An schlechte Meldungen aus der Automobilbranche haben sich Anleger inzwischen gewöhnt. Auch bei BMW war der Effekt Ende vergangener Woche zu beobachten. Im vergangenen Jahr sackte der Nettogewinn um rund 17 Prozent ab, der Umsatz gab um 0,8 Prozent auf 97,5 Mrd. Euro nach. Die Umstellung auf die neuen Abgastests in Europa (WLTP), der internationale Handelskonflikt und die damit verbundene Konjunkturabkühlung in wichtigen Absatzmärkten wie China hinterließen deutliche Bremsspuren.

Mit einer operativen Rendite von 7,2 Prozent musste ein Rückgang von zwei Prozentpunkten hingenommen werden. Daimler schaffte 7,8 Prozent, Audi steht bei sechs Prozent. Die Konsequenz: Aktionäre erhalten eine geringere Ausschüttung, die Dividende fällt um 50 Cent auf 3,50 je Stamm- und 3,52 je Vorzugsaktie.

Die Zahlen liegen nun auf dem Tisch und sind Vergangenheit. Entscheidend für die Aktie ist der Blick in die Zukunft. BMW und die gesamte Autobranche stehen vor enormen Herausforderungen. Der Umstieg auf Elektromobilität und selbstfahrende Autos kostet Milliarden, zugleich nimmt der Wettbewerbsdruck aus China zu. Um hier die starke Marktposition zu behaupten, sind Kooperationen und Effizienzsteigerungen ein wichtiger Schritt.

Mit Daimler auf die Überholspur?



Das laufende Sparprogramm bei BMW wird daher deutlich ausgeweitet. "Die Herausforderungen für die gesamte Industrie nehmen in den nächsten Monaten nicht ab", sagte BMW-Chef Harald Krüger. "Deswegen werden große Kraftanstrengungen in allen Bereichen des Unternehmens erforderlich sein." Und auch die Zusammenarbeit mit Konkurrent Daimler wird offenbar deutlich ausgebaut. Ende Februar kündigten die Premiumhersteller den Zusammenschluss ihrer beiden Carsharing-Töchter DriveNow und Car2go an. Mit Blick auf den Umsatz im Bereich kombinierte Mobilitätsdienste agiert das Duo mit Konkurrent Sixt ungefähr auf Augenhöhe bei rund drei Mrd. Euro. Einziger Haken: Während Sixt profitabel arbeitet, muss sich die Kooperation von Daimler/BMW erst noch bewähren. Dazu ist eine Investition von über einer Milliarde Euro notwendig. Und hier schließt sich auch der Kreis zu den avisierten Einsparungen. Berichten zufolge wollen BMW und Daimler auch eine gemeinsame Plattform für künftige Automodelle der beiden Marken entwickeln. Das würde mehr als sieben Mrd. Euro an Entlastung einspielen.

Vorsicht beim KGV



Aus Sicht der Bewertung ist die Aktie auf den ersten Blick ein echtes Schnäppchen. Für 2019 rechnet der Markt mit einem Gewinn je Aktie von 10,41 Euro. Die Erwartungen sind in den vergangenen Monaten deutlich gesunken, im September lag die Messlatte noch bei 11,70 Euro. Auch 2020 zeichnet sich keine Belebung ab, hier liegt die Prognose bei 10,70 Euro. Umgerechnet ergibt sich so ein KGV von etwa sieben - im DAX sind nur Daimler, VW und die Lufthansa noch günstiger zu haben. Das 2020er-KGV des europäischen Auto-Index liegt bei etwa sechs. Anders formuliert: BMW wird dank der guten Marktstellung und Vorteilen bei E-Mobilität und Nachhaltigkeit ein Aufschlag zugestanden. Auf der anderen Seite spiegelt das tiefe KGV zugleich die große Skepsis des Marktes wider und ist daher nur ein schwaches Kaufargument.

Technisch sieht es ebenfalls nicht besser aus. Seit mehr als zwölf Monaten liegt eine Serie fallender Hoch- und Tiefpunkte vor. Mit guten Willen kann der Aktie im Bereich um 69/70 Euro eine Bodenbildung attestiert werden. Signale der Stärke stehen aber noch aus - dazu müssten die Barrieren um 77 Euro (Abwärtstrend und 200-Tage-Linie) überwunden werden. Kurzfristig agierende Trader steigen entweder bei einem Ausbruch ein oder kaufen unter der 70er-Zone - allerdings nur mit kleinen Einsätzen.



Börsianer mit einem längeren Anlagehorizont warten zunächst die Bilanzpressekonferenz am Mittwoch ab, vor allem der Ausblick ist entscheidend für die Aktie. Während die Belastungen durch die WLTP-Umstellung nur temporär zu sehen sind, begrenzen mittelfristig vor allem die Entwicklung in wichtigen Absatzmärkten wie China sowie die enormen Investitionen die Fantasie.

Empfehlung: Beobachten
Kursziel: 78,00 Euro
Stoppkurs: 69,00 Euro

Franz-Georg Wenner ist Chefredakteur des börsentäglichen Anlegermagazins "Index-Radar". Der Spezialist für Technische Analyse ist regelmäßiger Gast bei n-tv und dem Verein Technischer Analysten Deutschlands (VTAD). Bei BÖRSE ONLINE war er sechs Jahre Online-Koordinator und Redakteur mit den Schwerpunkten Nebenwerte Deutschland, Zertifikate und Technische Analyse. www.index-radar.de