Die Wertentwicklung europäischer Bankaktien glich lange einem Trauerspiel. Das dokumentiert der Stoxx Europe 600 Banks Index, der aktuell etwa so hoch notiert wie Ende 1997. Die lange Durststrecke hat zur Folge, dass Anleger den Sektor vernachlässigen. Das wiederum birgt Chancen, sobald sich die Situation bessert. Und Besserung ist in Sicht. Obwohl sich die Branchenvertreter nach wie vor mit Problemen herumschlagen. Zu den Herausforderungen zählen unter anderem Negativzinsen, Digitalisierungsdruck und wachsende Konkurrenz.

Letztendlich aber sind gut geführte Kreditinstitute auch in Europa in der Lage, so viel Geld zu erwirtschaften, dass es für ansehnliche Dividendenausschüttungen reicht. Hinzu kommt, dass nach den von der EZB verhängten Pandemie-bedingten Ausschüttungsverboten Nachholdividenden und Aktienrückkäufe winken, da die EZB diese Restriktionen im Juli aufgehoben hat. Nicht selten zeichnen sich dadurch für mehrere Jahre Dividendenrenditen von fünf Prozent p. a. oder noch mehr ab. Im vorherrschenden Niedrigzinsumfeld ist das durchaus attraktiv. Wir haben uns den Sektor genauer angesehen und stellen Bankaktien vor, die sich in intakten mittelfristigen charttechnischen Aufwärtstrends befinden und die in den vergangenen Jahren unter dem Strich keine Kursverluste erlitten haben.

Marktumfeld hellt sich auf

Die Chancen, dass sich die Kurse dieser Titel auch in den kommenden Jahren zumindest halten können, stehen nicht schlecht, zumal auch die Bewertungen stimmen. Selbst das Branchen-KGV mit im Schnitt rund zehn sieht nicht nur optisch günstig aus, sondern ist auch verglichen mit dem Gesamtmarkt moderat. Hinzu kommt die außergewöhnliche Konstellation, dass die erwarteten Gesamtrenditen (Dividenden plus Aktienrückkäufe) bei einer Reihe von Titeln höher als die Kurs-Gewinn-Verhältnisse ausfallen. Mut macht zudem, dass der Stoxx Europe 600 Banks Index dieses Jahr bislang besser läuft als der Stoxx Europe 600 Index. Diese Relative Stärke ist technisch gesehen ein Hoffnungsschimmer. Damit sich die Erholung fortsetzt, sind mehr als nur niedrige Bewertungen nötig. Laut UBS sind für nachhaltig steigende Kurse traditionell drei Faktoren wichtig: gute volkswirtschaftliche Aussichten, steigende Anleiherenditen und positive Ergebnistrends im Verbund mit einer sich verbessernden Bilanzqualität.

Sieben Favoriten

Auf der Suche nach den besten Bankaktien sind wir bei sieben Branchenvertretern gelandet. Allen gemein sind steigende Gewinnprognosen, ein moderates KGV und sehr attraktive Dividendenrenditen. Mit Blick auf die Schätzungen für 2024 stehen die ING und die Raiffeisenbank International besonders gut da. Die geschätzten 2024er-KGVs bewegen sich hier bei 9,1 beziehungsweise bei 4,9, während die erwarteten Dividendenrenditen 9,4 beziehungsweise 7,2 Prozent betragen.

Zur ING hat etwa die Berenberg Bank berechnet, dass die Niederländer über einen Kapitalüberschuss von rund 300 Basispunkten verfügen, was 9,2 Milliarden Euro Kapital bedeutet oder rund 20 Prozent der Marktkapitalisierung entspricht. Das Institut plant deshalb eine großzügige Kapitalrückgabe an die Aktionäre in Form von Dividenden und Aktienrückkäufen. Bei der Raiffeisenbank International ist der Bewertungsabschlag besonders eklatant. Das hängt damit zusammen, dass der Markt bei der zweitgrößten Bank in Österreich, die auch in Zentral- und Osteuropa stark vertreten ist, vor allem die Russland-Aktivitäten kritisch beäugt.

Doch die Konjunktur in diesen Ländern läuft nicht so schlecht, wodurch die Kreditausfälle beherrschbar bleiben sollten. Mit einem Kurs-Buchwert-Verhältnis von 0,54 für 2021 dürfte schon viel Negatives in den Kursen stecken.

BNP und Intesa top

Auffällig tief bewertet sind BNP Paribas und Intesa Sanpaolo. Bei der größten italienischen Privat- und Geschäftskundenbank Intesa Sanpaolo ist das insofern überraschend, als man zuletzt beim Nettoergebnis mit 1,5 Milliarden Euro einen neuen Quartalsrekord erwirtschaftet hat, der die Marktprognosen übertraf. Obwohl die Gesellschaft auch über ein diversifiziertes Geschäftsmodell verfügt, billigt ihr der Markt für 2022 nur ein Kurs-Buchwert-Verhältnis von rund 0,7 zu.

Im Fall der BNP Paribas bewegt sich dieser Wert für das kommende Jahr sogar nur bei dem rund 0,6-Fachen - und das, obwohl die größte Bank Frankreichs mit ihrem Universalbankenmodell gut aufgestellt ist. Jedenfalls konnten damit in den Vorjahren Schwächen immer ausgebügelt werden. Spannend ist zudem, was der für Februar 2022 angekündigte neue Strategieplan bis 2025 enthält. Die Landesbank Baden-Württemberg geht davon aus, dass ein organisches Wachstum und die weitere Verbesserung der Kostenstruktur im Vordergrund stehen werden. Mit Blick auf die künftige Dividendenpolitik rechnet man nicht mit einer Verringerung der Ausschüttungsquote von etwa 50 Prozent.

KBC, Moneta und Nordea

Bei unseren drei Favoriten KBC Groep, Moneta Money Bank und Nordea Bank bewegen sich die KGVs nicht im einstelligen Bereich. Es scheint am Markt gegenüber diesen Instituten weniger Vorbehalte zu geben. Die Bewertungen der Institute sind trotzdem als relativ günstig einzustufen, zumal der Analystenkonsens jeweils mit steigenden Gewinnen bis 2024 rechnet. Hinzu kommen attraktive Dividendenrenditen. Speziell bei der Nordea Bank zeichnen sich ab dem vierten Quartal 2021 umfangreiche Aktienrückkäufe ab.

Die Rechnung der Berenberg-Bank-Analysten: "Nordea plant, das überschüssige Kapital, das 300 bis 400 Basispunkte über dem Bedarf liegt, über Rückkäufe auszuschütten. Das entspricht 4,5 Milliarden Euro an Kapital oder elf Prozent der Marktkapitalisierung." Das im Jahr 1820 gegründete Institut mit Sitz in Finnland verfügt über große Marktanteile, einen starken Kundenstamm und mehrere Vertriebskanäle in den attraktiven nordischen Bankenmärkten, führt die Bank Julius Bär weiter aus.

Als integrierter Bank- und Versicherungskonzern, der sein Geld primär auf dem Heimatmarkt Belgien ( Nummer 2) und der Tschechischen Republik (Top 3) verdient, ist die KBC Group gut aufgestellt - zählt sogar zu den am besten kapitalisierten Banken Europas und erwirtschaftet eine hohe Eigenkapitalrendite. Laut Berenberg Bank strebt KBC an, das ganze Kapital über dem Kernkapital-CET1-Ziel von 15,5 Prozent auszuzahlen. Die Quote lag im zweiten Quartal bei 17,5 Prozent und dürfte exklusive Dividenden bis Jahresende auf 19,3 Prozent steigen.

Weniger bekannt, aber durchaus interessant ist die Moneta Money Bank. Für den Finanzkonzern PPF-Gruppe ist die Nummer 6 auf dem tschechischen Markt sogar so spannend, dass man jüngst zum zweiten Mal eine Übernahmeofferte lancierte. Diese scheiterte zwar, wobei die Komercní-Banka-Analysten fest mit einem neuerlichen Anlauf zur Kontrollübernahme rechnen. Interessant ist dieser Wert, weil das makroökonomische Umfeld in Tschechien als günstig für den Bankensektor gilt. Die Bank erwirtschaftet eine hohe Eigenkapitalrendite und schüttet 70 Prozent des Nettogewinns aus.

Auf einen Blick: Banken


Europäische Bankaktien wurden von Anlegern lange Zeit gemieden, weil mit ihnen nicht viel zu verdienen war. Doch nun sind einige Institute dank niedriger Bewertungen und hoher Ausschüttungen wieder interessant.