Wenn ab Februar der neue 5er bei den Händlern stehe, beginne die stärkere Phase im Modellzyklus, sagt Eichiner im Gespräch. Bis 2020 sollen 70 Prozent der Flotte erneuert werden. Als Konzern, einschließlich der Finanzierungssparte, bleibt BMW mit einer operativen Rendite von gut zehn Prozent in diesem Jahr der profitabelste Autobauer der Welt.
Der promovierte Ökonom Eichiner wurde im Dezember 2008 Finanzvorstand und führte BMW nach der globalen Finanzkrise bei der Rendite an die Spitze.
BÖRSE ONLINE: Herr Eichiner, seit VWs Manipulation der Abgaswerte bei Dieselmotoren steht die Technologie in der Kritik. BMW hat mit 70 Prozent Dieselmotoren den höchsten Anteil in der Branche und erreicht damit im Flottendurchschnitt die gesetzlichen Vorgaben bei Schadstoffemissionen. Wird dieser Vorteil jetzt ein Handicap?
Friedrich Eichiner: Weltweit liegt unser Dieselmotoren-Anteil bei rund 37 Prozent, höhere Anteile sehen wir speziell in Europa. Unsere Dieselmotoren erfüllen die geltenden Euro-6-Vorschriften, und die Modelle bleiben sehr gefragt. Der Diesel ist notwendig, um die strengen Vorgaben bei CO2-Emissionen in Europa zu erfüllen. Deshalb kann es nicht sein, dass die Politik die Autobranche in ihren Technologien einschränkt - vor allem dann, wenn die Motoren die Abgasvorschriften erfüllen. Ich habe Zweifel, ob die von einzelnen Bürgermeistern angekündigten Stadtverbote für Dieselautos sich durchsetzen lassen. Für BMW bleibt der Diesel eine absolut notwendige Option. Ich sehe keinen Sinn darin, den Diesel aufgrund der Ereignisse in einem Unternehmen totzureden.
Daimler verkauft jährlich 100 000 Autos der S-Klasse, BMW 60 000 seiner 7er. Und der Konkurrent fährt damit deutlich mehr Gewinn ein. Ärgert Sie das?
Sie müssen unser gesamtes Angebot im oberen Segment betrachten: Oberhalb des 7ers zählt dazu Rolls-Royce, der klare Marktführer in der obersten Luxusklasse. Wir bauen unser Angebot konsequent aus, zum Beispiel ab 2018 mit dem X7. Wir haben weitere Ideen, wie wir im Segment Marktführer werden.
Wie passt der für 2021 angekündigte iNext in die Fahrzeugentwicklung?
BMW i ist für uns die Speerspitze der Innovation. Dort erschließen wir neue Technologien, die wir in die Breite unserer Marken überführen - bei der Elektromobilität ist uns das ausgezeichnet gelungen. Der i8 war der Vorreiter für die Plug-in-Hybrid-Technologie, die jetzt schon in fast alle Modellreihen ausgerollt ist. Die Karosserie des i3 wurde soweit wie möglich mit Carbon gefertigt. Diese Erkenntnisse des Leichtbaus nutzen wir im neuen 7er. Der iNext wird 2021 das autonome Fahren einführen und dafür ein völlig neues Interieur bieten. Natürlich wird er auch die nächste Stufe der Elektromobilität bieten. Was sich auf der Straße bewährt, wird in die Kernmarken überführt.
Damit bleibt die i-Reihe also auch weiter ein Bestandteil der Markenstrategie?
Absolut, BMW i spielt eine entscheidende Rolle innerhalb der BMW Group. Das "i" steht für Innovation und das ist aus unserer Sicht eines der großen Differenzierungsmerkmale, um die Mobilität der Zukunft zu gestalten.
Die Assistenzsysteme im neuen 5er bieten nur Anklänge an das autonome Fahren. Warum war BMW da nicht mutiger?
Für autonomes Fahren sind redundante Systeme notwendig. Wenn eine Kamera nicht funktioniert, muss eine andere Sensorik übernehmen. Ein autonom fahrendes Auto muss in jeder Hinsicht abgesichert sein, bevor sich der Kunde zurücklehnen und sich fahren lassen kann. Das ist ein sehr hoher Anspruch. Im Jahr 2017 werden wir damit beginnen, hoch automatisierte Versuchsfahrzeuge auch in der Innenstadt von München zu testen, immer mit einem Testfahrer am Steuer.
Kann ein einzelner Hersteller autonomes Fahren in der kurzen Zeit bis zum Jahr 2021, wenn die Technologie mit BMWs iNext verfügbar sein soll, allein entwickeln?
Davon gehen wir nicht aus. Um Informationen sofort zu analysieren und einzusetzen, ist im Vergleich zu heute sehr viel mehr Rechen- und Speicherleistung im Auto und im Back-end notwendig. Um darin führend zu sein, arbeiten wir mit dem Chipkonzern Intel und Mobileye, dem Spezialisten für kamerabasierte Assistenz- und Analysesysteme, zusammen und haben den Kartendienst Here gemeinsam mit Daimler und Audi erworben.
Ist eine erfolgreiche Kooperation der Autobauer bei Here notwendig, um mit weiteren Allianzen Elektromobilität und autonomes Fahren aufzubauen?
Deshalb sind wir für alle Hersteller offen, auch bei Here. Um Themen wie autonomes Fahren und Elektromobilität auszubauen, werden Standards notwendig sein. Es ist nicht sinnvoll, für ein sicheres autonomes Fahren viele verschiedene Technologien parallel zu betreiben und beherrschbar zu machen.
Reicht die bisherige Kaufprämie für elektrifizierte Autos in Deutschland aus, um den Markt in Schwung zu bringen?
Drei Dinge sind notwendig, damit sich Elektromobilität entwickelt: Eine ausreichende Ladeinfrastruktur, finanzielle Anreize für den Kunden beim Einstieg in die Elektromobilität und attraktive Fahrzeuge. Als Industrie leisten wir durch unsere finanzielle Beteiligung an der Prämie in Deutschland und den weiteren Ausbau der Modellpalette unseren Beitrag, um diese Ziele zu erreichen.
Anders als Konkurrenten beteiligt sich BMW nicht an Taxiplattformen wie Uber. Mit Drive-Now ist erweiterte Mobilität Teil der Konzernstrategie. Reicht die Finanzkraft aus, um Mobilität ohne Partner zu betreiben?
Mobilitätsdienstleistungen werden auch künftig eine wichtige Rolle spielen, so viel ist klar. Und dank unseres Flottengeschäfts haben wir langfristig viele Möglichkeiten.
Chinas Regierung will, dass ausländische Hersteller vor Ort Elektroautos bauen. Ist der erwogene Pflichtanteil an Elektroautos am Angebot ein Handicap für BMW?
Diese Entwicklung überrascht uns nicht. Wir haben weltweit ein breites Angebot an elektrifizierten Autos - und in China ist zusätzlich die Langversion des X1 als Plug-in-Hybrid angelaufen, den wir lokal produzieren.
Wie muss sich die Produktion mit höheren Anteilen elektrifizierter Autos ändern?
Wir haben unsere Fahrzeugarchitekturen schon heute so ausgelegt, dass wir Verbrennungsmotoren und Plug-in-Hybride auf derselben Plattform und am selben Band fertigen können. Das gibt uns die Flexibilität und ist natürlich auch der Anspruch, wenn wir in Zukunft auf höhere Anteile von rein batterieelektrischen Fahrzeugen setzen.
Wann wird der Punkt erreicht sein, wo die Elektrifizierung mit Blick auf die Marge auch bei höheren Stückzahlen attraktiv ist?
Wir sehen Fortschritte auf der Kostenseite, auch durch unsere Flexibilität in der Produktion. Entscheidend ist die Preisentwicklung bei der Batterie. Dort sehen wir eine Bewegung hin zu sinkenden Kosten und steigenden Kapazitäten. Aus heutiger Perspektive wäre es aber nicht seriös, einen genauen Zeitpunkt zu nennen, wann der Elektroantrieb günstiger sein wird als ein Verbrenner.
Wo machen BMWs Familieneigentümer den Unterschied zu herkömmlichen AGs?
Es ist ein Anliegen unserer Anteilseigner, dass sich BMW strategisch nachhaltig entwickelt. Dieser Ansatz gibt uns bei Zukunftstechnologien viel Unterstützung. Kurzfristig orientierte Anleger schauen eher auf schnelle, nicht unbedingt nachhaltige Ergebnisse.
War also die Familie beim Start des project i wichtig, um viel früher als bei der Konkurrenz ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen für die Pionierarbeit in der E-Mobilität frei zu machen?
Die Familie Quandt ist im Aufsichtsrat vertreten und hat über diesen Weg die Strategie "Number ONE" und später "Number ONE > NEXT" unterstützt und dem Vorstand für das "project i" Rückendeckung gegeben.
Wie bleiben Sie nach Ihrem durch die Altersgrenze bedingten Ausscheiden zum Ende des Jahres an den Entwicklungen der Branche dran?
Ich kann mir nicht vorstellen, in den Vorstand eines anderen Industrieunternehmens zu gehen. Aber ich werde BMW verbunden bleiben. Sie können davon ausgehen, dass ich nach fast 30 Jahren BMW dem Unternehmen die Treue halten werde.