Bei den deutschen Autoherstellern könnte die Stimmung in diesen Tagen einigermaßen aufgeräumt sein. BMW und Mercedes-Benz feiern Absatzrekorde, Porsche kann sich vor Bestellungen ebenfalls kaum retten und selbst der krisen-geschüttelte Volkswagen-Konzern ist bei der Beilegung des milliarden-schweren Dieselskandals in den USA einen großen Schritt vorangekommen. Doch jetzt droht der ganzen Branche neues Ungemach - ausgerechnet aus dem Weißen Haus. In einem Interview mit der Bild-Zeitung drohte der künftige US-Präsident Donald Trump BMW, Mercedes-Benz und Co. unverhohlen mit Strafzöllen für Auto-Exporte von Mexiko in die USA.

Unruhe in den Chefetagen



Öffentlich gibt sich der Branchenverband VDA angesichts des Säbelrasselns zwar zurückhaltend und verweist tapfer auf einen "möglichen Widerstand im US-Kongress gegen Import-Steuern". Doch in den Chefetagen vieler Konzerne "wächst angesichts der Pläne die Besorgnis", sagt etwa Professor Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management an der FH Bergisch-Gladbach. Schließlich spielt Mexiko in den Expansionsplänen vieler Autobauer eine Schlüsselrolle.

Angelockt von niedrigen Löhnen und zahlreichen Freihandelsabkommen, haben die deutschen Hersteller ihre Investitionen in dem zentral-amerikanischen Land in den vergangenen Jahren deutlich nach oben gefahren. Erst im Herbst nahm etwa Audi unter großem Getöse sein neues Werk in San José Chiapa in Betrieb. Dort läuft der neue City-Offroader Q5 vom Band.

Die Premium-Rivalen ziehen eilig nach. Mercedes-Benz baut gemeinsam seinem Partner Nissan ein neues Werk im mexikanischen Aguascalientes. Dort soll ab 2018 unter anderem die neue A-Klasse vom Band laufen. Und Erzrivale BMW errichtet eine neue Fabrik in San Luis Potosí. Dort soll ab 2019 die nächste Generation des Dreiers produziert werden.

Experten befürchten drastische Absatzeinbrüche in den USA



Doch nun könnten sich die neuen Standorte unversehens als Fehlinvestitionen entpuppen. Sollten Trumps Strafzölle tatsächlich Wirklichkeit werden und die Hersteller auf dem zweit-größten Automarkt der Welt zu drastischen Preiserhöhungen zwingen, drohten "zweistellige Absatz-Einbrüche", warnt Auto-Experte Bratzel.

Analysten sind noch skeptischer: Bei Import-Steuern von 35 Prozent "wäre womöglich die Hälfte des Geschäfts weg", schätzt Jürgen Pieper, vom Bankhaus Metzler. So wie‘s aussieht, steuern die Aktien von BMW, Daimler und Co. gerade auf ihren ersten Härtetest im Jahr 2017 zu.

Auf Seite 2: Welchen deutschen Autohersteller US-Strafzölle am härtesten treffen würden





Angesichts der Drohungen aus dem Trump-Tower rätseln viele Anleger, welchen Autobauer Importzölle am meisten treffen würden. Unsere Einschätzung zu den möglichen Folgen von A wie Audi bis V wie Volkswagen:

Audi



Die Ingolstädter haben sich als erster deutscher Premium-Hersteller für den Bau eines Werks in Mexiko entschieden. Die Fabrik in San Jose Chiapa ging im vergangenen Herbst in Betrieb und produziert die neue Generation des Q5. Insgesamt hat der Standort eine Kapazität von 150.000 Fahrzeugen. Beim Audi-Betriebsrat in Ingolstadt war die Entscheidung für die Produktionsverlagerung des Q5 nach Übersee intern heftig umstritten. In Ingolstadt dürften sich viele Skeptiker im Falle von Strafzöllen demnächst bestätigt fühlen.

Einschätzung



Sollte die neue Trump-Steuer kommen, hätte Audi ein großes Problem, denn bislang verfügt der Konzern über keinen Fertigungsstandort in den USA. Dies könnte den vom Diesel-Skandal in den USA ohnehin angeschlagenen Konzern zusätzlich treffen. Denn bei einem möglichen Bau eines neuen Werks hätte eine wesentlich längere Vorlaufzeit als die reine Produktionsverlagerung in ein bestehendes US-Werk.

BMW



Die Bayern haben Mitte 2016 im mexikanischen San Luis Potosí mit dem Bau ihres ersten mexikanischen Werks begonnen. Auf dem Areal soll ab 2019 die nächste Generation des Dreiers vom Band laufen. Das neue Werk soll eine Kapazität von 150.000 Einheiten pro Jahr haben. Das neue Werk war Anlass für Trumps Drohung. "Ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent-Steuer, dann können sie das vergessen", hatte Trump in einem Interview mit der Bild-Zeitung gesagt.

Doch bei BMW wollen sie sich davon nicht ins Bockshorn jagen lassen. "Wir werden an dieser Entscheidung festhalten", beteuerte BMW-Vorstand Peter Schwarzenbauer Anfang der Woche.

Das weltweit größte BMW-Werk steht in Spartanburg im US-Bundesstaat South Carolina. Dort fertigt der Konzern sämtliche SUV-Baureihen, vom X1 bis zum geplanten X7. Alleine im Vorjahr rollten rund 411.000 Offroader vom Band, 70 Prozent davon waren für den Export bestimmt. 2014 hat der Konzern eine milliardenschwere Erweiterung angekündigt. Nach den Plänen soll die Produktionskapazität auf 450.000 Fahrzeuge pro Jahr steigen.

Einschätzung



Strafzölle auf mexikanische Importe könnten BMW empfindlich treffen. Allerdings hat der Konzern exzellente Kontakte in die Politik. Erst Ende November nominierte Donald Trump South Carolinas republikanische Gouverneurin Nikki Haley als Kandidatin für den Posten der US-Botschafterin bei der UN. Beobachter rechnen damit, dass sie intern ihren Einfluss gegen Strafzölle geltend machen dürfte. Auch der künftige Gouverneur von South Carolina dürfte eher auf der Seite der Automobil-Industrie stehen. Wenn alle Stricke reißen, könnte BMW einen Teil seiner Pkw-Produktion nach Spartanburg verlegen. Allerdings wäre das mit erheblichen Investitionen verbunden und dürfte dauern.

Auf Seite 3: Daimler und Volkswagen





Daimler



Die Schwaben ziehen derzeit gemeinsam mit ihrem Partner Renault-Nissan ein neues Werk in Aguascalientes im Norden Mexikos hoch. Dort sollen November 2017 die Kompakt-Modelle der Nissan-Premium-Marke Infiniti vom Band laufen. Ab Frühjahr 2018 sollen die Mercedes-A-Klasse sowie weitere Modelle auf Basis der Frontantriebsarchitektur (MFA) wie der Kompakt-SUV GLA folgen.

Anders als Audi ist Daimler in den USA gleich mit mehreren Standorten vertreten. In Tuscaloosa im US-Bundesstaat Alabama rollen die SUV-Baureihen GLE, GLE Coupe und der GLS vom Band. Seit 2014 wird zudem die C-Klasse für den nordamerikanischen Markt in Tuscaloosa produziert. Dazu kommen weitere Truckstandorte wie Charleston (Daimler Trucks), Mount Holly (Freightliner) oder Portland (Western Star). Mit 22.000 Jobs ist Daimler der größte deutsche Fahrzeughersteller in den USA.

Einschätzung



Daimler verfügt im Falle von Strafzöllen mit dem Standort in Tuscaloosa mittelfristig über eine mögliche Auffangstelle für weitere Pkw-Modelle. Daimler darf in den USA auf Wohlwollen für eigene Positionen hoffen. Die Schwaben hatten 1981 den US-Truck-Hersteller Freightliner übernommen, im Jahr 2000 schnappten sie sich auch noch Western Star. Beides sind ur-amerikanische Unternehmen. Zudem verfügt Daimler-Boss Dieter Zetsche ("Ask Dr. Z.") seit seiner Zeit als US-Chef des damaligen DaimlerChrylser-Konzerns über gute Kontakte auch in die Politik.

Volkswagen



Das vor über 50 Jahren gegründete Werk in Puebla im mexikanischen Bundesstaat ist das zweitgrößte Werk im weltweiten Volkswagen-Reich. An dem traditionsreichen Standort baut VW den Beetle und den Jetta, sowie der neue Tiguan-Ableger Allspace. Der Großteil der Produktion geht in die USA.

In den USA verfügen die Wolfsburger über ein Werk in Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee. Die rund 3200 Beschäftigten bauen den Passat und den XXL-SUV Allspace. Er soll ab Frühjahr in die Showrooms rollen.

Einschätzung



Der zweit-größte Automarkt der Welt ist Hauptabnehmer der Produkte aus Puebla. Macht Trump mit seinen Strafzöllen tatsächlich ernst, würde wäre der vom Dieselskandal ohnehin übel gebeutelte Konzern in neue Turbulenzen geraten. VW, sagt auch denn auch Auto-Analyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler, "wäre wohl am stärksten von möglichen Strafzöllen betroffen".