Für manche amerikanischen Investoren liegt es klar auf der Hand: Dass der US-Pharmariese Pfizer seinen deutschen Partner Biontech übernehmen werde, sei nach dem überragenden Erfolg bei der Impfstoffentwicklung gegen Covid-19 doch wohl ausgemachte Sache.
Nun wären Biontechs Mehrheitsaktionäre zwar nicht die ersten, die am Ende etwas anderes tun, als sie sagen. Doch bisher werden die Brüder Thomas und Andreas Strüngmann, denen mehr als die Hälfte von Biontech gehört, nicht müde zu verkünden, dass sie mit dem Mainzer Unternehmen einen neuen deutschen Pharmakonzern aufbauen wollen. Ähnliches gilt für Dietmar Hopp, dessen Family Office einen erheblichen Teil der Curevac-Aktien hält.
Technologische Durchbrüche
Doch die Gerüchte haben einen wahren Kern: Der Erfolg in der Corona-Pandemie hat die mRNA-Technologie ins Zentrum des Interesses katapultiert. Wie schon oft in der Geschichte des Biotech-Sektors steigen durch einen Technologie-Durchbruch eines Unternehmens die Chancen von Firmen auf dem gleichen Gebiet, genug Kapital und kluge Köpfe anzuziehen, um selbst erfolgreich zu sein - oder tatsächlich mit einem kräftigen Aufschlag auf den Aktienkurs übernommen zu werden.
Das macht solche Entwicklungen auch für Anleger attraktiv. Einige der besten Vertreter neuer Technologieplattformen oder therapeutischer Ansätze stellen wir nachfolgend vor.
Der Zeitpunkt für einen Einstieg ist trotz der jüngsten Kurssteigerungen richtig. Denn die Bedingungen für Biotechnologiefirmen sind besser denn je. "Die Stimmung ist sehr gut, es gibt sehr viel Kapital, sogar für europäische Unternehmen", sagt Rudi Van Den Eynde, Manager des Biotechnologie- und Onkologiefonds des Vermögensverwalters Candriam. "Firmen profitieren sehr davon, wenn sie sich auf Forschung und Entwicklung konzentrieren können, ohne ständig neues Geld einwerben zu müssen." Allein die im internationalen Vergleich eher kleinen an der Euronext notierten Biotech-Unternehmen konnten 2020 ihre Mittel über Kapitalerhöhungen um 2,68 Milliarden Euro steigern. 81 Firmen wagten im vergangenen Jahr den Sprung an die dominierende US-Tech-Börse Nasdaq und erlösten dabei umgerechnet 11,2 Milliarden Euro.
Auch die amerikanische Translate Bio besorgte sich schon im vergangenen Juni über 100 Millionen Euro frisches Kapital. Die Firma entwickelt ein hochinteressantes, inhalierbares mRNA-Medikament gegen Cystische Fibrose. Mit dem französischen Pharmakonzern Sanofi arbeitet Translate zudem an einem weiteren mRNA-Impfstoff gegen Covid-19, der demnächst in die klinische Prüfung geht. Die Firmen wollen generell bei Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten kooperieren - eine Entscheidung von Sanofi, die wegweisend für die großen Pharmakonzerne sein könnte. "Die großen Impfstoffhersteller müssen sich fragen, wie sie in die neue mRNA-Technologie investieren können, weil diese den traditionellen Methoden in vielerlei Hinsicht weit überlegen ist", sagt Christian Lach, Manager des BB Adamant Biotech-Fonds. "Auf der einen Seite erzielen mRNA-Impfstoffe offenbar eine gute Immunreaktion auch bei älteren Menschen, ein großes Manko bei vielen konventionellen Impfstoffen, auf der anderen Seite sind die Produktionskosten und die Anpassungsgeschwindigkeit unschlagbar."
Potenzial für schnelles Wachstum
Unternehmen mit dem entsprechenden mRNA-Know-how werden dadurch für Konzerne wie Merck & Co., Glaxosmithkline oder Johnson & Johnson hochinteressant. Glaxos Übereinkunft, mit Curevac zusammen einen mRNA- Impfstoff gegen neue SARS-CoV-2-Varianten anzuschieben, spricht Bände. Die Aufmerksamkeit dürfte sich auch auf die kalifornische Arcturus Therapeutics richten. Sie verfügt ebenfalls über einen Corona-Impfstoff, mit dem im zweiten Quartal eine Phase-3-Wirksamkeitsstudie begonnen werden soll - bislang noch ohne Partner. Außerdem forscht Arcturus an mRNA-Therapien gegen eine erbliche Lebererkrankung und gegen Cystische Fibrose.
Pandemiebedingt stehen Fortschritte in der Krebsforschung aktuell weniger im Fokus der Öffentlichkeit. Doch natürlich birgt auch hier jeder neue, belegbar Wirkung zeigende Ansatz das Potenzial für überdurchschnittliches Wachstum. In der modernen Krebsbehandlung ist die Suche nach Stoffen, die sich mit den Immuntherapien ergänzen und sich gegenseitig in der Wirkung verstärken, nach wie vor ein heißes Thema. Als spannender Kandidat gilt dabei die US-Firma Iovance. Die Wissenschaftler vermehren und aktivieren patienteneigene Immunzellen, die in Tumore eindringen, statt wie viele andere Therapieansätze nur an der Oberfläche zu wirken. Krebsherde können sich oft gegen diese sogenannten Tumor-infiltrierenden Lymphozyten wehren. Die Technologie von Iovance vermag diese Abwehr aber auszuschalten. Die auf diese Weise hochpotent gemachten Zellen werden dem Patienten wieder zurückgegeben - mit bisher ermutigenden Resultaten in verschiedenen Krebsarten.
Neue Mechanismen
Ebenfalls vielversprechend ist die intelligente Umleitung der zellulären Müllabfuhr, die normalerweise instabile Proteine in Körperzellen abbaut. Neue Wirkstoffe programmieren diesen Müllbeseitigungsmechanismus um, sodass er auf Oberflächenmerkmale von Krebszellen reagiert. "Die Krebszellen werden dann vernichtet", sagt Candriam-Manager Van Den Eynde. "Das funktioniert zum Beispiel auch unter Bedingungen, wo Antikörper gegen die gleichen Oberflächenmerkmale Probleme haben."
Ein Pionier auf diesem Forschungsfeld ist Arvinas aus dem US-Bundesstaat Connecticut. Das am weitesten fortgeschrittene Produkt der Firma ist eine Tablette gegen Prostatakrebs in Phase 2, ein weiterer Medikamentenkandidat wird in einer Phase-1-Studie bei Brustkrebspatientinnen getestet. In einer Zwischenauswertung der Brustkrebsstudie im Dezember berichtete Arvinas von schrumpfenden Tumoren bei fünf der zwölf Patientinnen, obwohl diese bereits diverse andere Therapien vergeblich ausprobiert hatten.
Von der Idee her weniger neu ist die Blockade des kleinen Moleküls KRAS, das bei sehr vielen Krebskranken mutiert ist und unaufhörlich die Zellteilung antreibt. Bis vor zwei Jahren war es keiner Forschungsabteilung der Welt gelungen, KRAS bei Patienten zu deaktivieren. Doch jetzt steuert Amgens Mittel für eine ganz bestimmte KRAS-Mutation auf die Zulassung zu. Die nächste Generation von Wirkstoffen, die auf andere oder gar alle KRAS-Mutationen abzielen, sind bei Firmen wie Revolution Medicines, Bridgebio oder Mirati bereits in der Entwicklung. Im Erfolgsfall winken ein riesiger Markt - und Begehrlichkeiten bei Big Pharma.
INVESTOR-INFO
mRNA-Nachrücker
Im Mittelpunkt des Interesses
Die Corona-Varianten, die teilweise auch bereits gesundete oder geimpfte Menschen infizieren können, zeigen: Auf dem Markt für Impfstoffe auf mRNA-Basis ist noch Platz. Darüber hinaus dürften sich alle großen Pharmakonzerne für die zukunftsträchtige Technologie interessieren. Punkten Arcturus oder Translate auch bei seltenen Erkrankungen, ist das Potenzial zur Wertsteigerung immens.
Onkologie-Pioniere
Die heißesten Themen
Arvinas und Iovance stechen mit sehr eigenständigen Therapieansätzen heraus. Miratis KRAS-Hemmer könnte Ende 2021 zugelassen werden. Davon sind Bridgebio und Revolution noch weit entfernt. Bridgebio hat jedoch auch diverse Medikamente gegen sehr seltene Erkrankungen in Entwicklung.
Healthcare-portfolios
Profis am Werk
Wer auf Fonds oder die Beteiligungsgesellschaft BB Biotech setzt, profitiert von der Expertise der Profis und streut das Risiko. Der Candriam-Fonds investiert rund um das Thema Krebsforschung, der Medical BioHealth setzt explizit auch auf kleinere Firmen, die übernommen werden könnten. BB Biotech bietet rund vier Prozent Dividendenrendite.