Professor Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance and Management bezweifelt das: "Das Rad lässt sich nicht zurückdrehen. Einen Crash herbeizureden, halte ich für verfrüht."
Die chinesischen Behörden brachten den Stein Anfang September ins Rollen, als sie Börsengänge von Krypto-Währungen verboten. Unternehmen dürfen dort, dem größten Markt für solche Initial Coin Offerings (ICO), kein eigenes Geld am Computer mehr schaffen. Die Aufseher bezeichnen diese Form der Kapitalgenerierung als illegal, sie stehe im Zusammenhang mit kriminellen Machenschaften. Wenige Tage später kündigten die ersten chinesischen Börsen an, Ende September den Handel mit Internet-Währungen einzustellen.
Der Bitcoin-Kurs brach an der Börse BitPoint auf 3000 Dollar ein, Anfang September hatte er noch ein Rekordhoch von 5133 Dollar erreicht. An anderen Handelsplätzen kam Bitcoin noch stärker ins Straucheln. Mittlerweile hat sich der Kurs etwas berappelt und liegt bei rund 4000 Dollar. Der Plattform CoinMarketCap zufolge summierte sich die Marktkapitalisierung aller rund 900 Cyber-Währungen zuletzt auf 136 Milliarden Dollar, vor wenigen Wochen waren es noch über 170 Milliarden.
Analyst Timo Emden vom Brokerhaus IG rechnet damit, dass immer mehr Börsen in China ihre Pforten schließen und die Kurse der Cyber-Devisen weiterhin unter Druck stehen werden. "Es könnte eine Kettenreaktion einsetzen", prognostiziert er. "Die nächsten Wochen könnten sich als durchaus richtungsweisend herausstellen." Professor Sandner sieht in der Bitcoin-Schwäche eine Chance für andere Krypto-Gelder wie Ethereum. "Die beiden Währungen haben unterschiedliche Ansätze und die Zeit wird zeigen, welcher sich davon bewährt." So sei Bitcoin als reine Währung konzipiert worden und vor allem dafür da, einen Betrag von A nach B zu transferieren. Ethereum sei dagegen eine Art Plattform, über die etwa Verträge abgeschlossen werden könnten.
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GEBURTSWEHEN EINER NEUEN ANLAGEKLASSE
Dass der jüngste Preissturz nicht noch viel dramatischer ausgefallen ist, liegt nach Ansicht von Experten daran, dass sich am Markt die Meinung durchsetzt, die härtere Gangart der Regulierungsbehörden beschränke sich auf China. "Der Kurs der chinesischen Zentralbank schadet Bitcoin zwar, sie wird weiteres Wachstum aber nicht stoppen können", sagt Analyst Mati Greenspan vom Online-Broker eToro. "Bitcoin lässt sich leicht in Hongkong und noch leichter in Japan erwerben - zwei Länder, die chinesische Bürger häufig besuchen."
Das ICO-Verbot beurteilt Greenspan sogar positiv. Es signalisiere, dass die chinesische Regierung die Entwicklung dieser Währungen aufmerksam verfolge. Eine härtere Gangart der Aufseher sei notwendig, um die chinesischen Anleger, die im ersten Halbjahr umgerechnet 333 Millionen Euro in ICOs angelegt haben, vor Betrügereien zu schützen. Auch die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) riet Zentralbanken in aller Welt, das rasante Wachstum der Internet-Gelder nicht zu ignorieren und gegebenenfalls eigene Währungen einzuführen.
"DIE KUNDEN WOLLEN BITCOIN EINFACH HABEN"
Für Krypto-Währungen wie Bitcoin steht keine Regierung oder Zentralbank ein, daher wird ihr Kurs allein durch Angebot und Nachfrage bestimmt. Geschaffen wird das Geld von Nutzern, deren Computer dafür komplexe Algorithmen berechnen. Da Beträge schnell und anonym transferiert werden können, ist das Geld auch für Nutzer interessant, die illegale Geschäften betreiben oder Kapitalkontrollen umgehen wollen.
Nahezu jede Bank weltweit beschäftigt sich derzeit mit dem Computergeld und der dahinter stehenden Technologie Blockchain. Selbst JP Morgan, dessen Chef Dimon ankündigte, er werde jeden Mitarbeiter sofort feuern, der mit Bitcoin handele, hilft Kunden beim Kauf und Verkauf der Währung über das Indexprodukt Bitcoin XBT. "Man kann es mögen oder nicht, die Kunden wollen Bitcoin einfach haben", sagte der Chef des Optionsbörsenbetreibers CBOE, Edward Tilly, kürzlich.