Die Abkühlung auf dem Covid-19-Impfstoffmarkt ist nicht mehr zu übersehen. Im zweiten Quartal nahm das Mainzer Biotech-Unternehmen mit seinem mRNA-Vakzin 3,2 Milliarden Euro ein, das sind 40 Prozent weniger als im Vorjahresquartal. Das Betriebsgewinn hat sich mit 2,2 Milliarden Euro zum Vergleichszeitraum nahezu halbiert. Anleger hatten sich wohl mehr erhofft oder zumindest auf eine Erhöhung der Jahresprognose spekuliert. Die Aktie rutschte daher tief in den roten Bereich, am US-Markt fiel das Papier am Montag um bis zu elf Prozent.
Dabei war diese Entwicklung nach den Zahlen von Moderna und Novavax vorherzusehen. Im Herbst erwartet Biontech-Chef Ugur Sahin einen Anstieg der Nachfrage, weshalb der Konzern auch an seiner Umsatzprognose für den Impfstoff von 13 bis 17 Milliarden Euro festhält. Klar ist aber auch, dass der Herbst einige Unsicherheiten bereithält. Die Daten für Biontechs ersten angepassten Omikron-Impfstoff liegen bereits bei der europäischen Zulassungsbehörde EMA. Allerdings enthält dieser neben mRNA des ursprünglichen Virus Bestandteile von Omikron BA.1, das kaum noch im Umlauf ist. Studien mit einem weiteren neuen Vakzin, das auch mRNA des aktuell zirkulierenden BA.4/5- Subtyps enthält, beginnen in diesen Tagen. Die Varianten unterscheiden sich erheblich, deshalb ist vorstellbar (und Tierversuchsdaten deuten darauf hin), dass das BA.4/5-Vakzin besser wirkt. Beide Varianten-Impfstoffe werden bereits produziert.
Die Frage ist: Bekommt im Oktober dann jedes Land den Impfstoff, den es haben will? Oder gehen die mutmaßlich wirksameren BA.4/5- Dosen vornehmlich in die USA, weil die FDA von Anfang an auf diese gepocht hat? Und wie wird sich das auf die Impfbereitschaft auswirken? Es ist völlig offen, ob Biontech aus dieser Gemengelage einen finanziellen Vor- oder Nachteil ziehen wird - oder ob im Winter dann ohnehin wieder ein anderer Subtyp unterwegs ist. Bloomberg-Analyst John Murphy hält die Umsatzprognose für das gesamte Jahr dennoch für zu konservativ, gemessen an den Bestellungen, die bereits vorliegen.
Weitere Produktkandidaten gegen Krebs und Infektionskrankheiten treibt Biontech unterdessen mit Hochdruck voran. Die Pipeline ist mit 18 Krebswirkstoffen und bald drei weiteren Impfstoffen gegen Infektionen in klinischer Prüfung umfangreich und breit aufgestellt. Dafür ist die Bewertung mit einem KGV für 2023 von acht immer noch sehr günstig. Wer die Unsicherheit der kommenden Monate gut aushalten kann und an Biontechs Zukunft glaubt, greift zu.
Rückschlag: Der Ausbruch Richtung 185 Euro ist vorerst gescheitert. Die nächste starke Unterstützung befindet sich um 120 Euro.
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