen noch richtig ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. So entwirft und wartet Bilfinger Kraftwerke und Industrieanlagen oder managt Gebäude. Der Hochbau soll als einzige Bausparte beibehalten werden. Cevian, mit 25,6 Prozent Hauptaktionär und bisher mit Jens Tischendorf im Aufsichtsrat vertreten, hat dieses Konzept bisher nicht infrage gestellt. Und auch der mit gut drei Prozent zweitgrößte Investor, die Hansa AG des Adam-Opel-Nachkommen Georg von Opel, hält das Geschäftsmodell für richtig. Wechsel im Management seien wegen der schwierigen Phase unabdingbar, erklärte ein Sprecher von Hansa. Eine grundlegende Neuausrichtung sei aber nicht erforderlich.
"Bilfinger muss die Strategie nicht massiv ändern. Das Servicegeschäft hat sich über längere Zeit positiv entwickelt", sagt auch Ingbert Faust, Analyst von der Equinet Bank. So käme Bilfinger zum Beispiel der Trend bei Industrieunternehmen entgegen, Wartungs- und Serviceverträge an wenige große Anbieter zu vergeben. "Das Geschäftsmodell ist gut, das Unternehmen braucht jetzt nur Zeit für eine Konsolidierung."
Die Mannheimer sattelten auf die industriellen Dienstleistungen um, weil diese mehr Profit als das Baugeschäft abwarfen und weniger konjunkturabhängig sein sollten. Doch beides habe sich jetzt als Irrtum erwiesen, kritisierte dagegen Ingo Schmidt, Branchenanalyst von der Hamburger Sparkasse. "Das war nicht der Weisheit letzter Schluss." Es sei nicht zu erwarten, dass die Energiewende in Deutschland zurückgedreht werde. Auch das Geschäft mit der Wartung/Instandhaltung von Raffinerien wie etwa für den Großkunden Statoil aus Norwegen stehe womöglich zur Disposition, weil es Überkapazitäten an Raffinerien in Europa gebe. Angesichts der Schwäche am Energiemarkt ließen sich hierfür aber so bald keine Käufer finden. "Bilfinger braucht erstens neue Gesichter und zweitens Zeit", fasst Haspa-Analyst Schmidt zusammen.
Reuters