Rote Blutkörperchen sind die Quelle des Lebens. Sie transportieren Sauerstoff in den menschlichen Organismus - und Enzyme wie L-Asparaginase. Diese Funktion macht sich Erytech beim Entwickeln von Krebsmedikamenten zunutze, denn das Enzym blockiert ein Molekül, das beim Tumorwachstum eine entscheidende Rolle spielt.

Die Wirksamkeit dieser Therapie ist seit 30 Jahren bekannt. Das Neue bei Erytech ist, das sich bei dem Wirkstoff Graspa mittels einer selbst entwickelten und patentierten Technologie die toxische Wirkung des Moleküls stark verringert. Zudem kann Graspa mit einer Chemotherapie kombiniert werden. Aktuell läuft der Zulassungsantrag für die europäischen Märkte. Sollten die Behörden grünes Licht geben, räumen Experten dem Produkt allein in der Indikation Akute Lymphoblastische Leukämie jährliche Umsätze von bis zu 70 Millionen Euro ein. Vermarktet wird das Produkt von der italienischen Pharmafirma Recordati, die sich auf solche Nischenprodukte spezialisiert hat. Die klinischen Studien bei weiteren Leukämiearten und bei Pankreaskrebs laufen.



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Eine Branche reift

Bei den Investoren kommt die Erfolgsstory an. Seit Bekanntgabe der positiven klinischen Endergebnisse hat sich der Aktienkurs von Erytech verdoppelt. Und Firmenchef Gil Beyen nutzte die Euphorie, um 30 Millionen Euro frisches Geld einzusammeln. 68 Prozent der Investoren, die bei der Ausgabe der neuen Aktien zum Zuge kamen, stammen aus den USA.

Das Beispiel Erytech steht für eine französische Biotech-Industrie, die in den vergangenen Jahren deutlich an Größe zugelegt hat. "Bezogen auf die Anzahl der börsengelisteten Firmen ist der französische Biotechsektor mittlerweile der größte in Europa", erläutert Sébastien Malafosse, Biotech-Analyst bei Oddo Seydler. 29 Biotechfirmen sind derzeit an der Börse Paris in den Segmenten Euronext und Alternext gelistet. Unterwegs sind die Firmen vor allem in Krankheitsfeldern mit hohem medizinischen Bedarf, also Krebs, Infektions- und Stoffwechselkrankheiten.

Von ihrer Kapitalausstattung her stehen die meisten französischen Firmen besser da als beispielsweise ihre deutschen Pendants, die seit Jahren unter unzureichenden Finanzierungsmöglichkeiten leiden. Dabei verfügt Frankreich über weniger Wagniskapitalfirmen. Doch was an Risikokapital fehlt, machen umfassende Steuervergünstigungen mehr als wett. Diese gelten sowohl für Firmengründer als auch für Anleger, die in französische Biotechfirmen investieren.

Die jüngsten Erfolgserlebnisse tun ein Übriges, um ausländische Investoren anzulocken. Andere Firmen wie Cellectis wagen für ein Zweitlisting gleich den Sprung über den Großen Teich. 228 Millionen US-Dollar nahm die an der Alternext gelistete Firma bei Investoren an der Nasdaq ein - und ist damit über die kommenden Jahre durchfinanziert.

Cellectis ist ebenfalls in der Krebsforschung aktiv und hat eine Immuntherapie entwickelt. Bei dieser attackieren - vereinfacht gesagt - gentechnisch veränderte körpereigene Immunzellen die Tumorzellen. Insgesamt 34 Kandidaten hat Cellectis in der klinischen Entwicklung. Davon sind insgesamt 22 an die Partner Pfizer und Servier auslizenziert. Insgesamt 3,9 Milliarden US-Dollar kann Cellectis aus den Kooperationen über erfolgsabhängige Meilensteinzahlungen erzielen. Allerdings befinden sich diese Projekte noch in der klinischen Frühphase. Mangels kurstreibender Nachrichten in nächster Zukunft ist die Aktie auf dem aktuellen Niveau daher erst einmal gut bezahlt.



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Sechs Firmen im Visier

Neben Cellectis und Erytech sieht BÖRSE ONLINE vier weitere französische Biotechs langfristig als aussichtsreich an. Ebenfalls in der Krebsforschung aktiv ist Innate Pharma. Vor allem der Abschluss einer Allianz mit Bristol-Myers Squibb ließ die Aktie zuletzt abheben. Auch hier gilt: Mangels kurstreibender Nachrichten ist erst einmal die Luft aus dem Kurs draußen.

Mehr Potenzial verspricht der Börsenneuling Poxel, bei dem gerade drei Substanzen die Wirksamkeitstests durchlaufen. Die 2009 vom Pharmakonzern Merck Serono ausgegliederte Gesellschaft ist noch auf der Suche nach Partnern für die weitere Entwicklung. Entsprechende Vertragsabschlüsse würden dem Aktienkurs neuen Schub geben. Noch einen Tick spekulativer ist Genfit. Ein Großteil des Firmenwerts hängt an einem Hoffnungsträger - der hat es allerdings in sich. GFT 505 soll als Therapie gegen Nash, eine nicht durch Alkohol bedingte Verfettung der Leber, zum Einsatz kommen. Aktuell befindet sich GFT 505 in der klinischen Endphase. Auch hier gilt: Für die spätere Vermarktung sucht Genfit noch einen Partner. Dementsprechend groß ist bei der Aktie der
Hebeleffekt bei erfolgreicher Suche.

Dann wäre da noch DBV Technologies. Die Firma hat sich auf Medikamente gegen Lebensmittelallergien bei Kindern spezialisiert. Die mutige Entscheidung, alle klinischen Studien in Eigenregie durchzuführen und erst nach erfolgreicher Zulassung einen Partner für die Vermarktung ins Boot zu holen, könnte sich auszahlen. Nach einer Kapitalmaßnahme im Vorjahr ist DBV finanziell solide aufgestellt. Zudem stehen im zweiten Halbjahr einige wichtige Studienergebnisse an.



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Bio-Sextett aus Frankreich