Verrückte Zeiten: Weil aus den USA schwache Konjunktur-Signale kamen, steigen in Japan die Aktien. Sowohl der Nikkei-225-Index als auch der breite Topix sprangen am Dienstag so stark wie seit gut einem halben Jahr nicht mehr nach oben. Selbst eine von Nordkorea abgefeuerte Rakete, die über Japan sauste, störte die Börsianer kaum.
Die schwachen US-Konjunkturdaten vom Vortag sorgen für einen globalen Auftrieb an den Aktienbörsen. Die Stimmung in der US-Industrie hat sich im September deutlich eingetrübt. Der Einkaufsmanagerindex ISM fiel auf den tiefsten Stand seit Mai 2020. Analysten hatte im Schnitt einen moderateren Rückgang erwartet. Der Wert deute darauf hin, dass die Wirtschaft ins Stocken geraten könnte, was die Dringlichkeit aggressiverer Zinserhöhungen der Fed verringern würde, kommentierte ein Börsianer.
Bärenmarkt vorbei?
"Der Markt ist überverkauft, und die Stimmung ist extrem negativ, sodass es jederzeit zu einer Erholung kommen kann, sogar zu einer deutlichen", bemerkte Matt Maley, Chefmarktstratege bei Miller Tabak & Co. "Wir gehen jedoch davon aus, dass die Talsohle dieses Bärenmarktes noch nicht erreicht ist, da der Aktienmarkt eine Rezession noch nicht vollständig eingepreist hat."
Die nachlassenden Zinssorgen pushte die Kurse an der Wall Street kräftig und sorgten am Montag auch für Käufe in Tokio. Der japanische Nikkei-225 beeindruckte mit einem dreiprozentigen Kurssprung auf 26.992 Punkte. Er knüpfte damit an seinen schon positiven Wochenauftakt an.
Nordkorea-Rakete löst öffentlichen Alarm aus
Unbeeindruckt reagierte die Börse auf die von Nordkorea abgefeuerte Rakete. Nach Angaben des südkoreanischen Militärs flog eine ballistische Mittelstreckenrakete über die japanische Inselgruppe. Der Start löste einen seltenen öffentlichen Raketenalarm in Japan aus, der die Bewohner der nordjapanischen Insel Hokaido und der Präfektur Aomori an der Nordspitze der japanischen Hauptinsel Honshu mit Warnmeldungen aufforderte, Schutz in ihren Häusern zu suchen, wie die Nachrichtenagentur Kyodo berichtete.
Die Rakete landete rund 3000 Kilometer östlich von Japan im Pazifischen Ozean. Laut Angaben von Japans Verteidigungsminister Yasukazu Hamada handelt es sich um die weiteste horizontale Entfernung einer Rakete Nordkoreas.
Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol sprach von einer "rücksichtslosen" Provokation und rief dazu auf, "entsprechende Maßnahmen" zu ergreifen, wie Yonhap berichtete. Japans Regierungschef Fumio Kishida nannte Nordkoreas Raketentest "ungeheuerlich". Kabinettschef Hirokazu Matsuno sprach zudem von einer "unmittelbaren Bedrohung" für die Region und die Weltgemeinschaft. EU-Ratspräsident Charles Michel nannte den Test eine ungerechtfertigte Aggression und eklatante Verletzung des Völkerrechts.
Tech-Aktien gesucht
Vor allem japanische Technologiewerte galten am Dienstag als Treiber des Kurssprungs. Der marktbreite Topix profitierte davon mit einem Aufschlag von 3,2 Prozent – der größte Tagesgewinn seit März. Die Benchmark hat ihren Jahresverlust nun auf unter fünf Prozent reduziert. Verglichen mit den mehr als 20 Prozent in wichtigen Indizes der USA und Europas ist das beachtlich. Japanische Aktien halten sich in diesem Jahr besser, da die anhaltende Abschwächung des Yen auf ein 24-Jahres-Tief die Gewinnaussichten für die Exporteure des Landes beflügelt.
Ikuo Mitsui, Fondsmanager bei der Aizawa Securities Group, beschwichtigt zu große Euphorie jedoch. "Es ist noch zu früh, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Abwärtstrend auf dem US-Markt wirklich beendet ist", und japanische Aktien bleiben globalen Marktturbulenzen ausgesetzt", sagte er. Zu den Risikofaktoren, die über den Märkten schweben, gehören Unternehmensergebnisse und die US-Zwischenwahlen, fügte er hinzu.