Angesichts der steigenden Zahl der Corona-Infektionen drücken Impfstoffentwickler aufs Tempo. Astrazeneca konnte zu Wochenbeginn einen Erfolg melden: Der Impfstoffkandidat, den die Briten mit der Universität Oxford entwickeln, habe bei älteren Menschen positive Resultate geliefert, hieß es. Diese Gruppe gilt als besonders gefährdet. Die Aktie (siehe Ausgabe 43/2020) bleibt weiter kaufenswert. Die Mainzer Biotechfirma Biontech und ihr Pharmapartner Pfizer gehen indes davon aus, Ende Oktober klinische Wirksamkeitsdaten präsentieren zu können. In der dritten November-Woche könnten dann Sicherheitsdaten vorliegen, die als Basis für den Zulassungsantrag dienen. Im November wollen beide Firmen bei der US-Gesundheitsbehörde FDA während des laufenden Verfahrens eine Notfallgenehmigung erreichen. Pfizer zufolge sind dafür die Daten von mindestens der Hälfte der Teilnehmer der laufenden Studien über eine Dauer von zwei Monaten nach der abgeschlossenen Impfung erforderlich.
Auch das US-Biotech-Unternehmen Moderna plant, zeitgleich mit den für den 25. November avisierten Studienergebnissen eine beschleunigte Zulassung für die USA zu beantragen.
Für den langfristigen Erfolg der Impfstoffe und damit auch für die Rendite der Anleger ist eine Reihe von Faktoren entscheidend. "Die Covid-19-Impfstoffe werden gesunden Menschen verabreicht. Deshalb ist die Produktsicherheit ein ganz zentrales Thema", sagt Mario Linimeier, Geschäftsführer bei Medical Strategy. "Dazu ist die Datenlage bei den älteren Patienten problematisch, weil diese bei den meisten klinischen Studien unterrepräsentiert sind." Um eine aussagekräftige Einschätzung der Wirksamkeit einzelner Impfstoffe zu erhalten, so Linimeier, müssen die Langzeitdaten nach der Impfung abgewartet werden.
"Der schnellste Impfstoff muss nicht der beste sein", sagt Markus Manns, Fondsmanager bei Union Investment. "Produkte, deren Wirkprofil auf traditionellen Immunisierungstechnologien basiert, sind zeitlich hinterher, punkten dafür mit ihren Sicherheitsaspekten, die bekannt sind." Überhaupt wisse man noch zu wenig darüber, wie Covid-19-Vakzine langfristig wirken. Optimal als klinischer Endpunkt für alle Impfstoffe wäre die dauerhafte sterilisierte Immunität. Im zweitbesten Fall werden Symptome und Virenlast so deutlich reduziert, dass keine schweren Krankheitsverläufe mehr eintreten. Die meisten Impfstoffe, erklärt Manns, werden nach Einschätzung von vielen medizinischen Experten in das zweite Szenario fallen: Infizierte bleiben ansteckend, aber das Immunsystem hält das Virus in Schach. Schnell und in großen Mengen verfügbare Diagnostika sind darüber hinaus essenziell, um die Pandemie in den Griff zu bekommen. "Bei den Diagnostik-Schnelltests für Covid-19 sind wir mittlerweile weit fortgeschritten. Außerdem werden alle Anbieter im Winterquartal nochmals ihre Herstellungskapazitäten hochfahren", ist Markus Manns überzeugt. Das PCR-Verfahren liefert die genaueste Trefferquote bei der Identifikation von Infizierten. Dieses Gensequenzierungsverfahren analysiert Abstriche aus der Nasenschleimhaut auf ihr genetisches Material. Verfügbar sind PCR-Tests über Hochdurchsatzverfahren im Labor wie auch als Schnelltests etwa in Arztpraxen.
Antigentests mit Geräten oder einfachen Teststreifen sind nicht so sensitiv wie das PCR-Verfahren. Ihr Vorteil: Sie liefern schnelle Ergebnisse in 15 bis 20 Minuten, die über QR-Codes auf Smartphones für Identifikationsausweise an Flughäfen oder bei öffentlichen Veranstaltungen übermittelt werden können. Wegen der geringeren Trefferquote sind sie am besten geeignet bei niedriger Inzidenz von Covid-19 wie in den Sommermonaten. Gerade erst zugelassen ist ein Verfahren der Universität Yale, die den Nachweis aus Speichelproben analysiert. Damit wäre eine einfachere Probeentnahme mit weniger Schutzmaßnahmen für das medizinische Hilfspersonal möglich.
Fünf Aktien mit Kick
Biontech und Moderna sind die zwei aussichtsreichsten Biotechaktien für Corona-Impfstoffe. Beide Unternehmen sind in der mRNA-Technologie unterwegs und haben eine breite Pipeline, deren Entwicklung sie mit den Einnahmen aus dem Covid-19-Impfstoff langfristig finanzieren können. Novavax ist ein Kandidat für die Watchlist. Schaffen die Vakzine gegen saisonale Grippe und die Atemwegserkrankung RSV die Zulassung, hängt der extrem volatile Aktienkurs nicht mehr am Erfolg des Corona-Impfstoffs.
Regeneron Pharmaceuticals ist ein profitables Biotechunternehmen, das mit Produkten wie Dupixent gegen atopische Dermatitis und Eylea gegen Augen-Makuladegeneration Milliardenerlöse erzielt. Der Konzern entwickelt einen Cocktail aus zwei rekombinanten Antikörpern. Das Präparat, das ohne vorliegende Zulassung dem US-Präsidenten Donald Trump zur Behandlung seiner Corona-Infektion verabreicht wurde, soll infizierten Personen helfen, eine Immunantwort aufzubauen.
Testspezialisten
Erste Wahl bei den Diagnostikspezialisten sind der niederländische Biotechspezialist Qiagen und der US-Medtechkonzern Abbott Labs. Der Run auf Corona-Tests beschert beiden einen neuen Wachstumsschub. Bei Umsatz und Gewinn übertrafen beide im dritten Quartal die Erwartungen. Nach der gescheiterten Übernahme durch Thermo Fisher Scientific ging Qiagen selbst auf Einkaufstour und erwarb für 248 Millionen US-Dollar NeuMoDX, eine auf automatisierte Testlösungen mit PCR-Technologie spezialisierte US-Firma. Bei Abbott speist sich das Wachstum aus zwei Quellen. Die Medtechsparte glänzt mit Neuheiten wie dem digitalen Blutzuckermessgerät FreeStyle Libre 2. Im Diagnostikgeschäft hat Abbott sechs Covid-19-Tests auf dem Markt, darunter einen mobil einsetzbaren Schnelltest, der in 15 Minuten zuverlässige Resultate liefert. Das sich durch neue Produkte in den nächsten Jahren wieder beschleunigende Wachstum ist im Kurs noch nicht eingepreist.