Die Anteilseigner des russischen Gaskonzerns haben die für 2021 angepeilte Gewinnausschüttung abgelehnt. "Die Aktionäre haben entschieden, dass es in der aktuellen Situation nicht ratsam ist, Dividenden auf der Grundlage der Ergebnisse von 2021 zu zahlen", sagte der stellvertretende Vorstandschef Famil Sadygov heute Vormittag.
Die Priorität des Konzerns liege nun auf der Umsetzung des Investitionsprogrammes. Noch im Mai hatte Gazprom mitgeteilt, dass der Vorstand eine Dividende von 52,53 Rubel pro Aktie für 2021 vorschlägt.
Gazprom-Aktie stürzt ab
Die Aktie von Gazprom stürzt am Donnerstag an der Börse Moskau um mehr als ein Viertel ab.
In Deutschland ist der Handel mit dem einstigen Dividenden-Highflyer nach wie vor suspendiert. Auch in Moskau können hiesige Anteilsinhaber ihre Papiere nicht handeln. Die Halter von Gazprom-ADRs sorgen sich um ihre Investments. BÖRSE ONLINE rät, mögliche Umtausch-Angebote, die derzeit durchs Netz geistern, auf Seriosität zu prüfen und nicht vorschnell anzunehmen.
Der russische Energiekonzern hat bekanntlich seine Gas-Lieferungen nach Westeuropa deutlich gedrosselt und nimmt dadurch auch weniger ein. Russland behauptet, die Gaslieferungen nach Deutschland müssten gedrosselt werden, weil Siemens Energy Turbinen für die Pipeline North Stream 1 nicht rechtzeitig warte. Der Energiekonzern wehrt sich jedoch gegen die Vorwürfe. "Es ist sehr bequem, ein Unternehmen mit reinzuziehen, das in Russland bekannt ist", sagte Joe Kaeser, Vorsitzender des Aufsichtsrats von Siemens Energy, der "Süddeutschen Zeitung". "Selbst wenn es so wäre, würde das niemals rechtfertigen, den Gasfluss so stark zu drosseln."
Gasspeicher werden langsam gefüllt
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte die russische Begründung bereits als vorgeschoben kritisiert. Russlands staatlicher Energieriese Gazprom hatte Mitte des Monats die Gaslieferungen durch die Ostsee-Pipeline weiter runtergefahren und liefert nur noch etwa 40 Prozent früherer Tagesmengen. Der Gaslieferant begründete den Schritt mit Verzögerungen bei Reparaturarbeiten.
Deutschland will die Gas-Speicher hierzulande eigentlich bis Anfang November zu mindestens 90 Prozent füllen. Derzeit beträgt der Füllstand knapp 60 Prozent. Allerdings ist die Sorge groß, dass der russische Staatskonzern Gazprom nach der zwischen 11. und 21. Juli geplanten Wartung der Ostsee-Gaspipeline Nord Stream den Hahn nicht oder später wieder aufdreht und noch weniger Gas als bisher liefert. Deutschland bezieht einen Großteil seiner Gaslieferungen über diese Leitung.
Gasspeicher gleichen Schwankungen beim Verbrauch aus. Ihre Bedeutung ist aber begrenzt. Denn selbst wenn sie komplett gefüllt wären, würden ihre Mengen nicht für die komplette Heizperiode ausreichen. Nach Schätzung des Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, würden die Speicher bei einem durchschnittlichen Winter nur zweieinhalb Monate reichen, um die Nachfrage auch ohne russisches Gas zu decken. Daher sucht Deutschland nach anderen Möglichkeiten, etwa Flüssiggas-Lieferungen über schwimmende Terminals.
Wenn Gazprom über Wochen nur 40 Prozent durch Nord Stream 1 liefere, bekomme Deutschland ein Problem, hatte Müller kürzlich gesagt: "Das würde unsere Situation erheblich verschlechtern. Über den Sommer könnten wir das vielleicht aushalten, denn die Heizsaison ist ja vorbei. Allerdings müssen wir jetzt zwingend die Speicher füllen, um den Winter zu überstehen - auch mit russischem Gas."