"Er wird BMW zusätzliche Impulse bei der Gestaltung der Mobilität der Zukunft verleihen", erklärte Chefkontrolleur Norbert Reithofer. Der Konzern schrieb im Kerngeschäft zuletzt rote Zahlen und hat sich nach Ansicht von Kritikern damit verzettelt, alle möglichen Antriebe der Zukunft parallel zu entwickeln. Von Zipse fordern Mitarbeiter und Aktionäre nun schnell Antworten, wie die künftige Strategie von BMW aussieht.
BMW brauche mehr Innovationsführerschaft und den Ehrgeiz, mehr Risiken einzugehen, forderte Evercore-Branchenanalyst Arndt Ellinghorst. "Zuallererst gehört dazu ein mutigeres Herangehen an die Elektromobilität." Die Bayern hatten mit dem batteriegetriebenen i3 und dem Hybrid-Sportwagen i8 zwar früh auf Elektroautos gesetzt, drohen nun aber abgehängt zu werden. Konkurrent Volkswagen steckt Milliarden in die Entwicklung von E-Autos - und setzt damit voll darauf, dass sich Kunden "sauberen" Fahrzeugen zuwenden. Die Analysten von JPMorgan bezeichneten die Stabübergabe bei BMW vom glücklosen Harald Krüger an Zipse als "mutigen Wechsel, der die Notwendigkeit zur Veränderung zeigt, da die Autobranche durch einen strukturellen Wandel steuert".
Große Vorschusslorbeeren an der Börse bekam Zipse allerdings nicht. Die BMW-Aktie lag zum Wochenausklang nur leicht im Plus.
PREMIERE AUF DER IAA
Offiziell tritt Zipse sein neues Amt am 16. August an - mitten in den Werksferien. Seinen ersten großen Auftritt als BMW-Chef dürfte er auf der Internationalen Automobilausstellung (IAA) im September in Frankfurt haben. Dort kann er erste Pflöcke einschlagen, eine ausgearbeitete Strategie wird er aber noch nicht im Gepäck haben. Dem scheidenden BMW-Chef Krüger bleibt noch die Aufgabe, am 1. August den Halbjahresbericht vorzustellen. Krüger hatte nach gut vier Jahren im Amt vor rund zwei Wochen seinen Rückzug erklärt, nachdem wochenlang darüber spekuliert worden war, ob er bei BMW in die Verlängerung darf. Nun geht er noch vor Ablauf seines Vertrages.
Auch bei der Betriebsversammlung am kommenden Donnerstag in der Münchener Zentrale ist noch kein Auftritt Zipses geplant. Die Belegschaft ist verunsichert, weil Vollzeit-Verträge nicht verlängert und Zeitarbeiter abgebaut werden. "Viele Kollegen spüren, wie das Unternehmen den Gürtel enger schnallt", schrieb Betriebsratschef Manfred Schoch vor einigen Tagen in einem Brief an die Mitarbeiter, aus dem die Fachzeitschrift "Automobilwoche" zitiert. Er fühle sich an die globale Wirtschaftskrise 2008/2009 erinnert. "Es passt nicht zusammen, dass wir einerseits ein immer größeres Feuerwerk an neuen Modellen und Technologien auf den Markt bringen und andererseits (...) die dafür notwendigen Kapazitäten reduzieren." Ein möglicher Personalabbau hängt wie ein Damoklesschwert über der Belegschaft.
Schoch, der auch stellvertretender Aufsichtsratschef ist, mahnte, das Verhältnis des Vorstands mit dem Betriebsrat nicht zu gefährden. Die Partnerschaft habe "bei der BMW Group eine lange Tradition und ist Grundlage unserer Erfolgsgeschichte", erklärte er zu Zipses Berufung. Entwicklungsvorstand Klaus Fröhlich, der ebenfalls als Krüger-Nachfolger gehandelt wurde, war von den Arbeitnehmervertretern Unternehmenskreisen zufolge kritisch gesehen worden. Der 59-Jährige soll gehalten werden, zu einer Verlängerung seines 2020 auslaufenden Vertrages erklärte sich der Aufsichtsrat zunächst aber nicht. Zipses Nachfolger als Produktionsvorstand dürfte frühestens nach dem Sommer verkündet werden.
EIN MANAGER ALTER SCHULE - KANN ER ALLE MITNEHMEN?
Für Zipse wird es ein Spagat, die Interessen auszutarieren. Denn mit dem Manager mit dem Schmiss an der Oberlippe verbindet man bei BMW den Wunsch nach einer stärkeren Führung als unter dem konsensorientierten Krüger. Der gebürtige Heidelberger Zipse war mit Krügers Berufung zum BMW-Chef 2015 in den Vorstand aufgestiegen. Der mit einer Japanerin verheiratete Vater zweier Söhne hat sein ganzes Berufsleben bei BMW verbracht. Er wird als Manager alter Schule beschrieben - und ist einer der letzten Schlipsträger in der Branche. Empfohlen hatte er sich für den Posten an der Spitze, indem er BMW durch ein ausgeklügeltes Netz von weltumspannenden Produktionsstandorten weniger abhängig von Handelskonflikten und konjunkturellen Schwankungen gemacht hat.
Doch seine Aufgabe als Konzernchef wird größer. "Ein CEO muss eine Vorstellung davon haben, wie sich die Mobilität in Zukunft entwickeln wird. Das geht weit über die Optimierung eines bestehenden Geschäfts hinaus", sagt Carsten Breitfeld, Chef von Iconiq Motors aus China und ehemaliger BMW-Ingenieur. Er müsse begeistern können und die Mitarbeiter mitnehmen. Mit dem heutigen Volkswagen-Chef Herbert Diess, Christian Senger (ebenfalls VW) und Markus Duesmann, der bei Audi erst 2020 antreten kann, hat BMW in den vergangenen Jahren eine Reihe von Elektroauto-Experten verloren.
rtr